Ausser der Fassade ist nichts geblieben
Kim Berenice GeserDer Neubau der Raiffeisenbank Regio Arbon steht in den Startlöchern. Die Bauvisiere zeugen seit mehreren Wochen davon. Die öffentliche Auflage des Baugesuchs blieb bisher aber aus. Wann ist damit zu rechnen?
Thomas Gutmann: Das Baugesuch liegt seit heute Freitag auf. Wir haben es Ende November 2023 eingereicht. Nach der Vorprüfung der Stadt hat sich herausgestellt, dass wir noch drei Dokumente nachreichen mussten. Das haben wir Anfang des Jahres nachgeholt.
Geplant ist ein Neubau anstelle des 1899 erbauten Hauses. Im «felix.» äusserten zwei Leserbriefschreibende Kritik an diesem Vorhaben. Das historische Gebäude sei zu erhalten. Wurde diese Möglichkeit geprüft?
Ja, wir haben im Vorfeld des Architekturwettbewerbs eine umfassende Machbarkeitsstudie durchgeführt. Im Zuge dieser Studie wurden verschiedene Optionen geprüft, darunter auch, das bestehende Gebäude zu sanieren und zu vermieten oder verkaufen und mit der Bank an einen anderen Standort zu wechseln.
Man hat sich dagegen entschieden. Warum?
Die Prüfung ergab, dass in der heutigen Liegenschaft kein effizienter, zeitgemässer Bankbetrieb mehr möglich ist, und eine Investition in die Bausubstanz weder nachhaltig noch zukunftsweisend ist. Denn ausser der Gebäudehülle ist vom ursprünglichen Zustand des Hauses nicht mehr viel übrig. Im Inneren wurden im Laufe der über hundertjährigen Geschichte diverse baulichen Veränderungen vorgenommen. Was nicht erstaunt; das Haus hatte ja auch unterschiedliche Nutzungen, als Metzgerei, Restaurant und zuletzt eben als Bank. So ist das Gebäude beispielsweise unterschiedlich unterkellert und eine sinnvolle Raumaufteilung, die den Anforderungen eines modernen Bankbetriebs Rechnung trägt, ist nicht möglich.
Man könnte das Gebäude aushöhlen.
Auch das haben wir geprüft. Hier stehen jedoch Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis. Ganz zu schweigen vom ökologischen Aspekt. Das heutige Gebäude ist schlecht isoliert und unsere Betriebskosten entsprechend hoch. Wir heizen derzeit noch mit Gas.
Und künftig?
Ist ein Wärmepumpensystem mit Erdsonde geplant und eine PV-Anlage auf dem Dach.
Im Schutzplan Natur- und Kulturobjekte der Stadt Arbon, der 2019 in Kraft getreten ist, ist die St. Gallerstrasse 20 nicht aufgeführt. Im Hinweisinventar des Amts für Denkmalpflege war die Liegenschaft jedoch nach der letzten ordentlichen Revision 2008 noch als «wertvoll» eingestuft. Hat sich die Bank aktiv dafür eingesetzt, dass die Liegenschaft aus dem Schutzplan der Stadt entlassen wird?
Mir ist nicht bekannt, dass die Bank aktiv Einfluss auf einen solchen Entscheid genommen hat. Ich bin seit Mai 2020 Bankleiter in Arbon. Eine meiner ersten Aufgaben war die Aufgleisung dieses Bauprojektes. Abgesehen vom ausgewiesenen Bedarf, den Bankbetrieb zu modernisieren, war damals aber noch nichts vorhanden. Sowohl die Machbarkeitsstudie als auch der Architekturwettbewerb und alle nachfolgenden Projektschritte fanden also erst statt, als der neue Schutzplan der Stadt bereits in Kraft getreten war.
Anlässlich der Siegerehrung des Architekturwettbewerbs im September 2022 sagten Sie, der Neubau füge sich städtebaulich hervorragend ins Zentrum Arbons ein. Entlang der St. Gallerstrasse finden sich jedoch zahlreiche Bauten aus der Jahrhundertwende. Was sagen Sie Kritikern, die im Neubau der Raiffeisenbank einen Widerspruch zum heutigen Quartiercharakter sehen?
Meiner Empfindung nach findet in Arbon derzeit eine wichtige städtebauliche Entwicklung statt. Die Zentrumsfunktion verlagert sich von der Altstadt Richtung Bahnhof und Saurer WerkZwei. In diesem Zuge sind auch entlang der St. Gallerstrasse neue bauliche Aktivitäten geplant, zum Beispiel mit dem Projekt Stadthof. Es findet eine Urbanisierung des Quartiers statt, in die sich unser Bauprojekt einfügt. Zudem gibt es hier im Quartier bereits einige geradlinige Gebäude, wie ein Blick auf unsere direkten Nachbarn zeigt. Was nicht heisst, dass ich gegen den Schutz von architektonischen Zeitzeugen bin. Im Gegenteil. Der Schutzstatus sollte jedoch sinnvoll sein. In unserem Fall ist von diesem Zeitzeugen ausser der Fassade schlicht nichts mehr vorhanden.
Die Stadt war von Beginn an in den Planungsprozess des Neubaus einbezogen. Welche Anforderungen oder Anregungen kamen hier von den Behörden?
Vor allem die besagte städtebauliche Entwicklung, die ich vorhin angesprochen habe, galt es zu berücksichtigen. Zudem sollte das Gebäude den Raum ausnutzen, ohne zu schwerfällig zu wirken. Ich denke, das ist uns durch die beiden Gebäudeteile, die im Sockelgeschoss verbunden sind, gelungen.
Im Neubau soll künftig eine sogenannte Beraterbank entstehen. Wie unterscheidet sich dieses Konzept von jenem, das heute in Arbon praktiziert wird?
In den letzten Jahren hat sich im Bankwesen der Fokus vom Bargeld auf die Beratung verschoben. Schalter hinter Panzerglas, wie wir das heute in Arbon noch haben, sind nicht mehr zeitgemäss, denn es finden kaum noch Bargeldtransaktionen vor Ort statt. Diese werden meist online abgewickelt. Heute kommen die Kundinnen und Kunden in die Bank, weil sie eine Beratung wünschen bei Anlagen, Hypotheken, der Altersvorsorge. Dem möchten wir mit dem Neubau Rechnung tragen. Künftig werden unsere Kundinnen und Kunden in einem grosszügigen modernen Verkaufsraum empfangen, der ebenerdig, barrierefrei und offen ist.
Das Bargeld verschwindet also aus der Bank?
Natürlich nicht. Im Neubau können alle Bargeld-Bedürfnisse in einer 24-Stunden-Zone an modernen Automaten abgewickelt werden. Zudem werden für weitergehende Bedürfnisse, wie zum Beispiel Bestellung grosser Münzbestände, andere Lösungen angeboten.
Der Neubau umfasst, Sie haben es eben angesprochen, zwei Gebäudeteile, die in einem Sockelgeschoss verbunden sind. Im Gebäudeteil entlang der Alemannenstrasse sind Wohnungen geplant. Hierfür muss jedoch das bestehende Gebäude ebenfalls abgerissen werden. Wie haben das die dortigen Mietenden aufgenommen?
Wir haben die Mieterinnen und Mieter der Alemannenstrasse 4 von Beginn an über unsere Baupläne informiert. Das wurde sehr geschätzt und gab ihnen auch genügend Zeit, eine Nachfolgelösung zu suchen. Mit allen Parteien wurden befristete Mietverträge zu günstigen Konditionen abgeschlossen, die wir bereits zweimal verlängern konnten und die jetzt Ende Mai auslaufen.
Im Neubau sind elf Mietwohnungen geplant ...
... mit 1½- bis 3½-ZImmerwohnungen.
Das Angebot richtet sich also nicht an Familien?
Da wir nur wenig Grünfläche zur Verfügung haben, haben wir uns für einen Wohnungsmix entschieden, der sich vor allem an arbeitstätige Personen oder ältere Menschen richtet, welche die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten und den öV-Anbindungen schätzen
Wie hoch werden die Mietzinsen sein?
Diese sind zurzeit noch nicht definiert. Es wird jedoch eine attraktive Preisgestaltung angestrebt, damit wir eine rasche Vermietung sicherstellen können. Wir freuen uns einfach, wenn das Wohnhaus gut genutzt wird.
Läuft alles nach Plan, soll der Baustart noch diesen Herbst erfolgen. Die Eröffnung des Neubaus ist 2026 geplant. Wo wird der Bankbetrieb zwischenzeitlich unterkommen?
Während der Bauzeit wird ein Bankprovisorium auf dem Areal der Coop-Tankstelle an der Klarastrasse erstellt. Hierfür wird die alte Waschanlage gegenüber der Tankstelle abgerissen und durch einen provisorischen Modulbau der Firma Blumer-Lehmann ersetzt. Die Baueingabe für dieses Projekt ist eben erst erfolgt.
Bietet das Provisorium genügend Platz für alle Mitarbeitenden des Arboner Standorts?
Die Mitarbeitenden des Vertriebsteams bleiben alle in Arbon. Teile der vertriebsunterstützenden Mitarbeiter ziehen während der Bauphase nach Steinach.
Die Eckdaten zum Neubau der Raiffeisen
Seit heute Freitag, 26. Januar, liegt das Baugesuch der Raiffeisenbank Regio Arbon auf der Bauverwaltung der Stadt Arbon auf. Geplant ist der Abriss des bestehenden Bankgebäudes sowie der Liegenschaft an der Alemannenstrasse 4. Über der gesamten Parzelle ist ein Neubau mit Wohn- und Gewerbeanteil geplant. Entlang der St. Gallerstrasse entsteht ein Baukörper mit drei Geschossen plus Attikageschoss. Das Erdgeschoss wird vollumfänglich für die neue Beraterbank der Raiffeisen genutzt. In den Obergeschossen sind Gewerberäumlichkeiten geplant, die sowohl fremdvermietet als auch in den Bankbetrieb eingebunden werden können. Neben dem Bankgebäude wird an der Alemannenstrasse ein im Sockelgeschoss verbundener Wohnbau mit elf Mietwohnungen realisiert. Die beiden Gebäudeteile sind durch eine gemeinsame Tiefgarage verbunden. Deren Erschliessung erfolgt über die Alemannenstrasse. Die Besucherparkplätze, die sich heute entlang der Alemannenstrasse befinden werden aufgehoben. Stattdessen werden in der Gasse zwischen Raiffeisen und «Pius Schäfler» neue Kurzzeit-Parkiermöglichkeiten bereitgestellt. Für den Neubau rechnet die Bank mit Investitionskosten von 17 bis 20 Mio. Franken. Darin sind auch die Kosten für bankbezogene Gerätschaften, Automaten, Installationen, Mobiliar sowie die Inbetriebnahme enthalten.