Ein schicksalhaftes Inserat
Laura Gansner«Ciao Bella, pass auf dein Kleid auf», begrüsst Alba Salvatore eine Kundin, die an diesem Herbstnachmittag «Alba’s Waschsalon» betritt, über dem Arm ein paar luftige Sommerkleider, wobei ein Rocksaum gefährlich nah über dem Boden schwebt. Aktuell sei bei ihr Hochsaison, erzählt Salvatore, nachdem sie sich von der Kundin verabschiedet und auf einen der weichen Sessel in der Kaffee-Ecke des Waschsalons gesetzt hat. «Die Leute bringen mir gerade alles, was sie erst im Frühling wieder brauchen, und alles, was sie für den Winter hervorholen – Mäntel, Decken, Daunenjacken.» Aus dem Bügelzimmer raschelt es; ihre sporadische Mitarbeiterin widmet sich den neu eingetroffenen Kleidungsstücken. «Normalerweise mache ich alles alleine, aber gerade in dieser Zeit bin ich froh um Unterstützung.» Auch angefangen hat sie alleine. Vor zehn Jahren hat sie den Waschsalon an der Landquartstrasse übernommen. Das unter anderem, weil sie vor einem Jahrzehnt zum richtigen Zeitpunkt «felix.» aufschlug.
Ein holpriger Start
«Ich blätterte zufällig in dieser Zeitung, als mein Blick an dem Inserat für diese Gewerbefläche hängen blieb.» Sie habe den Laden, der bereits zuvor als Wäscherei genutzt wurde, bestens gekannt. «Von der Terrasse meiner damaligen Wohnung aus habe ich immer direkt zum Eingang des Ladens geschaut.» Salvatore war sich sicher: Das ist ihre Chance, sich in Arbon etwas aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt war die damals 33-Jährige seit zehn Jahren in der Schweiz, hatte zwei Kinder im Kleinkinderalter und war schwanger mit dem dritten. Die ersten Jahre nach ihrem Umzug von der Grossstadt Rom nach Arbon – «Ach weisst du, die Liebe» – beschreibt sie als herausfordernd. «Die Schweiz ist ... anders.»
Als Beispiel erzählt sie von der gesellschaftlichen Gewichtung der Kinderbetreuung. Sie habe sich hier stärker als in Italien auf ihre Rolle als Mutter reduziert gefühlt. Hinzu kamen Hindernisse der kulturellen Differenzen und Sprachbarrieren, die sie von anderen trennte. «Ich habe diese Unterschiede gespürt, als Frau, als Ausländerin.» Doch ans Aufgeben war für Alba Salvatore auf keinen Fall zu denken. Sie habe sich unbekanntes Wort für unbekanntes Wort notiert und übersetzt, bis sie das Schweizerdeutsch wie die bereits erlernten Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch im Schlaf beherrschte. Hat sich, trotz der Herausforderung einer bezahlbaren Kinderbetreuung, einen Job gesucht, um raus zu kommen, Menschen zu begegnen. So begann die damals junge Mutter, die in Italien ein Studium in Kommunikation und Marketing abgeschlossen hat, in der Arboner Altstadt in einer Reinigung zu arbeiten. Bis sie das Inserat zum Ladenlokal grösser träumen liess.
Waschsalon baut Grenzen ab
Zurück in der Gegenwart lässt Alba Salvatore ihren Blick durch den Waschsalon schweifen, der seit ihrer Übernahme so einige Veränderungen mitgemacht hat: Von einer sanfteren Wandfarbe über eine neue Raumaufteilung bis hin zur Einrichtung der Self-Service-Station und der Kaffee-Ecke vor zwei Jahren. «Immer wieder habe ich gehört: ‹Das funktioniert nicht.› Und immer wieder hat es doch funktioniert.» Dass sie damals hochschwanger den Laden eröffnet hat, lässt sie heute nur ungläubig den Kopf schütteln. «Ich weiss gar nicht, wie ich das geschafft habe.» Doch dann entsinnt sie sich: die Kundschaft. Von Anfang an hätten die Begegnungen mit ihren Kundinnen und Kunden ihr die Motivation zum Weitermachen gegeben. Auch weil ihr hier gelang, was ausserhalb der Ladenfläche von Salvatore in der Schweiz als schwierig wahrgenommen wurde: Beziehungen knüpfen. Über die Jahre haben sich so Freundschaften entwickelt, die «Alba’s Waschsalon» zu viel mehr machten als nur einem Ort der Textilreinigung. «Hinter dem Bügelbrett bin ich auch Seelsorgerin», schmunzelt Salvatore und springt sogleich auf, um schon den nächsten Kunden mit einem freudigen «Hola Cariño» in Empfang zu nehmen.