Massnahmenplan ist sein Schlagwort
Kim Berenice GeserRené Walther, wie lautet Ihr Fazit nach den ersten vier Monaten im Amt?
Es hat sich alles bestätigt, was ich mir erhofft habe. Arbon ist eine spannende Stadt mit spannenden Menschen. Ich spüre viel positive Energie und Wohlwollen, auch meiner Person gegenüber. In der Stadtverwaltung haben wir ein gutes Team, das sich schnell gefunden hat. Der Entscheid, für dieses Amt zu kandidieren, hat sich bestätigt und ich habe vor, die nächsten zwölf Jahre zu bleiben.
Sie sagen, das Team im Stadthaus hat sich schnell gefunden. Die kumulierte Anzahl Abgänge in den letzten Wochen warf jedoch auch die Frage nach dem Zusammenhang mit Ihrer Person auf. Hat Sie das beschäftigt?
Nicht wirklich. Ich wusste, dass kein Zusammenhang besteht. Die Personen, die uns verlassen, sind alle in einem Alter, in dem ein Stellenwechsel normal ist für den nächsten Karriereschritt. Mich haben die Abgänge beschäftigt, weil es wertvolle Menschen sind, die wir im Team verlieren. Ich freue mich aber auch für meine Mitarbeitenden und ihre neuen Chancen, und auch auf die Zusammenarbeit mit den neuen Mitarbeitenden.
Sie sagten in unserem ersten Gespräch im Februar 2022, dass Sie nicht nach Arbon kommen wollen, um hier aufzuräumen. In den letzten Monaten drängte sich jedoch der Verdacht auf, dass Sie genau dies tun. In Parlamentssitzungen und Interviews mit Ihnen oder den städtischen Angestellten fielen Schlagwörter wie «Projektabläufe überprüfen», «nötige Strukturen hereinbringen» oder «Fehlen einer strategischen Planung beheben». Sind Sie also doch zum Aufräumen hier?
Wir schaffen aktuell als Team Strukturen für die Zukunft.
War Arbon nicht zukunftsfähig?
Eines unserer Probleme ist, dass wir in der Verwaltung häufig getrieben sind von den Medien, Bürgern, parlamentarischen Vorstössen ...
Worauf wollen Sie hinaus?
Wir haben viele Projekte in der Pipeline. Wir schaffen es aber kaum, diese alle umzusetzen. Um Druck aufzusetzen, kommt es dann zu Vorstössen im Parlament. Diese wiederum schaffen jedoch zusätzliche Arbeit. Hinzu kommen die häufigen Wechsel im Präsidium und dem Stadtrat in den letzten Jahren. All dies führt zu weiteren Verzögerungen. Unser Ziel ist es, von einer reaktiven Gegenwartsbetrachtung in ein zukunftsorientiertes Handeln zu kommen. Gemeinsam mit dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern.
Und wie wollen Sie das erreichen?
Mit einer übergeordneten strategischen Planung. (Er öffnet eine Excel-Datei auf seinem Laptop.) Hier sehen Sie zum Beispiel unseren Massnahmenplan. In ihm sind alle Handlungsfelder und Projekte über alle Abteilungen hinweg auf einem Zeitstrahl aufgeführt und mit einem Preisschild versehen. So können wir auf einen Blick sehen, welche Massnahmen wann zum Zuge kommen, wie viel sie kosten und ob es Synergien gibt, die genutzt werden können. Der Massnahmenplan ist ein Koordinations- und Kommunikationswerkzeug, das uns hilft, im Stadtrat, der Verwaltung, dem Parlament und auch in der Bevölkerung proaktiv über Projekte zu informieren.
Und es soll wohl auch «unnötige» Vorstösse vermeiden?
Ja und uns gegenseitig unterstützen.
Hat diese gegenseitige Unterstützung zwischen Stadtrat und Parlament bisher gefehlt?
Zum Teil, weil uns diese gemeinsame Kommunikationsgrundlage beziehungsweise das gemeinsame Bild der Herausforderungen, inklusive Konsequenzen gefehlt hat.
Wie nehmen Sie die Zusammenarbeit mit dem Parlament abgesehen davon wahr?
Gut und wertschätzend. Ich spüre den Respekt und die Akzeptanz und erhalte auch das Feedback, dass die Arbeit des Stadtrates geschätzt wird.
Das Interview im «felix.» vom Februar 2022 trug den Titel «Ich bin kein Regent». Dennoch wird Ihnen nachgesagt, über alle Geschäfte Bescheid wissen zu wollen. Ein risikoreicher Führungsstil, der den Weg zum Burn-out ebnen kann ...
(lacht) Ich will längst nicht über alle Geschäfte Bescheid wissen, nur über die wichtigsten. Und es gibt nun einmal Geschäfte, die Chefsache sind, weil sie politisch oder projekttechnisch eine gewisse Wichtigkeit haben. Da muss ich, wenn nötig, eingreifen.
Das jüngste Beispiel?
Die «Spange Süd». Hier mussten wir den Projektablauf überdenken und die Funktion der Projektleitung schärfen, um das Projekt auf Kurs zu halten.
Wie ist denn der Stand der Dinge bei der «Spange Süd»?
Wir hatten bisher zwei Workshops zur Zweckmässigkeitsanalyse. Die Planer haben nun sieben Varianten zur Linienführung ausgearbeitet, die sie in einem nächsten Schritt bewerten und nach den Sommerferien der Begleitgruppe vorstellen. Parallel dazu laufen die Arbeiten an einer Broschüre, mit der wir die Bevölkerung über das Projekt informieren werden.
Wann genau ist der nächste Informationstermin geplant?
Stand heute im Herbst.
Eine Sache, die sich nach Ihrem Amtsantritt auch verändert hat, ist die Kommunikation mit den Medien. Anders als vorher, heisst es nun oft, dass die Antworten erst noch mit Ihnen rückbesprochen werden müssen. Trauen Sie Ihrem Personal keine sachgerechte Kommunikation zu?
Doch das tue ich. In laufenden Verfahren gilt jedoch der Grundsatz, kurz, knapp und faktentreu zu informieren. Wenn zwischen den Zeilen Informationen weitergegeben werden, wird es rechtlich heikel und dient den Verfahren nicht.
Also wurde Ihres Erachtens bisher doch falsch kommuniziert?
Jein, es wurde teilweise zu früh kommuniziert. Das führte wiederum zu Leserbriefen mit falschen Informationen. Wenn es um raumplanerische Dinge und rechtliche Verfahren geht, will ich Einblick in die Kommunikation. Ebenso, wenn Dritte betroffen sind. Die Abmachung, dass es Themen gibt, die nicht unabgesprochen herausgehen, gilt auch zum Schutz unserer Mitarbeitenden und um Projekte auf Kurs zu halten. Ich will die Kommunikation nicht verhindern, sondern zum richtigen Zeitpunkt über das richtige Thema informieren.
Etwa so wie bei der Masterplanung Seeufer?
(schmunzelt) Es stimmt, diese Informationsveranstaltung war aus heutiger Sicht etwas zu früh angesetzt.
Sie wollen den Informationsfluss künftig gezielter steuern. Haben Sie Angst vor kritischen Stimmen?
Ich finde es wichtig, dass Tatsachen richtig dargestellt werden. Darum ist es mein Ziel, in der Kommunikation proaktiver zu werden. Projekte, ihre Herausforderungen und Probleme sollen frühzeitig kommuniziert werden. So schaffen wir Klarheit über das, was wir im Stadthaus machen und verhindern Fehlinformationen und unnötige parlamentarische Vorstösse.
Die frühzeitige Information hat man aber, laut Ex-Stadtrat Peter Gubser, beim Projekt Stadthof bereits verpasst. Er warf der Stadt letzte Woche in einem Leserbrief mangelnde Kommunikation vor. Die Stadt hätte darüber informieren müssen, dass die Teilzonenplanänderung vom Kanton abgelehnt wurde.
Diese Aussage stimmt so nicht. Nachdem die Arboner Stimmbevölkerung der Teilzonenplanänderung vor einem Jahr zustimmte, ging das Dossier zur Genehmigung zum Kanton. Dieser bat uns nun um eine Sistierung des Verfahrens bis die Ortsplanrevision in Arbon genehmigt ist.
Warum das? Der Kanton hatte sich doch im Vorfeld positiv zu einer vorgezogenen Teilzonenplanänderung geäussert.
Genau davon sind wir auch ausgegangen. Wir haben den Kanton deshalb aufgefordert, einen rechts- mittelkräftigen Entscheid über die Sistierung zu fällen. Denn wir als Stadt werden unseren Antrag auf Genehmigung nicht zurückziehen.
Was sind die Gründe für den plötzlichen Kurswechsel des Kantons?
Dazu kann ich mich nicht äussern, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Wir werden wieder informieren, sobald wir mehr dazu sagen können.
Sie nannten an der letzten Sitzung des Stadtparlaments die Motion Budgetkompetenz beim Parlament einen «Schlüssel zur Verbesserung des Budgetprozesses». In welchen weiteren Bereichen sehen Sie Verbesserungspotenzial?
Der Budgetprozess war so weit gut. Weil wir aber aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bis Ende Jahr mit Budget und Steuerfuss vors Volk müssen, bleiben der vorberatenden Kommission nur wenige Wochen zur Prüfung des Budgets. Das erhöht das Risiko für Ungenauigkeiten. Mit einer Verlagerung der Budget- und Steuerfusskompetenz vom Volk zum Parlament schaffen wir hier Abhilfe. Dann war der Finanzplan noch nicht optimal, weil ihm ein Massnahmenplan fehlte. Auch das wird sich künftig ändern. Darüber hinaus wollen wir das Finanzcontrolling verbessern und Kreditbegehren früher planen.
Sehen Sie Chancen, die Sozial- und Gesundheitskosten in den kommenden Jahren senken zu können?
Die Entwicklung diesbezüglich war in Arbon in den letzten Jahren bereits positiv. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Abteilung Soziales wirklich gut organisiert ist und sich durch die Bautätigkeit auch die Bevölkerungsstruktur verändert hat. Ich gehe davon aus, dass sich der Abwärtstrend fortsetzen wird. Trotzdem bleiben die Sozialkosten in Arbon im kantonalen Vergleich immer noch hoch.
Wie sieht es mit der Entwicklung des Steuerfusses aus?
Hierzu kann ich aktuell noch zu wenig sagen. Wir sind dabei den Finanzplan zu überarbeiten. Im Sommer/Herbst werden wir erste Angaben machen können. Ich gehe aber davon aus, dass viele Personen erschrecken werden, wenn sie sehen, welche Ausgaben in den kommenden Jahren aufgrund von laufenden und geplanten Projekten auf uns zu kommen. Nichtsdestotrotz werden wir alles dafür tun, dass der Steuerfuss gezielt nach unten geht.
Aktuell läuft die Revision der Gemeindeordnung. Können Sie die wichtigsten Änderungen verraten?
Die zwei wichtigsten gehen aus den Motionen aus dem Parlament hervor. Das ist einerseits die bereits erwähnte Verlagerung der Budgetkompetenz zum Parlament und andererseits die Anpassung der Unterschriftenzahl für fakultative Referenden. Daneben haben wir hauptsächlich Begrifflichkeiten angepasst und die Struktur aufgeräumt. Bis spätestens März 2024 soll das Geschäft ins Parlament.
Dort wurde kürzlich die Anlagenstrategie der Pensionskasse der Stadt diskutiert. Angesichts der Tatsache, dass Arbon kürzlich das Label Energiestadt Gold verliehen bekommen hat: Wie stehen Sie zu einer nachhaltigen Anlagestrategie?
Grundsätzlich sollten wir alles dafür tun, um unser Klima zu schützen. Aber gerade im Investitionsbereich ist das extrem schwierig. Um jedes Investment zu überprüfen, ist die Arboner PK schlicht zu klein. Wir sind hier auf unsere Partner angewiesen, von denen sich zum Glück viele die Nachhaltigkeit inzwischen auf die Fahne geschrieben haben. Wir sind bereits dabei, Verbesserungen in unserer Anlagestrategie vorzunehmen. Aber unsere Hauptaufgabe ist es, die Rentengelder der städtischen Angestellten zu sichern. Wenn wir nur in Titel, welche internationalen Klimaabkommen folgen, investieren würden, würde das Anlagenspektrum um circa 30 Prozent reduziert werden.
Ist es also doch Sache der Stadt, sich für eine nachhaltige Anlagestrategie ihrer PK einzusetzen?
Ja ist es und das tun wir auch. Im Rahmen unserer Möglichkeiten.