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«Ein Dach, einfach ein Dach»

Vor knapp einem Jahr erschütterte ein starkes Erdbeben Teile Syriens und der Türkei. Noch immer leiden zehntausende Menschen unter den Folgen des Unglücks. Die Organisatorinnen der «Tavolata» wollen helfen.

Laura Gansner

«Essen verbindet», ist sich Pia Lichtsteiner Zürcher sicher. Diese Erfahrung habe sie als Mitorganisatorin vom Café International immer und immer wieder gemacht: «Sobald wir vom Thema Kochen sprechen, dann strahlen alle Augen.» Um sie herum wird kräftig genickt; die Beipflichtung kommt von ihren Tischgenossinnen Andrea Eberle, Präsidentin der Frauengemeinschaft Arbon, Hasret Sentürk und Dania Dabbas. Sie alle wirken als Organisatorinnen oder Köchinnen an der sechsten «Tavolata» der Frauengemeinschaft Arbon und des Café Internationals am Samstag, 20. Januar, mit. Der Anlass hat das Ziel, Menschen zum gemeinsamen Essen zusammen zu bringen und mit den dabei gesammelten Spendeneinnahmen eine gemeinnützige Organisation zu unterstützen. Wie bereits vor einem Jahr kommt der Erlös dieses Mal den Opfern des Erdbebens vom 6. Februar 2023 in Syrien und der Türkei zugute. Kochen und backen werden rund ein Dutzend Migrantinnen aus der Türkei und aus Syrien – unter anderem auch Hasret Sentürk und Dania Dabbas, deren Verwandtschaft direkt von den Konsequenzen des Erdbebens betroffen sind.

Ganz nah dran, ganz weit weg

Während Dania Dabbas mit ihren drei Kindern und ihrem Mann vor vier Jahren mithilfe des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen in die Schweiz fliehen konnte, lebt ein Grossteil ihrer Familie nach wie vor in Syrien. Sie erinnert sich an den 6. Februar vor einem Jahr: «Ich konnte nach dem Erdbeben zwei Tage lang niemanden aus meiner Familie erreichen.» Danach die Erleichterung: «Gott sei Dank haben alle überlebt.» Doch das Haus der Familie sei zerstört worden, heute noch wohnen sie in einem Zelt. «Das kann man sich hier gar nicht vorstellen.» Hasret Sentürk schüttelt ihren Kopf. Ihre Verwandten in der Türkei wurden ebenfalls Opfer des Erdbebens. Auch sie konnte zu Beginn niemanden erreichen. «Ich dachte, sie seien alle tot», erinnert sie sich. Das waren sie nicht, «Gott sei Dank», und ihre Familie wohnt unterdessen wieder in einem Haus. Was die Betroffenen denn jetzt am dringendsten brauchen? «Einerseits psychologische Hilfe», meint Hasret Sentürk. Dania Dabbas fügt an: «Und ein Dach, einfach ein Dach.» Etwas, das auch für sie nicht selbstverständlich ist. Sie sei auf der Suche nach Sicherheit und Frieden hier in die Schweiz gekommen, und dankbar, diesen gefunden zu haben: «Aber ich wünsche mir das für jeden Menschen.» Die Mitwirkenden der «Tavolata» belassen es jedoch nicht beim Wünschen.

Gemeinsam bringen sie sich bei der «Tavolata» ein: Andrea Eberle, Dania Dabbas, Pia Lichtsteiner Zürcher und Hasret Sentürk (v.l.).
Gemeinsam bringen sie sich bei der «Tavolata» ein: Andrea Eberle, Dania Dabbas, Pia Lichtsteiner Zürcher und Hasret Sentürk (v.l.).
© Laura Gansner

Unterstützen aus der Ferne

Während in den Jahren zuvor jeweils ein neues Team aus Besuchenden des Café Internationals für die Vorbereitung einer «Tavolata» zusammengestellt wurde, haben sich die Organisatorinnen dazu entschieden, dieses Jahr nochmals denselben Frauen die Kochlöffel und Schwingbesen zu überlassen. «Der Hauptgrund ist, dass es das letzte Mal von der Organisation bis zur Durchführung so gut geklappt hat», erzählt Andrea Eberle. Auch Hasret Sentürk und Dania Dabbas waren letztes Jahr bereits mit dabei. «Ich bin richtig froh, dass ich frei habe an dem Tag, denn ich wollte unbedingt wieder mitmachen», erzählt Sentürk. Dabbas hört ihr mit einem leichten Kopfnicken zu und fügt an: «Ich mache gerne mit, denn so kann ich helfen.» Helfen, nicht nur hier vor Ort bei der Vorbereitung eines Buffets, dass von Börek über gefüllte Paprika bis hin zu Baklava mit unzähligen Leckereien lockt, sondern auch helfen, dort, wo es noch immer an Versorgung mangelt.

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