zum Inhalt springen

·

Zur Artikelübersicht

Wer soll Budgethoheit haben?

Teilnehmende wie Besuchende der Parlamentssitzung von Dienstag mussten viel Sitzleder beweisen – und kälteresistent sein. Im unterkühlten Seeparksaal wurde drei Stunden lang eine vollgepackte Traktandenliste abgehandelt.

Kim Berenice Geser

Den Anfang machte die erste Lesung des neuen Reglements für Betreuungsgutschriften der Stadt Arbon. Im Rahmen der laufenden Legislatur hat sich der Stadtrat zum Ziel gesetzt, die Strukturen der familienergänzenden Betreuung zu überarbeiten und zu modernisieren. Das bisherige System hat diverse Nachteile. So findet beispielsweise keine konsequente Ausrichtung der Beiträge auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern statt; Volltarife und Subventionshöhen sind nicht transparent; und es besteht keine freie Wahl der Betreuungseinrichtung für Kinder im Vorschulalter. Im neuen Reglement soll sich dies ändern. Die wichtigste Grundlage hierfür ist die Umstellung des Subventionierungsmodells von einer Objekt- auf eine Subjektfinanzierung. Konkret bedeutet dies, dass die Finanzierung nicht wie bisher über Leistungsanbieter wie das Kinderhaus Arbon oder die Primarschulgemeinden Arbon und Frasnacht laufen, sondern den Personen individuell gewährt wird. Die Änderung des Finanzierungsmodells wurde sowohl in der Kommission als auch im Parlament begrüsst. Die Kommission beantragte dem Parlament zudem, den Verteilschlüssel der Kosten anzupassen. So soll die Stadt künftig 80 Prozent der Gesamtkosten für Gutschriften übernehmen, die jeweiligen Anbieter (Primarschulgemeinden, Kinderhaus Arbon, etc.) die übrigen 20 Prozent. Der Stadtrat hatte eine Verteilung von 50:50 vorgesehen. Der Antrag der Kommission wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen. Einstimmig gutgeheissen wurde zudem ein Antrag von Linda Heller (SP/Grüne). Sie forderte einen Zuschlag auf Gutschriften, sofern die Betreuung von Kindern mit einer klinischen Diagnose zu höheren Tarifen in der Betreuungsinstitution führt.

Grosszügiger bei Vergabe

In der zweiten Lesung des Reglements für den Energie- und Umweltfonds der Stadt kam es vor allem zu einer wesentlichen Änderung. Riquet Heller (FDP/XMV) beantragte, dass öffentlich-rechtliche Körperschaften nur dann von der Vergabe von Fördergeldern auszuschliessen seien, wenn sie nicht steuerpflichtig sind.

Trotz langwieriger Themen, waren die Zuschauerränge im Stadtparlament diese Woche verhältnismässig gut besucht.
Trotz langwieriger Themen, waren die Zuschauerränge im Stadtparlament diese Woche verhältnismässig gut besucht.
© Kimk Berenice Geser

Er argumentierte hier vor allem mit der Bürgergemeinde Arbon, welche sich in der Vergangenheit immer wieder für Arbon eingesetzt habe und durch Abgaben ihres Landes im Baurecht die Realisierung städtischer Infrastruktur wie der Sporthalle, dem Campingplatz oder dem Werkhof möglich machte. Hier gälte es nun, auch etwas zurückzugeben. Das sah auch der Rest des Parlaments so und nahm – entgegen der Meinung des Stadtrates – Riquet Hellers Antrag mit 22 Ja- zu 5 Nein-Stimmen an.

Nicht mehr das Volk soll entscheiden

Wenig überraschend traf auch die breit abgestützte Motion «Budgetkompetenz beim Parlament» auf grosse Zustimmung. Diese war ursprünglich von 20 Parlamentsmitgliedern unterzeichnet worden. Sie sieht eine Verlagerung der Budgetkompetenz vom Volk zum Parlament vor. Erstunterzeichner Daniel Bachofen (SP/Grüne) begründet die angestrebte Änderung unter anderem mit dem hohen Zeitdruck des Parlaments für den Budgetprozess, der zu einer Erhöhung der Fehlerquote führe. Gemäss kantonalen Vorgaben müssen nämlich Gemeinden bis Ende Dezember den Steuerfuss für das kommende Jahr genehmigt haben. In Arbon bedeutet dies, dass mit dem Budgetprozess bereits im Sommer des laufenden Jahres begonnen werden muss, um Budget und Steuerfuss rechtzeitig zur Volksabstimmung zu bringen. Dies hat jedoch wiederum zur Folge, dass das Budget auf Hochrechnungen der bis im Mai vorhandenen Daten beruht. Die Zahlen sind also entsprechend ungenau. Könnte statt der Stimmbevölkerung das Parlament abschliessend über das Budget entscheiden, wäre mehr Zeit vorhanden und der Budgetprozess könnte präziser ausfallen. So die Argumentation der Motionäre. Auch Stadtpräsident René Walther hält die Motion für «einen Schlüssel zur Verbesserung des Budgetprozesses», dessen Qualität der Stadtrat generell verbessern möchte. Das Anliegen der Motionäre ist deshalb bereits Bestandteil im laufenden Revisionsprozess der Gemeindeordnung. Mit nur drei Gegenstimmen wird die Motion für erheblich erklärt. Der Stadtrat hat nun sechs Monate Zeit, um eine entsprechende Botschaft mit gesetzlichen Grundlagen auszuarbeiten.

Anzeigen