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Mitfiebern aus der Ferne

Die 41-Jährige Hornerin Nora Häuptle trainiert seit Anfang des Jahres die Frauen-Nationalmannschaft in Sambia. Wie sie zu diesem Engagement rund 7 000 Kilometer entfernt kam, welche Unterschiede es zum europäischen Fussball gibt und ob sie trotz Entfernung die Women‘s Euro in der Schweiz verfolgt, verrät sie im Interview mit «felix.»

Manuela Müller

Nora Häuptle, Ihre Anfänge hatten Sie beim FC Staad. Welche Erinnerungen prägen diese Zeit?

Der FC Staad ist ein sehr familiärer Club. Damals wurde ich als Küken von der 1. Mannschaft gut getragen. Ich konnte mir auch immer mal wieder einen «Seich» erlauben (lacht). Ich bin dem FC Staad immer noch sehr verbunden und dankbar, dass ich dort meine Erfahrungen machen konnte, bis ich dann für das Studium nach Bern gezogen bin.

Sie waren danach noch lange in der Schweiz tätig. Wie ging es nach Ihrer aktiven Fussballkarriere weiter?

Ich konnte den Übergang direkt beim FC Thun machen und als Trainerin anfangen. Zuerst trainierte ich die U15-Mannschaft der Jungs, danach habe ich das Angebot zur Trainerin der Frauen U-19-Nationalmannschaft bekommen. Wir haben fünf Jahre lang das Talentprogramm für den Schweizerischen Fussballverband (SVF) aufgebaut und zwei EM’s gespielt. Ich hatte eine lässige Zeit beim SFV, doch nachher stand aufgrund von Covid alles ein bisschen still.

Was passierte dann?

Weil in der Bundesliga weitergespielt wurde, war es für mich die richtige Zeit für einen Wechsel. Ich habe ein Jahr lang die Bundesliga trainiert und wurde dann angefragt, ob ich Lust dazu hätte, mit Ghana an die U20-WM zu gehen. Ich sagte zu – mit dem Hintergedanken, die Nationalmannschaft zu übernehmen.

 

«Ich habe sehr klare Vorstellungen, was es braucht, um erfolgreich zu sein.»
Nora Häuptle

Was Ihnen auch geglückt ist...

Genau, ich trainierte die Mannschaft von Ghana drei Jahre lang und erreichte mit ihnen die Qualifikation für den Afrika Cup.

Und warum haben Sie diesen Erfolg nicht ausgekostet und noch vor dem Afrika Cup zu Sambia gewechselt?

Ich habe sehr klare Vorstellungen, was es braucht, um erfolgreich zu sein. Wir konnten im letzten Jahr in Ghana nur sehr wenige Spiele bestreiten. Die Hauptgründe waren finanzieller Natur, weil die Subventionen des Sportministeriums nicht gekommen sind. Wenn man aber eine Entwicklung vorantreiben möchte, dann läuft das nur über eine gewisse Anzahl Länderspiele. Ich habe die Mannschaft auf einem super Etat verlassen und war sehr stolz. Ich bin dann aber natürlich schweren Herzens gegangen.

Mit Ihnen als Trainerin auf dem Platz qualifizierte sich Ghana das erste Mal seit sechs Jahren wieder für den Africa Cup 2025. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?

Erfolgsgeheimnis (lacht) Ein Erfolgsgeheimnis gibt es so nicht, es steckt grundsätzlich immer viel Arbeit dahinter. Ich bin jemand, der gerne eine Kultur kreiert, in der wertebasiert ein Fundament gestützt wird. Ich bin jemand der eine Entwicklung mit einer Mannschaft eingehen, die Bausteine Schritt für Schritt zusammensetzen und klare Ziele verfolgen kann. Ich bin sehr hartnäckig, stringent, habe gelernt, eine sehr klare Haltung zu haben und diese 100% zu leben, mich nicht zu fest von links oder rechts beeinflussen zu lassen und sehr gute Leute um mich zu scharen. Menschen machen am Ende den Unterschied. Umso besser wenn die Menschen um mich herum ihre Rolle ausleben und schlussendlich Träger des Erfolgs sind.

Nora Häuptle, Sambia
Verletzungsbedingt wechselte Nora Häuptle von der aktiven Fussballerin in die Trainerrolle.
© z.V.g.

Was motivierte Sie zu Ihrem Wechsel von der aktiven Spielerin zur Trainerin? Was gefällt Ihnen an dieser Rolle?

Der Wechsel war auch verletzungsbedingt. Ich musste zwei Mal meinen Fuss operieren, habe ein Sportstudium, einen Master und die Kantilehrer-Ausbildung während meiner Karriere gemacht. Es war also naheliegend, dass ich irgendwann etwas im sportlichen Bereich unterrichte, sodass ich nachher die Chance hatte, als Profi im Herren U-Fussball einzusteigen. Es war sicher auch gutes Timing, denn der damalige Nachwuchschef hat viel Vertrauen in mich gelegt und mein Potenzial gesehen. Ich habe viele Erfahrungen gemacht, die ich als Spielerin mitnehmen konnte. Gepaart mit dieser didaktischen, universitären Ausbildung wurde das alles zu meinem «Rucksack».

Vermissen Sie es nicht, selbst auf dem Rasen zu stehen und Fussball zu spielen?

Natürlich vermisse ich manchmal das Kicken. Aber momentan finde ich die perfekte Balance für mich, wenn wir Zusammenzüge haben oder jetzt, wenn das Turnier ist, ein paar Wochen auf dem Platz zu stehen. Auch etwas Konzeptionelles zu machen finde ich lässig. Ich bin noch genug auf dem Platz und kann ihn gar nicht so sehr vermissen.

Wenn Sie auf dem Platz stehen, sind Sie eher der unerschütterliche oder der emotionale Trainertyp?

Puh, was für ein Trainertyp ich bin? Ich würde sagen ich bin sicher grundsätzlich ein Mensch der sehr wertebasiert arbeitet und lebt und versuche das «Best Role Model» (bestes Vorbild) immer vorzuleben. Ich bin sehr leidenschaftlich in meiner Arbeit. Das zeigt sich einerseits in grosser Akribie. Ich liebe es taktische Finessen auszuarbeiten, aber an einem Spieltag bin ich auch emotional, versuche über die Jahre hinweg immer ein bisschen ruhiger zu werden – es gelingt mir manchmal besser, manchmal weniger. (lacht) Grundsätzlich bin ich sehr menschenverbunden, habe einen Führungsstil, bei dem für mich immer der Mensch im Zentrum steht und ich glaube, mit dem bin ich die letzten Jahre gut gefahren.

Nora Häuptle, Sambia
«Ich habe einen Führungsstil, bei dem für mich immer der Mensch im Zentrum steht.»
© z.V.g.

Die Schweizer Nati hat das erste Spiel gegen Norwegen verloren. Das zweite Spiel gegen Island endete mit einem Sieg. Wie schätzen Sie die Leistung der Schweizerinnen ein?

Ich habe die Spiele der Schweizerinnen ein bisschen am Rande verfolgt, ich habe es mir aber nicht ausführlich genug angeschaut, um mir ein Urteil zu bilden. Ich bin Nationaltrainerin von Sambia und es ist nicht an mir die Schweizer Leistung zu kommentieren. Ich freue mich, wenn sie gewinnen und bin immer noch sehr verbunden mit den Spielerinnen und Teilen vom Staff.

Sie wurden auch schon als Trainerin der Schweizer Nati gehandelt, würde Sie das reizen? 

Natürlich tauchen immer wieder solche Fragen auf, ich habe aber gelernt, sehr im Hier und Jetzt zu sein. Ich bin sehr stolz Trainerin vom Sambianischen Nationalteam zu sein. Ich kann hier mit Weltstars zusammenarbeiten, habe ein extrem herausforderndes, aber auch lehrreiches Umfeld und deswegen mache ich mir gar nicht so viele Gedanken, was morgen kommt. Wahrscheinlich habe ich die afrikanische Einstellung schon ein bisschen angenommen. Meine Erfahrung ist, dass sich die nächsten Türen irgendwann öffnen, wenn man es gut macht, merkt man, wann der Zeitpunkt kommt um durch diese hindurchzuschreiten. Aber jetzt bin ich völlig zufrieden hier am Afrika-Cup.

Wo sehen Sie denn die grössten Unterschiede zwischen dem europäischen und dem afrikanischen Frauenfussball?

Einer ist sicher, dass in Europa alles viel strukturierter und auch ein bisschen taktischer ist. Ich finde aber genau das am afrikanischen Fussball spannend: Es gibt Unmengen von Talenten, die ungeschliffene Rohdiamanten sind und extrem viele natürliche Attribute mitbringen. In physischer Art aber auch kreativ. Ich glaube das geht bei uns manchmal ein bisschen verloren.

Weshalb?

Weil alles so genormt ist und man dadurch ein bisschen vom Charakter des «Strassenfussball» verliert. Für mich ist es eine extreme Herausforderung in Afrika Struktur hineinzubringen, ohne die Kreativität und Individualität zu verlieren. Da habe ich langsam aber eine gute Balance gefunden.

Diese Balance können Sie aktuell mit Sambia am Afrika-Cup zeigen. Bleibt Ihnen da Zeit, die Frauen-EM in der Schweiz zu verfolgen?

Das ist tatsächlich eine gute Frage. Wir haben hier eine intensive Zeit, hatten am Samstag das Eröffnungsspiel gegen Marokko in einem vollen Stadion. Natürlich versuche ich immer ein bisschen «reinzuschalten». Ich habe mich am Wochenende gefreut, dass die Schweizer Frauennati gewonnen hat. Viele der Spielerinnen hatte ich bereits bei mir in der U19-Nati. Natürlich fiebert man mit und mein Herz ist immer für die Schweiz, egal ob die Nati der Frauen spielt, ob ein Skirennen oder ein Tennisspiel ist. Da bin ich Schweizerin durch und durch.

«Meine Eltern wohnen immer noch in Horn. Das ist mein kleines Ferienparadies.»
Nora Häuptle

In einem Interview mit «felix.» sagte Patricia Willi, Co-Sportchefin des FCSG letzte Woche, dass es in der Schweiz immer noch viele Profifussballerinnen mit Amateurverträgen gibt. Wie ist das in Sambia beziehungsweise in Ghana?

In Sambia und Ghana sind die Ligen so, dass die Spielerinnen häufig dort wohnen, wo sie spielen, ein Dach über dem Kopf haben, drei Mahlzeiten am Tag und amateurmässig auch ein bisschen Geld verdienen. Die meisten nutzen das aber eher als Vorbereitung, für den Sprung ins Ausland. In Ghana hatten wir über 150 Spielerinnen im Ausland gehabt, die als Profi verhältnismässig schon sehr viel Geld verdienen konnten. In Sambia sind es ein bisschen weniger. Mit diesen Erfolgen werden die Spielerinnen jedoch immer mehr angefragt und so entsteht ein Markt um im Ausland zu spielen.

Was vermissen Sie denn am meisten an der Schweiz?

Wenn man wie ich viel unterwegs ist, schätzt man die Ruhe, die Sauberkeit der Luft und des Wassers in der Schweiz. Ich führe ein Leben, in dem ich etwa die Hälfte des Jahres unterwegs bin. In der übrigen Zeit bin ich einerseits in Bern, wo ich seit über 25 Jahre wohne,  bin aber auch gerne am Bodensee. Meine Eltern wohnen immer noch in Horn. Das ist mein kleines Ferienparadies. Ich schätze einfache Sachen wie «en Schwumm go neh», meine Familie zu geniessen und gute Freunde zu treffen.

Sie haben selbst für die Schweizer Nati gespielt und sind heute nebst Ihrer Tätigkeit als Trainerin auch als Fussball-Kommentatorin aktiv. Wären Sie gerne Teil der diesjährigen EM in der Schweiz gewesen?

Natürlich ist diese Heim-EM extrem speziell. Wir haben mit der U19 2018 einen Vorlauf einer Heim-EM auf diesem Niveau gemacht. Und jetzt die EM nicht mitzuerleben ist ein bisschen komisch. Andererseits bin ich hier am Afrika Cup mit meiner Mannschaft eingenommen. Vielleicht ist es auch gut so – entweder voll oder gar nicht dabei.

Was möchten Sie nun mit der Sambianischen Nati noch alles erreichen, abgesehen vom Sieg am Afrika Cup?

Wir haben mit dem Sambianischen Team die Mission «copper to gold» (Kupfer zu Gold) ausgerufen, die erst so richtig mit dem Afrika-Cup beginnt. Nächstes Jahr findet noch ein Cup statt, wo man sich für die WM 2027 und Olympia 2028 qualifizieren kann. Das ist unsere Vision, wieder an diesen grossen Turnieren teilzunehmen. Nebst dem ist mir aber nicht nur der reine sportliche Erfolg wichtig. Ich möchte das Team weiterentwickeln und etwas erarbeiten, das auch Bestand hat, wenn ich eines Tages nicht mehr da bin.  

Nora Häuptle, Sambia
Mit dem Sambianischen Team wurde die Mission «copper to gold» (Kupfer zu Gold) ausgerufen.
© z.V.g.

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