Die Bäckerei mit Biss
Kim Berenice Geser2500 traditionelle Bäckereien – so viele zählte der Verband Schweizer Bäcker-Confiseure SBC vor 25 Jahren. Heute sind es noch 1200. Weniger als die Hälfte. Oder anders gesagt: Seit dem Jahr 2000 musste in der Schweiz fast wöchentlich eine Bäckerei schliessen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von finanziellen Schwierigkeiten, über problematische Standorte bis zur fehlenden Nachfolge. Allen gemein ist die Konkurrenz durch die Grossverteiler und Tankstellenshops. Von all diesen Schwierigkeiten können auch Yolanda und Thomas Hackebeil ein Lied singen. Und wenn man ihren Laden an der St. Gallerstrasse in Arbon betritt, kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass auch er seine besten Zeiten gesehen hat. «Es sieht aus wie in einem alten Tante-Emma-Laden, stimmt’s?», fragt Yolanda Hackebeil lachend. Tatsächlich hätten sie das Geschäft vor drei Jahren renovieren wollen, «eine neue Theke, eine kleine Café-Ecke», erzählt sie. Doch dann gingen der Ofen und der Tiefkühler kaputt und die Investitionen flossen in die existenzsichernden Anschaffungen.
Einfallsreichtum ist gefragt
Bei Hackebeils lag das Geld nie auf der hohen Kante. «Unser Treuhänder hat uns in den ersten Jahren immer wieder gesagt: Hört auf!», erinnert sich der Bäckermeister. Für das Paar war dies aber keine Option, zumal es schon immer Thomas Hackebeils Wunsch gewesen war, seine eigene Bäckerei zu führen. «Die Alternative war also durchbeissen», sagt der ursprünglich aus Berlin Stammende. Eine Mentalität, die man auch als die Firmenphilosophie der Hackebeils bezeichnen könnte. Allerdings würde man ihnen damit nur bedingt gerecht. Denn statt die Zähne zusammenzubeissen, waren sie kreativ und stets auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. «Wir sind hier so ab vom Schuss, wir mussten uns von Anfang an etwas überlegen, um sichtbar zu werden», konstatiert der 56-Jährige.
«Wenn alles gut geht, machen wir das 13 Jahre»
So bauten sie zwei Jahre nach der Eröffnung im Jahr 1998 eine «Znüni-Tour» auf, bei der sie Unternehmen und Schulen am Vormittag mit Backwaren und Sandwiches beliefern. Später kam eine Mittagstour dazu, die durch die Covid-Pandemie an Auftrieb gewann, der sich bis heute hält. Ausserdem bestücken Hackebeils seit vielen Jahren Snack-Automaten in grösseren Firmen, liefern ihre Produkte an Restaurants, Alterssiedlungen und Vereine und sind fester Bestandteil des Arboner Wochenmarktes. «Nach fünf Jahren hatten wir es geschafft und standen auf festen Füssen», fasst die Inhaberin zusammen.
Berliner schaffen Legenden
Die Strategie der Hackebeils, sich auf mehrere Betriebszweige abzustützen, ging also auf und erweist sich noch heute als wichtiger Erfolgsfaktor. Sie erlaubt ihnen, äussere Einflüsse abzufedern. Einflüsse wie die Grossbaustelle an der St. Gallerstrasse, die noch diesen Herbst in Betrieb genommen werden soll. Die Sanierung wird die Zufahrt zum Laden massiv erschweren und Bäckereien, die morgens für den Kauf der «Gipfeli» nicht direkt angefahren werden können, bekommen das zu spüren. Das bestätigt auch Stefan Kölbener, dessen Betrieb in Horn während der zweijährigen Sanierung der Seestrasse rund 20 Prozent Umsatzeinbussen verzeichnen musste. «Ohne Parkplätze ginge es nicht.» Da das Ladenlokal bei Hackbeils «nur» knapp 30 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht, gehen sie davon aus, die Einschränkungen mit den übrigen Betriebszweigen vorübergehend kompensieren zu können.

«Schwieriger wird es, wenn die Mubea dann wirklich zumacht», sagt die 54-Jährige. Sie gehört zu einem der vier Standorte ihrer Snack-Automaten, von denen es zu Spitzenzeiten elf Stück gab. «Aber auch hier werden wir uns etwas einfallen lassen», fügt sie an. Das beste Beispiel dafür, dass es sich hier nicht um eine Floskel handelt, ist der legendäre Berliner-Verkauf der Hackebeils, der jeweils am 1. November stattfindet. Er steht sinnbildlich für das Gespür der beiden, Chancen zu erkennen und am Schopf zu packen. Nachdem sie einige Jahre in Folge beobachtet hatten, wie viel Volk an diesem Tag jeweils nach Arbon strömt, beschlossen sie, daraus etwas zu machen. Gestartet sind sie mit 400 Berlinern, gebacken nach einem Ur-Berliner-Originalrezept. Die Aktion schlug ein wie eine Bombe. Heute sind es bis zu 1800 Stück in 13 verschiedenen Sorten. Die Kundschaft reist teilweise extra für diesen Tag an und steht Schlange vor dem Laden. «Wenn alles gut geht, machen wir das noch 13 Jahre», hält Thomas Hackebeil fest. Mit «das» meint er nicht nur die Berliner, sondern den ganzen Betrieb. Für die Zukunft darüber hinaus malen die beiden allerdings ein anderes Bild. «Ich habe das Gefühl, nach uns gibt es hier keine Bäckerei mehr», schliesst Yolanda Hackebeil.
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Wirtschaftsbeilage 2025 erschienen.