Krisen können auch Chancen sein
Kim Berenice GeserVolker Hauer, welche Unternehmen meistern Krisen und welche scheitern daran?
Meiner Erfahrung nach haben Unternehmen, die sich Krisen aktiv stellen, die besseren Chancen als jene, die in eine passive Haltung verfallen. Denn Krisen sind immer auch Chancen, aus denen man etwas lernen kann.
Welche grundlegenden Fehler beobachten Sie in der Praxis am häufigsten, wenn Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten?
Der Panikmodus wird aktiviert, will heissen, das Unternehmen begibt sich in einen unstrukturierten Aktionismus und vergrössert dadurch seine Schwierigkeiten und Probleme oft ungewollt noch mehr. Statt duchzuatmen und zu überlegen, welche Lösungsansätze vorhanden und sinnvoll sind. Oft wird bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch zu spät Hilfe geholt.
Unkontrollierter Aktivismus – können Sie hierfür ein Beispiel nennen?
Ein Klassiker hier ist, dass bei schwacher Auftragslage Aufträge angenommen werden, um das Personal zu beschäftigen. Diese Aufträge werden aber meist unter Wert ausgeführt und resultieren so schlussendlich in einem Verlust, was die betrieblichen Probleme wiederum vergrössert.
Welche internen Schwächen machen Unternehmen besonders krisenanfällig?
Vielfach bestehen keine ausreichenden Informationen oder sie werden falsch oder zu wenig genutzt. Als Unternehmerin oder Unternehmer muss ich wissen, wie mein Auftragsbestand ist, welche Offerten noch pendent, welche Rechnungen bezahlt sind, wie hoch meine Liquidität ist, etc. Je nach Unternehmensgrösse reichen hier drei, vier ausschlaggebende Kennzahlen, aber die muss ich kennen. Und dann auch reagieren, wenn die Warnsignale auf rot stehen. Man könnte hier quasi von einem Frühwarnsystem sprechen.Ein weiterer Fehler, der immer wieder zu Schwierigkeiten führen kann, ist, dass jahrelang gleichbleibende Faktoren, wie beispielsweise die Fixkosten zu selten kritisch hinterfragt werden. Kann ich mir diese Miete wirklich leisten, oder wäre ein kostengünstigerer Standort sinnvoller? Diese und ähnliche Fragen sollte man sich regelmässig stellen.
Wie steht es um die Risikofaktoren, die ein Unternehmen nicht beeinflussen kann – welche Strategie bietet sich hier an?
Hier kommt das alte Sprichwort zum Tragen: Du kannst den Wind nicht ändern, aber du kannst die Segel entsprechend setzen. Soll heissen, die Flexibilität, auf wechselnde Rahmenbedingungen zu reagieren, ist existenziell für das Unternehmen. Wenn also als Beispiel Zölle durch die USA erhoben werden, muss das Unternehmen auch mal den Mut besitzen, die Zusammenarbeit mit diesem Markt zu überdenken und auch zu reduzieren. Und wenn immer möglich gilt es Klumpenrisiken zu vermeiden.
Ein Tipp, der sowohl bei internen als auch externen Krisenfaktoren angewandt werden kann ...
Richtig. Es empfiehlt sich, Verantwortung immer auf mehrere Schultern zu verteilen. Sowohl beim Personal, als auch bei den Märkten, die ein Unternehmen bedient. Alles auf ein Pferd zu setzen, ist und bleibt risikoreich.
Welche Rolle spielt die Unternehmensführung bei strategischen Fehlentscheidungen?
Die Hauptursache von Problemen ist am Schluss in den meisten Fällen bei der Leitung und dem Verwaltungsrats zu suchen. Risk-Management ist für einige Unternehmen immer noch ein Fremdwort. Entscheidungen werden nicht aufgrund von Fakten, sondern aufgrund von Wünschen und Bedürfnissen getroffen. So kommt in vielen Unternehmen noch heute auch bei grossen Investitionen keine Investitionsrechnung zum Tragen, welche die Tragbarkeit der Investition darstellbar macht, sondern es wird nach Gefühl und interessengesteuerten Scheinfakten entschieden.
Fünf Massnahmen für mehr Krisensicherheit
• Liquiditätsreserven bilden in der Höhe von zwei Monaten Fixkosten, so lassen sich kurzfristige finanzielle Engpässe überbrücken.
• Ein aussagekräftiges Finanzcontrolling aufbauen und nutzen
• Langfristige Partnerschaften, welche nicht beim ersten Gegenwind einen Rückzieher machen, aufbauen
und erhalten
• Das Klumpenrisiko bei Märkten, Kunden und Mitarbeitenden soweit möglich gering halten
• Die Verantwortung auf viele Schultern verteilen
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Wirtschaftsbeilage 2025 erschienen.