«Hüülerin» der ersten Stunde
Alice HoferDie Freude an Guggenmusik und bunten Gewändern ist Luzia Hafner bis heute geblieben, wenngleich sie inzwischen zum Ehrenmitglied mutiert ist und nicht mehr alles aktiv mitmacht. Durch prall gefüllte Fotoalben blickt die Junggebliebene in ihre fröhlichen Erinnerungen. «Die Fasnacht war schon in meiner Kindheit zentral gewesen», erzählt Luzia Hafner. Das galt auch innerhalb der Familie: Vom schmutzigen Donnerstag bis Dienstag vor dem Aschermittwoch war man grundsätzlich im Fasnachtsfieber unterwegs, durfte sogar auch verkleidet oder geschminkt zur Schule gehen und trug stolz die von «Grossmüeti» liebevoll genähten Gewänder.
Der Kirche zum Missfallen
In den ersten Jahren und Jahrzehnten nach ihrer Gründung waren die «Hüüler» tonangebend in Arbon, wie die vitale 70-Jährige berichtet: «Wir haben fleissig geprobt und auch frei improvisiert, nahmen an grossen Maskenbällen teil, an Umzügen und Auftritten in den Beizen. Damals gab es rund 25 Gastrobetriebe in Arbon, die sich alle ins Zeug legten, es wurde überall kunstvoll dekoriert und mit kulinarischen Spezialitäten geworben.» Für die Kostüme behalf man sich erstmal mit Stoffresten aus der Raduner Textilfabrik und liess dem Ideenreichtum freien Lauf. Später begann man sich zu organisieren und zu koordinieren, wobei man rund alle drei Jahre ein neues Motto – und einheitliche Kostüme – kreierte.

Anfänglich waren vor allem Leute aus dem Katholischen Turnverein KTV und der Stadtmusik Arbon auf den Guggen-Geschmack gekommen und wollten zusammen etwas in Bewegung bringen. Mit von der Partie war alsbald auch Erich Messerli, der spätere Gründervater dieser Zeitung, welcher sich dazu überreden liess, im neuen Verein mitzumachen. Es dauerte nicht lange, bis er ebenso begeistert sein Herzblut darin vergoss. Luzia Hafner hatte damals bei der Stadtmusik Klarinette gespielt. Dieser feine Klang war jedoch zu zart neben den groben Pauken, und so erlernte sie noch das Saxophon und – weil es davon immer weniger Spieler gab – zudem das Euphonium, genannt «Hörnli», um sich auch richtig Gehör verschaffen zu können. In den Neunzigerjahren war sie Aktuarin im Elfer-Rat, einer Delegation aller Vertreter der Arboner Fasnächtlervereine (wie etwa «Die lustigen Arboner», «Die Holzmaskenzunft», «Die Rollmöpse»). Hafner fügt schmunzelnd an: «Einigen Klerikern war es indessen ein Dorn im Auge, dass in Arbon neuerdings auch nach Aschermittwoch noch zur Maskerade aufgespielt wurde. Es gab sogar einen entsprechenden schriftlichen Hinweis des katholischen Pfarrers; aber schliesslich beruhigte sich die Situation und fortan blieben dies weiterhin die Arboner Fasnachtstage.»
Hochblüte und Paraden
Für Luzia Hafner, gelernte Kindergärtnerin, war die Fasnacht auch ein willkommener Anlass, um gemeinsam mit ihrer Kollegin vom Doppelkindergarten Seestrasse den Kleinen diese Tradition samt Basteln und Nähen zu vermitteln. «Alljährlich veranstalteten wir beide am Fasnachtsmontag den Kinderumzug mit einheitlichen, kunstvollen Kostümen und präsentierten uns auf dem Gang übers Bergli ins Städtli. Dabei wurden wir jedesmal von einer unermüdlichen Delegation der Hüüler angeführt.» Die «Hüüler» verpassten es auch nicht, über die Landesgrenzen hinaus zu pilgern: Mehrmals nahmen sie am Euro-Carneval teil, in Prag, Salzburg, Mainz, Verona etc., wo man spontan und unkompliziert neue Bekanntschaften schloss mit eingefleischten Fasnächtlern der Nachbarländer. Es seien wunderbare Zeiten gewesen, schwärmt Luzia Hafner: «Wir waren oft und gerne unterwegs. Während unserer Hochblüte hatten wir derart Zulauf, dass wir tatsächlich Mitglieder abweisen mussten. Damals zählten wir deren 50, heute sind es noch halb so viele.» Unbeirrt davon organisiert der Verein bereits seit 2004 den jährlichen Maskenball im Seeparksaal, wo jedesmal die originellsten Erscheinungen zum entsprechenden Motto prämiert werden. «Ja, die Hüüler nehmen gerne weitere Mitglieder auf und sind sehr offen für neue Gesichter und Ideen», betont Hafner, «auch haben sie stets Bedarf an helfenden Händen und Freiwilligen, die mit anpacken.» Dafür müsse man kein Instrument spielen können. «Nach wie vor freue ich mich, die Hüüler irgendwo auf ihren Beizentouren zu suchen und zu treffen, sei es im Städtli oder in umliegenden Gemeinden.» Und wie möchte Luzia Hafner der jungen Generation die Mitgliedschaft der Fasnacht schmackhaft machen? «Es ist so bereichernd, sich zu engagieren, nicht nur zu konsumieren. Gemeinsam an einem Projekt zu wirken, kann zum persönlichen Erfolgserlebnis werden. Es geht um das Miteinander und den Zusammenhalt.»