Seilziehen um die Steinach
Laura GansnerZur Zeit fliesst die Steinach gemächlich durch die gleichnamige Seegemeinde. Dass der Fluss nicht immer so ruhig ist, verraten die Hochwasser von 2011 und 2018. Bei letzterem entstand ein Schaden von rund 13 Millionen Franken. Um dies in Zukunft zu verhindern, befindet sich eine Begleitgruppe zur Zeit in der Ausarbeitung eines Konzepts für die Sanierung des Gewässers. «Den Hochwasserschutz umzusetzen hat dabei oberste Priorität», hebt Gemeindepräsident Michael Aebisegger hervor. Jedoch könne dies auf verschiedene Art und Weise erfüllt werden – je nach Gewichtung der unterschiedlichen Interessen. Dies ist einerseits die ökologische Aufwertung, andererseits das Bewahren von Kulturland. Ein schwieriger Balanceakt, bei dem der Begleitgruppe bereits ein Mitglied abhanden kam.
Zurück zum Ursprung
Aber wir sind auf die höheren Kosten vorbereitet. Das Vereinsbudget liegt mittlerweile bei über 400 000 Franken und wir dürfen auf eine breite Unterstützung unserer Sponsoren und der Gönnervereinigung HC Amici zählen.
An der Informationsveranstaltung zur Renaturierung der Steinach Ende Januar wurde in einer Publikumsmeldung erwähnt, dass der Vertreter der Naturschutzverbände, noch bevor das Projekt richtig ins Rollen kam, aus der Begleitgruppe ausgetreten sei. Gemeint war Lukas Indermaur, der als Geschäftsleiter vom WWF St. Gallen nicht nur dessen Regiobüro, sondern auch die Verbände Pro Natura und Aqua Viva vertrat. «Man will sich zugunsten der Landwirtschaft nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten», begründet er seinen Schritt, hörbar frustriert. Dabei bezieht er sich auf das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer, in welchem es heisst: Bei einer Verbauung oder Korrektion von Fliessgewässern «muss der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden». Lukas Indermaur verweist dabei auf historische Landkarten aus den Jahren 1888 und 1832, auf welchen zwei Bachschlaufen oberhalb der heutigen Autobahn zu erkennen sind. «Dort wo der Platz vorhanden ist, soll er für den Fluss genutzt werden»
Eine Frage der Auslegung
Konfrontiert mit den Aussagen Indermaurs schüttelt der Steinacher Gemeindepräsident Michael Aebisegger resigniert den Kopf. Als Lukas Indermaur zur Begleitgruppe austrat, habe man noch gar keine definitiven Beschlüsse bezüglich der Reaktivierung des Altlaufs, also der Wiederherstellung der beiden Bachschlaufen, getroffen. Im anstehenden Mitwirkungsverfahren sollen die Varianten – keine, eine oder zwei Bachschlaufen – auch der Steinacher Bevölkerung vorgelegt werden. «Ausserdem sehe ich die historischen Karten nicht als einzigen Referenzwert für das Projekt», erläutert Michael Aebisegger weiter. Man wolle auf jeden Fall eine Aufwertung der Natur, aber in einem «vernünftigen und angemessenen Rahmen». Die Argumentation «es war Ende des 19. Jahrhunderts so», sei für ihn nicht ausreichend. Auch deshalb nicht, weil im Gesetzestext nicht klar definiert ist, zu welchem Zeitpunkt der «natürliche Verlauf des Gewässers» zu bemessen sei.
Kampf um den Kompromiss
«Ein Bach befindet sich ständig in Bewegung und bildet neue Schlaufen», kommentiert Peter Rey von der Hydra AG, der als stellvertretender Projektleiter die Begleitgruppe beratend unterstützt. Deshalb sei es tatsächlich schwierig, den «natürlichen Verlauf» wiederherzustellen. Er halte zwar die Forderung von Lukas Indermaur für sinnvoll, denn sie würde für mehr Tiefe und damit für eine niedrigere Wassertemperatur sorgen. Für den Artbestand der Seeforellen ist dies zentral, da damit der Fischlaich in der Steinach – einer der wichtigsten Laichgründe dieser stark gefärdeten Art – überhaupt überlebensfähig bleibt. Aber Rey sei auch klar, dass man nicht alle naturschützerischen Forderungen durchbringen kann. «Die ganze Arbeit in einer solchen Gruppe besteht daraus, sich gegenseitig auf die Füsse zu treten, bis man gemeinsam verkraftbare Kompromisse findet.»
Es wird allen ein wenig weh tun
In der Begleitgruppe ringen derzeit je eine Vertretung der Ortsparteien von FDP und die Mitte, der Ortsgemeinde, dem Bauernverband, dem Schrebergarten plus vier Anstösserinnen und Anstösser um eine Lösung, die «nicht schwarz-weiss sein kann», formuliert es Marco Steiner vom Amt für Umwelt und Energie, der Teil des Projekt-Teams ist. «Am Ende wollen wir einen gangbaren Weg finden, auch wenn dabei alle ein wenig mit den Zähnen knirschen.» Den Vorwurf von Seiten des Naturschutzes, die ökologischen Belangen würden zugunsten der Landwirtschaft leiden, weist er zurück. Mathias Rüesch, der als Vertreter des Bauernverbands St. Gallen Teil der Begleitgruppe ist, kommentiert: «Mein Eindruck ist klar, dass sich die Projektverantwortlichen um ein ausgewogenes Projekt bemühen, das allen gerecht wird wie auch Zugeständnisse erfordert.» Am 17. April soll nun das Mitwirkungsverfahren zur bisher auf 17,4 Millionen Franken geschätzten Sanierung starten. Dabei können sich alle Bürgerinnen und Bürger zu den sieben zentralen Punkten der Renaturierung äussern (mehr dazu auf Seiten 8 und 9). Auch die Reaktivierung des Altlaufs wird dabei nochmals auf den Tisch gebracht. «Sollte sich zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sich für beide Schlaufen ausspricht, wird die Gemeinde dies in die Interessenabwägung miteinbeziehen», merkt Michael Aebisegger an.