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Boote müssen aus dem Keller

Die Stadt Arbon kündigt allen 23 Mietern der Tiefgarage des Seeparksaals – wegen Brandschutzmängeln. Für zwei Betroffene steht damit die Existenz auf dem Spiel.

Kim Berenice Geser

Über 25 Boote, tonnenweise Material von diversen Vereinen, ein Traktor, Anhänger und mehrere Wohnwagen – die Tiefgarage des Seeparksaals ist eine bunt zusammengewürfelte Lagerfläche. Und das seit 40 Jahren, denn als Tiefgarage wurde das Untergeschoss eigentlich nie genutzt. Vielmehr dient sie Vereinen und Gewerbetreibenden seit jeher als Lager- und Einstellfläche. Genau diese Nutzung ist gemäss der Gebäudeversicherung Thurgau jedoch unzulässig. Laut Brandschutzrichtlinien der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen dürfen Garagen ab 600 m² ausschliesslich zum Parkieren genutzt werden – Lagerung ist untersagt. Warum dem plötzlich so ist und die jahrzehntelang praktizierte Nutzung heute gegen die Vorschriften verstösst, hat auch Sara Gmünder, Fachspezialistin Immobilien und stellvertretende Abteilungsleiterin Freizeit/Sport/Liegenschaften der Stadt Arbon, den Brandschutz-Kontrolleur gefragt. Die Antwort: Die Richtlinien wurden 2015 verschärft. Dass sie erst zehn Jahre später durchgesetzt werden, sei darauf zurückzuführen, dass die kantonalen Ämter mit den Kontrollen hinterherhinken.

Kündigung trifft Gewerbe hart

Das zeigt sich auch am Beispiel des Seeparksaals. Hier fand die letzte Kontrolle – und damit die erste seit zig Jahren – vor einem Jahr statt. Den ernüchternden Bericht dazu erhielt die Stadt Anfang dieses Jahres. Das Gebäude weist diverse Brandschutzmängel auf, die behoben werden müssen – darunter fällt auch die aktuelle Nutzung der Tiefgarage. Weshalb die Stadt Anfang Oktober allen 23 Mietenden per Ende April 2026 gekündigt hat. Ein Vorgehen, mit dem nicht alle einverstanden sind. «Wir sind der Überzeugung, dass diese Kündigungen unrechtmässig sind», sagt Thomas Gantner. Er vertritt Bernhard Huber von «Huber Wassersport» und die Bootswerft Bruno Walser. Die Kündigungen seien weder fristgerecht eingetroffen, noch mit dem amtlichen Kündigungsformular erfolgt. Tatsächlich ist vertraglich festgehalten, dass sich die einjährige Vertragsdauer von Januar bis Dezember jeweils stillschweigend um ein weiteres Jahr verlängert, wenn keine der Vertragsparteien mindestens drei Monate vor Ablauf der Mietzeit kündigt. Wobei dann wiederum eine dreimonatige Kündigungsfrist gilt.

Boote, Traktoren, Materiallager – die heutige Nutzung der Tiefgarage verstösst gegen den Brandschutz. 100’000 Franken sind 2026 für die Massnahmen budgetiert.
Boote, Traktoren, Materiallager – die heutige Nutzung der Tiefgarage verstösst gegen den Brandschutz. 100’000 Franken sind 2026 für die Massnahmen budgetiert.
© Kim Berenice Geser

Für Gantner ist der Fall klar: Die Kündigung hätte spätestens Ende September erfolgen müssen. Am meisten ärgert ihn und seine Klienten allerdings die Art und Weise, wie gekündigt wurde. «Ohne vorher das Gespräch zu suchen, flattert einfach so ein eingeschriebener Brief ins Haus. So etwas macht man nicht mit Mietern, die zum Teil seit 40 Jahren im Seeparksaal eingemietet sind.» Insbesondere dann nicht, wenn diese Kündigungen potenziell existenzgefährdend seien – «und das ist bei meinen Klienten der Fall», hält er fest. Im Seeparksaal konnten sie die Boote ihrer Kunden bis anhin für nur 25 Franken pro Quadratmeter und Jahr einlagern. Alternative Lagerflächen zu diesem Preis wird es in der Umgebung kaum mehr geben. Für den 65-jährigen Bruno Walser steht bereits fest: «Finde ich nichts zu diesem Preis, werde ich aufhören müssen.» Um ihr Recht durchzusetzen, haben sich die beiden Parteien deshalb für den Gang vor die Schlichtungsstelle entschieden.

Lösung für Vereine in Sicht

Sara Gmünder bedauert, dass es zu den Kündigungen kommen musste. Diese seien gerade für die Bootsbesitzenden besonders einschneidend, da sie die Tiefgarage auch nach Umsetzung der Brandschutzmassnahmen nicht mehr werden nutzen können. «Hier sind uns rechtlich die Hände gebunden», betont Gmünder. Für die übrigen Mietenden, vor allem die Vereine, suche man nach Lösungen. «Wir haben ein neues Brandschutzkonzept für das gesamte Gebäude erarbeitet.» Die geplanten Massnahmen sollen weiterhin eine Mischnutzung aus Parkgarage und Lagerplätzen ermöglichen. Was auch für den städtischen Finanzhaushalt nicht unbedeutend ist: Mit den Mieteinnahmen der Tiefgarage werden jährlich rund 19’000 Franken eingenommen. Dass sich die Mietenden vorgängig eine persönliche Information gewünscht hätten, kann Gmünder nachvollziehen, bei 23 Parteien fehle in der Abteilung hierfür aber schlicht die Kapazität. Die Kündigungen seien dennoch rechtens, das habe man sowohl vom eigenen Rechtsdienst als auch extern bestätigen lassen. Auch ein amtliches Kündigungsformular sei nicht nötig, weil es sich weder um Mieträume noch um Geschäftsräume handle. «Mir ist wichtig zu betonen, dass die Stadt mit der gewählten Kündigungsfrist bewusst eine längere Vorlaufzeit gegeben hat.» Gerade die Bootsbesitzer hätten so mit dem Start der Hafensaison Anfang April zusätzlich Zeit für die Suche nach Ersatzmassnahmen ohne Zwischenlösungen finden zu müssen. Vorab wird aber erst die Schlichtungsstelle klären müssen, ob die Kündigungen wirklich rechtens waren.

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