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«Dänn heuet än Andere»

Eigentlich haben sie die Kirchgemeinde Arbon als Endstation ihrer beruflichen Karriere betrachtet. Doch nach knapp dreieinhalb Jahren im Amt zieht das Pfarrehepaar Andreas und Sabine Gäumann dennoch weiter, nach Bad Ragaz. Eine Entscheidung, die beiden schlaflose Nächte beschert hat.

Laura Gansner

Umzugskartons lehnen im Eingangsbereich des Pfarrhauses Lichtenberg an der Wand, Sabine Gäumann führt direkt in die Cafeteria im Anbau weiter: «Da ist es noch ein wenig gemütlicher.» Aufbruch liegt in der Luft, denn Gäumanns zügeln ihr Hab und Gut nächste Woche nach Bad Ragaz. Dasselbe Prozedere haben sie schon vor knapp vier Jahren auf sich genommen, als sie nach über 13 Jahren ihr Pfarramt in Steckborn niederlegten, um das Abenteuer Arbon im Oktober 2020 anzutreten. «Es war Zeit für eine Neuorientierung», erzählt Andreas Gäumann über den damaligen Beschluss für den Stellenwechsel. Arbon hätten sie damals als ihre letzte Station als Pfarrehepaar betrachtet. Doch es kam anders.

«Wir sind Pfarrer fürs Dorf»

«Es rumorte bereits seit letztem Januar in uns», erinnert sich Andreas Gäumann. Sie beide hätten sich nach zweieinhalb Jahren in Arbon – zu Beginn noch geprägt durch Restriktionen durch die Corona-Pandemie – zwar gut in ihre Stellen eingearbeitet, doch etwas stimmte für sie nicht. «Wir konnten am Anfang nicht wirklich verbalisieren, was uns bewegte.» Ein Ereignis im Mai habe dann als Katalysator gewirkt und ihnen die Augen geöffnet. «Wir haben bemerkt, dass wir eher Pfarrer fürs Dorf sind», so Sabine Gäumann. Beiden sei es wichtig, sich im gesamten Spektrum der Kirchenarbeit einzubringen und eine Beziehung zu möglichst vielen der Kirchgemeinde-Mitglieder aufzubauen. Beides sei in Arbon aufgrund der Grösse der Kirchgemeinde mit rund 3300 Mitgliedern und der daraus resultierenden Verteilung der Ressorts unter den angestellten Pfarrerinnen und Pfarrern nicht möglich. «Uns wurde bewusst: Wir können zwar klarkommen, aber so richtig glücklich werden wir hier nicht», fasst Sabine Gäumann zusammen. Nicht mehr an schulpflichtige Kinder gebunden – «ansonsten hätten wir diesen Entscheid nicht getroffen» – begannen sie ihre Suche nach einer neuen Stelle und wurden in Bad Ragaz fündig. Als Kritik an der Evangelischen Kirchgemeinde in Arbon sei ihr Abgang aber nicht zu verstehen.

Im Abschlussgottesdienst wurden Sabine und Andreas Gäumann (Mitte) von Martin Ballat, Co-Präsident der Kirchenvorsteherschaft, verabschiedet.
Im Abschlussgottesdienst wurden Sabine und Andreas Gäumann (Mitte) von Martin Ballat, Co-Präsident der Kirchenvorsteherschaft, verabschiedet.
© z.V.g.

Spuren hinterlassen

«Die Kirchgemeinde Arbon muss nichts anders machen», betont Sabine Gäumann. Die Frage nach der Arbeit in einem Pfarr-Team wie hier in Arbon oder in einem Einzel-Pfarramt, welches sich Gäumanns in Bad Ragaz teilen werden, sei lediglich eine Typfrage. Ausserdem hätten sie während ihrer Zeit in Arbon viele positive Begegnungen machen und Neues in Bewegung setzen dürfen, betonen Gäumanns. Andreas Gäumann brachte sich stark in der Weiterentwicklung des öffentlichen Auftritts der Evangelischen Kirchgemeinde ein, was in der Einführung einer neuen Webseite, eines überarbeiteten Logos sowie des neuen Kirchenmitteilungsblatts «Turmblick» resultierte. Ausserdem entwickelte er in ökumenischer Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche Arbon den «Kafi Zischtig», bei welchem Gemeinschaft ausserhalb der Kirchenräume im Fokus steht. Sabine Gäumann hat sich neben der Ausweitung des Angebots für Frauen stark in der Kinderarbeit eingebracht. Unter anderem stellte sie im vergangenen Jahr ein Kinder-Theaterprojekt auf die Beine. Der von ihr mitangestossene Kinderchor wird ihren Weggang als Zeugnis für ihren Einsatz überdauern. Es hätten sich auch noch weitere Chancen für Zusammenarbeiten in bestehenden Angeboten aufgetan, erzählt Sabine Gäumann: «Wir lassen Arbon deshalb auch mit einer gewissen Wehmut los.»

Vertrauen in die Zukunft Arbons

Zu erkennen, dass sie sich von Arbon verabschieden müssen, sei ein intensiver Prozess gewesen, begleitet von der Befürchtung, bei anderen mit ihrer Entscheidung für Stress und Unverständnis zu sorgen, berichtet Sabine Gäumann. Eine Aussage eines gemeinsamen Freundes habe ihr in dieser Zeit eine gewisse Ruhe über ihren Beschluss geschenkt. Dieser Freund, ein Bergbauer, sei mit der sorgenvollen Frage konfrontiert worden, wer denn nach ihm seinen Hof übernehmen werde, woraufhin er antwortete: «Dänn heuet än Andere.» Schlussendlich sei man im grossen Gefüge eben nicht so wichtig, wie man selbst ständig denkt, so Sabine Gäumann: «Am Ende gibt es für alles eine Lösung.» So auch für ihre Nachfolge. Bis die Kirchenvorsteherschaft diese geregelt hat, werden Pfarrer Lukas Mettler und Pfarrerin Marilene Hess in dieser Übergangsphase einen Grossteil der Arbeiten des Pfarrehepaars Gäumann übernehmen. Diese geben ihr Amt in Frieden ab, und mit Zuversicht für Arbon, wie Sabine Gäumann sagt: «Die Kirchgemeinde wird ihren Weg weitergehen, auch ohne uns.»

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