Baer gibt das Steuer aus der Hand
Kim Berenice GeserIm weitläufigen Foyer des Saurer Museums stehen neben den ausgestellten Motoren mehrere Festbänke. Dahinter sind im Regal mit den Souvenirs Miniaturen der grossen Saurer Fahrzeuge, Uhren und bestickte Handtücher aufgereiht. In der Luft hängt der unverkennbare Geruch von Diesel, alten Maschinen und einem «Klötzliboden», der die Geschichten der Vergangenheit regelrecht aufgesogen zu haben scheint. Am Tresen steht eine Gruppe älterer Männer. Einer von ihnen ist Ruedi Baer. Der Präsident des Oldtimer Club Saurer (OCS) löst sich aus der Gruppe und kommt mit seinem charakteristischen Strahlen auf den Besuch zu. «Willkommen im Saurer Museum!»
Mit Diesel im Herzen
Man setzt sich an einen der Festbänke. Kurz darauf gesellt sich Christoph Wolleb dazu. Der Zürcher Unterländer ist bereits seit einem Jahr Co-Präsident des OCS und wird am Samstag, 22. April, die Nachfolge von Ruedi Baer als Vereinspräsident antreten. Dieser gibt sein Amt nach 23 Jahren ab. «Ich bleibe Christoph zwar noch ein Jahr als Co-Präsident erhalten», erklärt Baer. Den Lead habe aber nun Wolleb. «Ich tuen lieber noch chli usbläterle», konstatiert der Museumsdirektor. «Usbläterle» – kann das der Mann, der federführend war für die Realisierung des neuen Saurer Museums im ZIK Areal und der den Drei-Millionen-Kauf der Presswerk-Liegenschaft von der HRS vorantrieb, um ein Depot für die überzähligen Fahrzeuge und Ersatzteile zu schaffen? Nun, mit 77 Jahren wird auch der umtriebige Chef des Saurer Museums ruhiger. Und bei seinem Nachfolger liege das Museum in besten Händen, ist sich Baer sicher.
Als langjähriger Unternehmensberater bringe Wolleb das nötige Know-how für die Führung mit. Fast noch wichtiger aber: «Er ist ein Diesliger», sagt Baer schmunzelnd. Wolleb nickt zustimmend: «Lastwagen haben mich von klein auf fasziniert.» Er zückt sein Handy und sucht ein Bild hervor, das ihn als kleinen Jungen schlafend im Kinderbett zeigt, die Hand auf einem Spielzeug-Lastwagen aus Holz. Heute hat der ursprünglich gelernte Maschinenmechaniker zehn Saurer Lastwagen zu Hause. Und warum will Wolleb nun in die grossen Fussstapfen von Ruedi Baer treten? Einerseits, weil ihm die Fahrzeugsszene am Herzen liege. Viel mehr aber noch, weil er ein Industriemensch sei. Mit dem Saurer Museum will er ein Stück Schweizer Industriegeschichte erhalten – ein rares noch dazu. Denn ein Firmenmuseum wie dasjenige von Saurer in Arbon hat in der Schweiz Seltenheitswert.
Ein Museum kriegt die Kurve
Dabei war es ein weiter Weg bis zum Museum, wie man es heute kennt. Ruedi Baer erinnert sich an seine Anfänge im Jahr 2000 zurück. Damals drohte der Oldtimer Club Saurer, der sich 1983 gegründet hatte, aufgrund interner Querelen fast auseinanderzubrechen. Ein Glück gelang es – auch dank dem damals neu gewählten Präsidenten – das Steuer wieder herumzureissen. Und mit der Wahl von Martin Klöti zum Stadtpräsidenten sei, so Baer, auch die Planung für ein neues Museum endlich in die Gänge gekommen. Denn sowohl die Stadt als auch die Firma Saurer selbst hätten es ihm zuvor nicht immer leicht gemacht. Als Beispiel erzählt Baer die Wegweiser-Anekdote: «Als wir den Wegweiser zum Museum anbringen wollten, durften wir nicht ‹Saurer Museum› schreiben.» Deshalb hiess es dann eben erst einmal OCS Museum. Baer schüttelt noch heute den Kopf darüber. Zu Recht. Denn inzwischen betreibt der Verein «das mit Abstand grösste Museum der Schweiz, welches ausschliesslich von Freiwilligen betrieben wird». Zu Beginn waren das noch zwölf Personen, heute sind es deren hundert. Ein Nachwuchsproblem kennt der OCS nicht. Auch Dank der immer älter werdenden Bevölkerung. «Unser Nachwuchs sind die Pensionäre», erklärt Baer augenzwinkernd. Wobei sie durchaus auch junge Mitglieder hätten. Allen gemein ist die Leidenschaft für die Sache. «Als Verein ein Museum zu betreiben, generiert eine ganz eigene Motivation», sagt Wolleb und Baer ergänzt: «Jeder, der hier mitarbeitet, tut dies, als wäre das Museum sein eigenes.» Das ist der Treibstoff, der den Erfolg des Saurer Museums und des OCS ausmacht und sich inzwischen auch in den Zahlen widerspiegelt. Von anfänglich 1000 ist die Besucherzahl inzwischen auf das Zehnfache angewachsen. Der Verein hat heute ein Budget von einer Viertelmillion und zählt 600 Mitglieder. Und Baers letzter grosser Streich: Seit 2023 erhält das privat geführte Museum jetzt auch endlich Betriebsunterstützung aus der kantonalen Kulturförderung. Damit mischt das kleine Museum am Arboner Seeufer mit den ganz grossen im Kanton mit.