Zwei Haltungen an einem Tisch
Kim Berenice GeserDie Verdichtung in die Höhe ist das Bauland der Zukunft
Jürg Niggli: Hochhäuser müssen städtebaulich einen Akzent setzen und sicher nicht zu einer Verdichtung am Seeufer beitragen. Städtebaulich ein absoluter Unsinn.
Cyrill Stadler: Ich bin der Überzeugung man hat vom Werdegang her genau das Richtige getan. Man hat zuerst eine Planungszone über dieses Gebiet erlassen und Anforderungen gestellt, was auf dieser Parzelle künftig passieren soll. Man hat die touristische und gastronomische Entwicklung am Seeufer miteinbezogen und danach ein Projekt entworfen, das städtebaulich Sinn macht. Abgesehen davon: Das Konzept höhere Häuser und Hochhäuser können wir nicht verhindern. Arbon ist verpflichtet ein solches umzusetzen. «Riva» ist ein Leuchtturmprojekt.
Niggli: Einspruch! Namhafte Architekten wie auch der beste Raumplaner der Schweiz, Feddersen, sagen: Die «Metropol»-Parzelle ist keine Hochhaus-Parzelle. Auch das Gutachten Strittmatter sagte in der ersten Version, es sei keine Hochhaus-Parzelle. Erst im zweiten Gutachten mussten sie zurückkrebsen. Da hiess es plötzlich, es könnte eventuell doch eine sein. Dass man kritische Stimmen einfach ignoriert, zeigt die Ignoranz Arbons. Diese Hochhäuser sollen nun einfach Teufel komm raus erstellt werden. Auch wenn alle auswärtigen Fachpersonen sagen, das sei die falsche Parzelle.
Stadler: Es sind nicht alle Fachpersonen, nur diejenigen, die du aufzählst.
Niggli: Das sind die Fachleute, die die Stadt eingeladen hat, um Gutachten zu erstellen. In einem Hochhaus-Konzept gilt es den richtigen Ort zu evaluieren. Das Arboner Seeufer ist das sicher nicht. Wir sind nicht New York. Im alten Saurer WerkZwei kann man ein Hochhaus diskutieren. Dort kann es einen Akzent im Zentrum des Stadtbildes setzen. Aber sicher nicht am Rand. Dort zerstört es das ganze Hinterland, das Seeufer und das national geschützte Ortsbild. Letzteres wurde erst kürzlich auch im kantonalen Richtplan bestätigt.
Stadler: Das «Metropol» steht heute schon in der Umgebungszone 1 des geschützten Ortsbildes des ISOS. Ist also nicht direkt Teil des Ortsbildes. Das wird immer wieder vermischt. Die Umgebungszone 1 umfasst die ganze Quaianlagen bis zum «Metropol» und den Häusern am See. Und hier braucht es einen Abschluss dieser unsäglichen Wohnbauten vom «Breeze» bis zu den Häusern am See. Diese Häuserzeile wirkt monoton. Ein Abschluss mit einer filigranen Höhe passt in ein städtebauliches Konzept. Diverse Architekten sind sich einig, dass es hier diesen Akzent verträgt, wenn nicht sogar braucht.
Niggli: Von brauchen kann nicht die Rede sein. Wir sind 2000 Jahre ohne Hochhäuser ausgekommen. Dieses Argument ist unsinnig. Es wird keine Schweizer Stadt am See geben, die zwei Hochhäuser direkt ans Ufer stellt. Steinach hat es vorgemacht und das Hochhaus abgelehnt. Ein Hochhaus, das notabene von den Städtebauern als nötig erachtet wurde, damit die Türme des «Riva» nicht so wuchtig wirken. Ist zu lesen im Planungsbericht.
Die Stadt hat den Wünschen der Bevölkerung im Projekt Riva zu wenig Rechnung getragen und die Stadtplanung aus dem Ruder laufen lassen.
Stadler: Das stimmt so einfach nicht. Man hat über diese Parzelle eine Planungszone verhängt, einen Projektwettbewerb lanciert und aus den elf eingegangenen Projekten das Beste ausgewählt. Dieses Projekt wurde daraufhin fast elf Jahre geprüft, abgeändert und angepasst. Heute liegt eine ausgewogene und abstimmungsfähige Lösung auf dem Tisch, bei welcher ganz klar die Vorteile überwiegen.
Niggli: Die Bedürfnisse der Bevölkerung wurden keineswegs berücksichtigt. Das fing schon beim Abstimmungstermin an, welcher nicht fristgerecht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen sechs Monate nach dem erreichten Referendum durchgeführt wurde. Ich muss es noch einmal betonen: Wir haben bei der Unterschriftensammlung für das Referendum innerhalb kürzester Zeit und unter widrigen Umständen – Corona, Advent, winterliches Wetter – 1600 Unterschriften gesammelt. Die meisten der Unterzeichnenden haben gesagt: Wir wollen kein Hochhaus an dieser Stelle. Das ist das Grundbedürfnis der Bevölkerung und kann nicht mit ein bisschen Restaurant, ein bisschen Rasen, einigen unnötigen Hotelzimmern und einem Saal, den es sowieso nicht braucht, aufgewogen werden.
Stadler: Das Eigentumsrecht wird in der Schweiz relativ hochgehalten. Dennoch hat man als Stadt versucht, das Möglichste herauszuholen, in dem man der HRS mit der Planungszone verschiedene Elemente auferlegt hat, die der Stadt wichtig waren. Dazu gehören die Hotelzimmer, das Restaurant mit Gartenterrasse, die Bar und der Saal. Das Ganze ist ein Geben und ein Nehmen. Man hat Höhe gegeben und dafür Hotellerie und Gastronomie erhalten.
Niggli: Ich gebe dir recht: Es ist ein Geben und ein Nehmen. Aber wenn das Geben viel grösser ist als das Nehmen ist es ein Ungleichgewicht. Hier verscherbelt die Stadt die schönste Parzelle am See zugunsten von ein paar Gutbetuchten. Im Rahmen der Gestaltungsplanpflicht hätte man ein besseres Resultat erwirken müssen.
«Riva» schafft einen touristischen Mehrwert.
Stadler: Dass das Bedürfnis eines Restaurants an dieser Lage gegeben ist, zeigt das Beispiel der «Veranda». Die Befürchtung, dass dieses zu hochpreisig werden könnte, ist unbegründet. Wer ein Restaurant mit 126 Plätzen betreiben will, wird nicht im Gault-Millau-Bereich operieren können. Es gibt keinen Luxusbetrieb, sondern ein Restaurant in einer vernünftigen Preisklasse. Und das zusätzliche Hotelzimmer unnötig sind, wie Jürg Niggli sagt, stimmt nicht.
Niggli: Wir erhalten ja bereits mehr Zimmer mit dem geplanten Hotel im Werk 1.
Stadler: Das ist bisher nur eine Projektidee. Mit dem neuen Drei-Sterne-Hotel im WerkZwei und den geplanten Hotelzimmern im «Riva» im Vier-Sterne-Segment hätten wir eine gute Mischung, die uns aktuell fehlt und mit der wir die touristische Attraktivität steigern könnten.
Niggli: Ein Vier-Sterne-Hotel gibt es auch in Horn.
Stadler: Natürlich kann man so argumentieren. Das Bedürfnis nach verschiedenen Hotelkategorien ist aber eine touristische Tatsache. Die Gäste, welche sich eine höhere Hotelklasse wünschen, nach Horn oder St. Gallen zu schicken, halte ich für eine kurzfristige Denkweise. Wir müssen Arbon als Stadt weiterentwickeln. Mit dem «Riva» verbessern wir unser Angebot qualitativ.
Niggli: Aus touristischer Sicht ist ein intaktes und geruhsames Seeufer ohne Halligalli viel der grössere touristische Wert. Mit ihren innovativen Gastrokonzepten hat die Stadt das Seeufer überdies bereits belebt. Längerfristig fehlen uns Ruhezonen, intakte Landschaften. Das braucht der Mensch. Das ist eine nachhaltige Zukunft.
Stadler: In diesem Fall bin ich einer Meinung mit dir. Und genau diese Zonen realisiert das «Riva». Die bebaute Fläche wird kleiner als mit den bestehenden Bauten.
Niggli: Aber zu Lasten einer Höhe, die ausserordentlich hoch und störend ist. Und das Seeufer weitum verschandelt.
Stadler: 43 Meter sind kein Manhattan.
Die beiden «Betontürme» sind nicht mit der sensiblen Uferzone vereinbar, der Naturschutz ist durch den Baulärm, die künftigen Lichtemissionen und den Publikumsverkehr gestört.
Stadler: Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Man verringert den Fussabdruck, erhöht die Grünfläche. Der Ersatzbau wird die Umwelt am See nicht massiv stören. Im Gegenteil wird der Park das wettmachen, was wir mit der Höhe hergeben.
Niggli. Es ist kein Ersatzbau, sondern ein überdimensionierter Klotz. Und dieser Klotz hat Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet.
Stadler: Wenn man die Uferzone von Steinach bis zum Philosophenweg betrachtet, so hat es sehr viele Grün- und Schutzzonen am Ufer. Es wäre nicht richtig, das «Metropol» abzubrechen und stattdessen ein Naturschutzgebiet zu schaffen. Diese Parzelle ist Teil der städtischen Infrastruktur.
Niggli: Dieses Naturschutzgebiet müssen wir nicht schaffen. Das ist bereits da und ein wichtiges Gut für die Arboner Bevölkerung, die in 20 Jahren noch stolz auf ihr schönes Städtchen am See sein will. Das kann man nicht für ein bisschen Mehrwert des Fussabdrucks opfern.
Mit einem zweifachen Nein riskiert die IG SoH die Weiterentwicklung in Arbon auf Jahre hinaus. Wichtige Projekte wie der «Stadthof» oder der Ausbau der Mosterei Möhl wären blockiert.
Niggli: Wir verhindern gar nichts. Im Gegenteil. Eine überarbeitete Ortsplanungsrevision (OPR) kann man innert nützlicher Frist wieder auflegen. Sofern der politische Wille da ist. Wir sind nur gegen einen Bestandteil der OPR. Dieser eine Bereich im Konzept für höhere Häuser und Hochhäuser lässt sich schnell bereinigen. Danach gibt es keine Opposition mehr. Denn der Rest der OPR ist gut. Doch wenn wir diesen groben Fehler nicht ausmerzen, so wird spätestens der Kanton Einsprache erheben.
Stadler: Das lässt die Vorprüfung im Kanton nicht vermuten. Und es gilt festzuhalten, dass man in der OPR sehr viele Punkte richtig und gut aufgenommen hat.
Niggli: Da gebe ich dir recht. Es gilt diese Arbeit zu würdigen. Man muss jedoch den groben Fehler mit der «Metropol»-Parzelle als Hochhaus-Standort ausmerzen.
Stadler: Das ist kein grober Fehler. Man ist mit dem Konzept für höhere Häuser und Hochhäuser der Vorgabe zur Verdichtung nachgekommen. Und die Bevölkerung hat weiterhin die Möglichkeit, mit dem fakultativen Referendum gegen jedes künftige Hochhaus-Projekt vorzugehen. Es gibt also keinen Grund, die OPR abzulehnen. Man steht der Weiterentwicklung im Weg, bremst aus. Es ziehen locker drei bis vier Jahre ins Land, wenn wir die OPR ablehnen. Damit gefährden wir Arbeitsplätze beim Möhl und im «Stadthof». Das ist das Letzte, was wir für Arbon wollen.
Niggli: Es wird wieder ein Schreckgespenst aufgefahren. Wir sollten uns mit solchen Drohkulissen nicht erpressen lassen. Sondern selbstbewusst sagen: Wir wollen die OPR, sobald dieser Fehler ausgemerzt ist.
Die Stadt hätte ein ENHK-Gutachten einholen müssen.
Niggli: Im Vorprüfbericht des Kantons zum Gestaltungsplan Riva ist diese Auflage enthalten. (zitiert aus diesem Dokument): «Um Auswirkungen allfälliger höherer Häuser und Hochhäuser auf das Ortsbild von nationaler Bedeutung definitiv zu klären, wird vom Amt für Denkmalpflege eine Stellungnahme von der eidgenössischen Denkmalpflege erwartet.» Eine Erwartung, die der Stadtrat nicht erfüllt hat.
Stadler: Das ist eine Stellungnahme, die der Kanton einholen muss.
Niggli: Nein, die Stadt hätte das einfordern müssen.
Stadler: Sie hätte das machen können. Es ist aber kein Muss. Was die Stadt musste, waren entsprechende Erwägungen anzustellen.
Niggli: Die nie materiell ausformuliert und transparent gemacht wurden. Es wurde nie öffentlich gemacht, welche materiellen Erwägungen dazu führten, dass die wenigen Vorteile von «Riva» die grossen Nachteile überwiegen sollen.
Ein Ja zu «Riva» bedeutet ...
Niggli: ... heute gebaut, das Seeufer auf Jahrzehnte versaut.
Stadler: ... städtebauliche Qualitäten, von denen die Stadt enorm profitieren wird.
Ein Nein zu «Riva» ist ...
Stadler: ... eine Privatisierung dieser touristisch wertvollen Parzelle, ein Rückschritt kein Fortschritt.
Niggli: ... die Erhaltung des schönen Arbons, die Sicherung der Zukunft, für eine nachhaltige Entwicklung für Generationen in Arbon.