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Der Botschafter des Wildes

Eliane Widin und Renato Mariana gewannen 2023 als erste Arboner für ihren Betrieb Liebeswerkstatt die Auszeichnung Culinarium-König. Im Gespräch mit «felix.» zieht der Co-Inhaber ein Jahr später Bilanz und erklärt, warum es für die Akzeptanz von Wildprodukten noch mehr an Aufklärung bedarf.

Kim Berenice Geser

Renato Mariana, wie sieht Ihr Fazit ein Jahr nach dieser wichtigen Auszeichnung aus?

Sehr positiv. Für unser kleines Konzept war diese Auszeichnung ungemein wertvoll. Wir konnten unsere Bekanntheit steigern und neue Kontakte für die Verarbeitung und Abnahme unserer Produkte gewinnen. Ich habe aber auch einmal mehr festgestellt, dass es in unserer Branche noch viel Aufklärungsarbeit braucht.

Inwiefern?

Die Menschen sind sich nicht bewusst, welche wertvolle Naturressource Wild ist. Wir haben diese Tiere praktisch vor der Haustüre. Auch im Roggwiler Wald müssen laut kantonalen Vorgaben Rehe erlegt werden, um den Bestand zu kontrollieren.

Sie preisen Wild also als eine nachhaltige Fleischquelle an.

Absolut. Das Fleisch ist zu 100 Prozent naturbelassen; wird es hier erlegt, gibt es noch nicht einmal einen Transportweg und die Tiere erleiden bei ihrem Tod keinen Stress – sofern der Schuss des Jägers sitzt. Wenn man die Wahl hat zwischen einem heimischen Rehschnitzel oder einem Rindshuftsteak aus Uruguay und sich für das Fleisch aus Übersee entscheidet, muss man sich schon hinterfragen.

Die Wildjagd ist in der Schweiz stark reguliert. Sollte die Nachfrage nach besagtem Fleisch steigen, ergäbe sich zwangsläufig ein Engpass.

Wenn wir nur noch Wild essen würden, hätten wir ein Problem, richtig. In der Schweiz deckt das einheimische Wild bereits jetzt nur 15 Prozent des normalen Bedarfs. Aber da eine solche Kehrtwende kaum je der Fall sein wird, mache ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass Wildfleisch noch immer nicht das Ansehen geniesst, welches es verdient. Denn es ist nicht nur nachhaltig, sondern auch vielseitig einsetzbar und wir würdigen mit seinem Konsum nicht zuletzt auch die wichtige Arbeit der Jäger.

Sie sind selbst ein solcher. Warum gehen Sie diesem Hobby nach?

Ich jage seit 1997. Als ich angefangen habe, war ich 24. Damals war es wohl noch der Jagdtrieb, der mich gereizt hat. Das hat sich – wie wohl bei vielen Jägern – im Laufe der Jahre gewandelt. Heute geht es mir um die nachhaltige Beschaffung meiner Lebensmittel. Und nicht selten passiert es mir inzwischen, dass ich ein Tier auch einmal vorbeiziehen lasse, weil ich in seinen Anblick vertieft war.

Renato Mariana verkauft nicht nur Wild, er erlegt es auch. Seine Partnerin Eliane Widin, mit der er auch das gemeinsame Geschäft führt, begleitet ihn bisweilen.
Renato Mariana verkauft nicht nur Wild, er erlegt es auch. Seine Partnerin Eliane Widin, mit der er auch das gemeinsame Geschäft führt, begleitet ihn bisweilen.
© z.V.g.

Fleischkonsum polarisiert in der heutigen Gesellschaft. Haben Sie – nicht zuletzt durch die Steigerung Ihres Bekanntheitsgrades dank der Culinarium-Auszeichnung – in Ihrer beruflichen Tätigkeit auch negative Erfahrungen gemacht?

Meiner Erfahrung nach leuchtet auch Veganern der Nachhaltigkeitsaspekt des Wildfleisches ein. Denn was ist nachhaltiger: ein in Frankreich produziertes Produkt aus Erbsenprotein, das in der Schweiz überteuert angeboten wird oder ein Reh, das im Roggwiler Wald erlegt wurde? Deshalb, nein, ich habe diesbezüglich keine negativen Erfahrungen gemacht. Der einzige Wermutstropfen in meinem Amtsjahr ist wo anders zu finden.

Nämlich wo?

Bis heute warte ich vergeblich auf ein anerkennendes Zeichen seitens der Stadt. Dabei geht es mir noch nicht einmal um mich als Person, sondern um die Sache. Bis heute ging die renommierte Culinarium-Auszeichnung noch nie nach Arbon. Ich hätte mir gewünscht, dass ein entsprechender Erfolg auch von der Stadt gewürdigt wird. Das ist doch die beste Standortwerbung. Aber vielleicht muss ich erst den Nobelpreis gewinnen, um das Aufsehen der Stadt zu erregen.

Ist das Ihr nächstes Ziel?

(lacht) Nein, meine Partnerin Eliane Widin und ich träumen von einem kleinen Blockhaus mit Laden, einer offenen Küche für Kochkurse und im hinteren Bereich einer Annahmestelle für Wild. So dass wir Besuchenden den ganzen Kreislauf unserer Produkte auf einen Blick zeigen könnten. Aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik.

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