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«Die Alterssiedlung war mein Baby»

Nach 15 Jahren als Geschäftsführerin heisst es Ende Monat für Franziska Stübi: Abschied nehmen. Im Gespräch mit der felix.-Redaktion blickt sie zurück auf Umbauten, fehlende Fachkräfte und den Umgang mit der Sterbehilfe.

Manuela Müller

Franziska Stübi, wenn Sie an den Abschluss Ihres Lebens denken, welche Wohnform wäre dann für Sie die richtige?

Ich finde die Wohnform in einer Alterssiedlung wie hier in Arbon super. Man ist selbständig, hat Unterstützung im Alltag, kann an Veranstaltungen teilnehmen, wenn man will, kann aber auch einfach mal die Türe schliessen, wenn man seine Ruhe möchte.

Auch Sie schliessen jetzt eine Tür hinter sich. Ende Monat gehen Sie nach 15 Jahren als Geschäftsführerin der Alterssiedlung Arbon in Pension. Wie fühlen Sie sich dabei?

Ich gehe natürlich mit einem lachenden und weinenden Auge. Die Alterssiedlung war mein «Baby». Bei allen meinen Arbeitsstellen, die ich seit der Lehrzeit hatte, habe ich mich voll und ganz eingebracht. Es war mir klar, dass dies hier meine Lebensstelle ist. Ich konnte mich in einem stimmigen Umfeld entfalten und vieles bewegen und weiterentwickeln. 

Zum Beispiel?

In den vergangenen 15 Jahren wurde bei uns gebaut, saniert und 31 Wohnungen wurden umgebaut. Es gab viel zu tun, zu sehen und zu lernen. Was sich im Laufe der Jahre zudem geändert hat ist die Wertehaltung der Menschen.

Wir haben einen guten Zusammenhalt im Team und sind kommunikationsstark.
Franziska Stübi

Inwiefern?

Seit Corona habe ich das Gefühl, dass die Mieter und Ansprechgruppen ungeduldiger geworden sind. Wir haben heute mehr rüstige ältere Leute in unseren Alterswohnungen, die noch mit über 90 Jahren Velo oder Auto fahren. Etwas das sich zunehmend schwieriger gestaltet, ist die Personalsuche. Es ist schwierig, geeignete Fachkräfte zu finden. Wir dürfen uns aber glücklich schätzen, dass wir eine extrem stabile Personalsituation haben.

Sollte nicht die Pflegeinitiative bezüglich des Fachkräftemangels Abhilfe schaffen?

Mögliche Verbesserungen stehen erst am Anfang und sind in der Diskussion.

Ein Hauswart geht zusammen mit Ihnen am 30. Juni nach 10 Jahren ebenfalls in Pension. Wie sieht es mit dem Kader aus?

Unsere «neuste» Mitarbeiterin in der Leitung ist bereits seit über 10 Jahren mit dabei. Wir haben einen guten Zusammenhalt im Team und sind kommunikationsstark. Mir war es wichtig, immer jeden zu Wort kommen zu lassen und sämtliche Themen zu behandeln. Ich war aber auch immer konsequent, wenn ich gemerkt habe, dass jemand nicht ins Team passt. Mein Motto in den vergangenen Jahren war stets: «Führung ist keine Macht, Führung ist eine Verantwortung den Menschen gegenüber.» Sei es die Verantwortung für die Mitarbeitenden aber auch jene für die Bewohnenden.

«Wenn Sie wissen wollen, was ich nach meinem Abschied in der Alterssiedlung mache: Keine Termine», scherzt Franziska Stübi, die ihre Verantwortung als Geschäftsführerin der Alterssiedlung Arbon Ende Juni abgibt.
«Wenn Sie wissen wollen, was ich nach meinem Abschied in der Alterssiedlung mache: Keine Termine», scherzt Franziska Stübi, die ihre Verantwortung als Geschäftsführerin der Alterssiedlung Arbon Ende Juni abgibt.
© Manuela Müller

Zur Alterssiedlung Arbon gehören Alterswohnungen sowie das Pflegeheim Bellevue. Sie betreuen also Menschen in der Selbstständigkeit, aber auch in der 24-Stunden-Pflege. Wie geht man in diesem emotionalen Spannungsfeld mit dem Tod um?

Wir begleiten die Menschen im Abschluss ihres Lebens. Der Tod gehört zu unserem Alltag. Das ist emotional und man darf auch als Mitarbeitende seine Emotionen zulassen und muss vielleicht dann auch einmal weinen. Wenn man Pikettdienst hat und ein Alarm ausgelöst wird, muss man nicht gleich an das Schlimmste denken. In unseren Köpfen ist einfach der Gedanke, dass die Mieterinnen und Mieter froh sind, wenn wir zu ihnen kommen und nach dem Rechten schauen. Natürlich wissen wir dabei nie, welche Situation wir in der Wohnung oder im Zimmer antreffen. 

Zum Thema Tod gehört auch die Sterbehilfe. Sie sagten in einem «felix.»-Artikel 2023, dass zwar das Gespräch mit Exit-Mitarbeitenden in den Räumlichkeiten der Alterssiedlung durchgeführt werden kann, der Vollzug aber ausserhalb stattfinden soll. Wieso das?

Die Entscheidung, das Gespräch in der Alterssiedlung durchführen zu lassen, aber den Vollzug nicht, war eine gemeinsame Entscheidung. Wie ich bereits erwähnte, habe ich eine Verantwortung den Mitarbeitenden gegenüber. Das Team der Alterssiedlung pflegt die Bewohnenden jahrelang mit dem Ziel, ihnen auch im Alter ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Mit dieser Verbundenheit zu den Bewohnenden wäre das eine Situation, welche die Mitarbeitenden aushalten müssten.

Ihre Nachfolgerin, Regula Rusconi, war in den vergangenen fünf Jahren Institutionsleiterin der «Viv Quimby» in St. Gallen und arbeitet bereits seit Anfang Juni in der Alterssiedlung Arbon. Welchen Ratschlag würden Sie ihr mit auf den Weg geben?

Ganz ehrlich: Gar keinen. Denn sie soll die Alterssiedlung so führen, wie sie es für richtig hält. So wie ich es in den vergangenen 15 Jahren gemacht habe. Ich habe in dieser Zeit von allen sehr viel gelernt. Sie findet ihren ganz eigenen Weg. 

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