«15 Jahre sind genug»
Kim Berenice Geser«Komm, wir gehen nach draussen. Das Wetter ist so schön.» Michela Abbondandolo, die Wirtin des Restaurants Ilge in der Arboner Altstadt, setzt sich an einen der grossen Marmortische vor dem Lokal und seufzt. «Ich mag nicht mehr.» Ein Satz der alles sagt und doch unerwartet kommt. Denn die Gastgeberin der «Ilge» ist bekannt für ihre herzliche Art und ihre Leidenschaft für das Gastgewerbe. «Die habe ich auch nicht verloren», führt sie aus. «Ich bin einfach müde.» Ihr Kopf, der sonst vor Ideen übersprudelt, sei leer. Ihr fehlen die neuen Inspirationen – und ein finanzieller Anreiz.
«Ich habe tolles Personal und unser Lokal läuft gut.» Doch trotz guter Umsätze bleibe am Ende des Jahres kaum etwas übrig. Das hänge einerseits mit höheren Personalkosten zusammen – seit zwei Jahren beschäftigt Abbondandolo zur eigenen Unterstützung einen ausgebildeten Koch. Andererseits werde alles teurer, von den Lebensmitteln über die Strompreise bis hin zum Heizöl. Zu guter Letzt stünden in naher Zukunft grössere Investitionen an. Die Gerätschaften sind in die Jahre gekommen und müssten ersetzt werden. Ganz zu schweigen von der übrigen Infrastruktur, die dringend sanierungsbedürftig sei. Michela Abbondandolo sah sich gezwungen, einen Entscheid zu fällen. Was sie auch tat.
Die Zukunft neu planen
«Michela’s Ilge» schliesst im Mai 2024. Die Vorlaufzeit ist deshalb so lange, weil ihre Kündigungsfrist ein Jahr beträgt. Dabei hatte die Gastgeberin noch vor geraumer Zeit ganz andere Pläne. Vor zwei Jahren wollte sie die gesamte Liegenschaft kaufen. Da man sich nicht auf einen Preis einigen konnte, kam der Deal nicht zustande. «Wir hätten rund eine Million Franken in die Sanierung investieren müssen. Da durfte der Kaufpreis einfach nicht zu hoch sein.» Ebenfalls an den Finanzen und aus logistischen Gründen scheiterten die Pläne eines Ausbaus mit zusätzlichem Ladenlokal für italienische Spezialitäten und einer Gelateria in den angrenzenden Gewerbeliegenschaften. Sie hätten den ersehnten neuen Input gebracht, den sich Abbondandolo wünscht. «Ich brauche öfter mal etwas Neues.» Schon zu ihren Anfangszeiten sagte sie, nach zehn Jahren höre sie wieder auf – jetzt sind es bald 15. «15 Jahre sind genug.» Der Zeitpunkt sei richtig. Sie wünscht sich mehr Zeit mit ihrer Familie und eine neue Herausforderung. «Jetzt kann ich noch etwas anderes machen, in ein paar Jahren nimmt mich keiner mehr.» Sie hat sich für eine Stelle in der neuen Delicatessen-Abteilung im «Globus» in St. Gallen beworben und sei auf Interesse gestossen. Wenn das nicht klappt, könnte sie sich auch vorstellen, ein kleines Lokal in der Altstadt zu übernehmen. Dabei hat sie klare Vorstellungen: «Es muss saniert sein, ich mache es alleine und es gibt nur Mittagsservice.» Auch der Traum der Gelateria ist noch nicht ausgeträumt. Erst einmal freut sich Michela Abbondandolo aber auf das letzte Jahr in der «Ilge» und dann auf das, was kommen wird. Ihr Blick schweift zur Eingangstür. «Das Schild nehme ich mit.»
Zwei weitere Wechsel
Eine ungewisse Zukunft steht auch der Wirtschaft zum Storchen bevor. Wirt Raffaele Ferone plant die Schliessung des Lokals zwischen August und Oktober. Noch sei kein Nachfolger gefunden, heisst es auf Anfrage. Und auch die «Hostaria» an der Hauptstrasse in Arbon sucht per sofort eine Nachfolge. Bis diese geregelt ist, führen die jetzigen Pächter das Lokal weiter.