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Wirtschaft ächzt unter US-Zollhammer

Der US-Zollhammer hat die Schweiz stärker getroffen als die meisten Länder. Und dies, obwohl sie sämtliche Industriezölle abgeschafft hat und der sechstgrösste ausländische Investor der USA ist. An den Folgen leiden auch diverse Thurgauer Unternehmen.

Gastbeitrag von Pascale Ineichen

Wie die Ostschweizer Unternehmen von den 39 Prozent US-Zöllen betroffen sind, zeigt eine zwischen dem 15. und 25. August durchgeführte Umfrage der Industrie- und Handelskammern Thurgau und St. Gallen-Appenzell. Über 200 Unternehmen haben sich daran beteiligt, mehr als 40 davon aus dem Thurgau. 83 Prozent der befragten Thurgauer Unternehmen waren von der Höhe der Zölle denn auch eher bis stark überrascht. Sieben Prozent aller Thurgauer Exporte fliessen in die USA, was einem Volumen von gut 260 Mio. Franken jährlich entspricht. Nach der EU sind die USA der wichtigste Export- und nach Deutschland der wichtigste Einzelmarkt. Besonders stark treffen die Zölle Unternehmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, welche im Thurgau stark vertreten sind. Der Maschinenbau leistet knapp 40 Prozent der US-Exporte und ist damit von den Zöllen voll betroffen. Aber es trifft auch Unternehmen anderer Branchen, die stark auf den US-Markt ausgerichtet sind, beispielsweise im Nahrungs- und Genussmittelbereich.

Unsicherheit belastet am stärksten

Noch immer herrscht weitverbreitete Unklarheit über die Anwendung, Berechnung und Entwicklung der Zölle. Diese Unsicherheit ist es denn auch, welche für die Unternehmen aktuell die grösste Herausforderung darstellt. Zusätzlich belasten der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der mit geringeren Zöllen belegten Konkurrenz aus anderen Märkten, ein Nachfragerückgang in den USA sowie der starke Franken, welcher sich gegenüber dem Dollar seit Anfang Jahr um 10 Prozent aufgewertet hat. Das Ausmass der wirtschaftlichen Auswirkungen lässt sich noch kaum abschätzen. 85 Prozent der befragten Thurgauer Unternehmen gehen aber davon aus, dass sich die Zölle negativ oder stark negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken werden. Die mittel- bis längerfristigen Auswirkungen auf das eigene Unternehmen beurteilen knapp 15 Prozent der Befragten als stark negativ und 44 Prozent als eher negativ.

«Die Schweiz muss ihre Handelsbeziehungen zu weiteren Partnern stärken, um weniger abhängig von einzelnen Märkten zu werden.»
Pascale Ineichen

Preiserhöhungen für US-Kunden

Bezogen auf die ganze Ostschweiz haben 56 Prozent der befragten Unternehmen, welche direkt in die USA exportieren, zum Zeitpunkt der Befragung noch keine Sofortmassnahmen ergriffen, sondern legen den Fokus auf die laufende Analyse der Situation. Gut 40 Prozent erwägen jedoch Preiserhöhungen für US-Kunden oder haben solche bereits umgesetzt. Knapp ein Drittel gibt an, intensiv mit den US-Kunden im Gespräch nach Lösungen zu suchen. Knapp 17 Prozent prüfen eine (Teil-) Verlagerung der Produktion in andere Länder oder eine Vermeidung von Zöllen durch Ausfuhr via Drittländer.

Dringender Handlungsbedarf

Angesichts der handelspolitischen Herausforderungen und der unsicheren geopolitischen Lage sieht die Industrie- und Handelskammer Thurgau (IHK) denn auch dringlichen Handlungsbedarf zur Sicherung der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts, der Arbeitsplätze sowie der Innovationskraft der Unternehmen. Drei Handlungsfelder gilt es aus Sicht der IHK Thurgau in diesem Zusammenhang prioritär zu behandeln:

1. Diplomatische Verhandlungen fortführen

Die diplomatischen Bemühungen zum Erreichen einer raschen Senkung der Zölle müssen auf höchster Ebene weiterhin mit Nachdruck vorangetrieben werden.

2. Diversifikation der Handelsbeziehungen

Die Schweiz muss ihre Handelsbeziehungen zu weiteren Partnern stärken, um weniger abhängig von einzelnen Märkten zu werden. Das Freihandelsabkommen mit Indien tritt am 1. Oktober in Kraft. Wichtig sind auch Abkommen mit Mercosur, Thailand und Malaysia. Regelbasierte Beziehungen zur wichtigsten Handelspartnerin EU durch die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs sind entscheidend.

3. Innenpolitische Massnahmen zur Entlastung der Unternehmen

Innenpolitisch haben wir es selbst in der Hand, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen und unsere Unternehmen nicht noch zusätzlich zu belasten. Notwendig sind ein Bürokratieabbau, ein Stopp der Regulierungsflut, ein Verzicht auf den Ausbau der Lohnnebenkosten sowie eine Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung.

Über die Autorin

Pascale Ineichen ist stellvertretende Direktorin der Industrie- und Handelskammer Thurgau und leitet dort die Ressorts Wirtschaftspolitik und Kommunikation.

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Wirtschaftsbeilage 2025 erschienen.

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