«Die Generation Z gibt den Wandel vor»
Laura GansnerDaniel Bösch, der Generation Z eilt der Ruf voraus, faul zu sein. Nehmen Sie Ihre Lernenden so wahr?
Ich würde sie nicht als faul bezeichnen, sondern als anders. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die Generation Z an die Berufsschule kam.
Woran haben Sie das bemerkt?
Die waren nicht gleich wie die vorherige Generation. Ich glaube, das zeigt sich vor allem daran, wie sie auf einen zukommen und auftreten. Aber wir dürfen nicht schubladisieren. Das ist die grosse Gefahr, die es zu umschiffen gilt.
Wie gelingt das?
Indem wir uns als Schulleitung und Lehrpersonen bewusst mit der Generation Z auseinandersetzen. Wir führen spezifisch zu diesem Thema in diesem Schuljahr zwei schulinterne Weiterbildungstage durch. Es gilt, den Fokus darauf zu legen, was die Stärken und Herausforderungen der Generation Z sind, um sie richtig abzuholen und auf die Berufswelt vorbereiten zu können. Denn sie brauchen teilweise etwas anderes als die Generationen vor ihnen. Vor 30 Jahren hatte man einen Lernenden nach vier Wochen meist soweit, dass er im Betrieb funktionierte. Heute muss man allenfalls ein halbes Jahr investieren, um ihn an demselben Ort zu haben.
Was erschwert den Übergang in die Berufswelt für diese Generation?
Wir befinden uns in einer Zeit, in welcher die Volksschule sehr individualisiert arbeitet. Wenn ich die Berufe bei uns im Haus anschaue – Detailhandelsfachfrau/-mann, Logistiker/-in, Dentalassistent/-in und Medizinische Praxisassistent/-in – dann ist in der Berufswelt nicht viel Raum für Individualisierung vorhanden. Aufgaben sind an Fristen geknüpft, es herrscht Zeitdruck. Da interessiert es dann niemanden, ob man an diesem Tag gerade Lust auf eine spezifische Arbeit hat oder nicht. Dass die Lernenden da einen Moment brauchen, bis sie in dieser Welt angekommen sind, darf man nicht ausser Acht lassen.
Was braucht es von Seiten der Arbeitgebenden, damit der Übergang in die Arbeitswelt funktioniert?
An einem der letzten Symposien des OKB (Ostschweizer Kompetenzzentrum für Berufsbildung) wurde genau das thematisiert. Da standen Lernende auf der Bühne und sagten klar: Wir wünschen uns eine gute Beziehungsebene. Dass man sie wahrnimmt, ihnen zuhört, sie wertschätzt. Das ist bei uns an der Schule gleich: Wir bemühen uns zuzuhören und auf die Bedürfnisse wenn möglich einzugehen.
Gibt es da konkrete Resultate?
Zum Beispiel haben wir jetzt Unisex-Toiletten geschaffen, weil wir aktuell mehrere Lernende haben, die dieses Bedürfnis geäussert haben. Das lässt sich leicht auf Betriebe übertragen. Es gilt, sich zwischendurch Zeit zu nehmen und aktiv das Gegenüber wahrzunehmen.
Das hört sich nach einer nachvollziehbaren Forderung an. Weshalb eckt die Generation Z damit an?
Dafür muss man die Seite der Arbeitgebenden sehen. Der Druck in der Privatwirtschaft hat in den letzten Jahren enorm zugenommen, insbesondere für kleinere und mittlere Betriebe. Es gilt, genügend zu erwirtschaften, so dass die Löhne bezahlt werden können. Ständig spricht man von Optimierung und gleichzeitig vom Sparen von Ressourcen. Das können grosse Stressfaktoren sein. Dass da die Lernenden nicht immer an erster Stelle kommen, kann schon einmal passieren. Klar soll man Lernenden zuhören. Aber dafür muss man auch Zeit haben. Wir sind eine hochgetaktete Gesellschaft, die sich vielleicht mit diesem Anspruch der Generation Z beisst.
Teilweise wirkt es paradox: Die Generation Z wird darauf sensibilisiert, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Fordert sie diese im beruflichen Kontext ein, heisst es dann aber, dass sie zu viel will. Könnte die Wirtschaft in dieser Haltung nicht auch eine Chance für einen Wandel sehen?
Chance hin oder her, am Ende kommt es darauf an, wer am längeren Hebel sitzt. Und das sind angesichts des Fachkräftemangels eben nicht die Betriebe, sondern die Arbeitnehmenden. Spezifisch die Generation Z, welche die Lücken der Babyboomer füllen, welche diese bei ihrer Pensionierung hinterlassen. Damit gibt die Generation Z den Wandel klar vor: Sie wünschen sich Vorbilder und Inspiration, sie wollen mitdenken und gestalten. Wenn es einem Arbeitgeber gelingt, den Lernenden die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgaben aufzuzeigen und sie damit mit ins Boot holt, dann sind sie auch bereit, mehr zu leisten. Das ist meiner Meinung nach aber nichts Neues. Schon meine Generation wollte gefördert werden, aber vielleicht setzt sich die Generation Z bewusster für dieses Bedürfnis ein. Jene Arbeitgeber, die dies verstehen, haben weniger Mühe, genügend Fachkräfte zu finden.
Mit ins Boot holen müssen wiederum die Schulen die Erziehungsberechtigten. Das BZA versucht dies in diesem Jahr zum ersten Mal mit einem Begegnungsmorgen für die Eltern und Berufsbildenden aller Berufe, anstatt wie bisher berufsspezifische Elternabende abzuhalten. Wie hat die Generation Z die Zusammenarbeit der Schule mit den Eltern verändert?
Die Generation Z versteht es auf jeden Fall, ihre Eltern für ihre Ziele einzusetzen. Wenn bei uns zum Beispiel eine disziplinarische Massnahme gesprochen wird, dauert es meist nicht lange, bis wir die Eltern am Telefon haben. Es bleibt dabei aber im Kopf zu behalten: Die Generation Z wurde von der Generation vor ihr geformt. Die Veränderung hat also viel mehr mit der Generation der Eltern zu tun. Ich bin seit 16 Jahren an Berufsschulen tätig und das Ausmass, in welchem sich Eltern kritisch äussern und einbringen wollen, hat stark zugenommen. Ein solcher Begegnungsmorgen ist optimal dafür, weil man da gleich persönlich Themen anbringen kann, wenn einem etwas unter den Fingernägeln brennt.
Geformt von der Generation der Eltern: Können Sie ein Beispiel dafür machen?
Meine Generation – ich nehme mich da nicht hinaus – ist mitverantwortlich für den Umgang mit den ganzen Entwicklungen im Bereich der Sozialen Medien und der Digitalisierung. Mit dieser Welt, die die Jugendlichen jetzt ständig mit sich herumtragen, ist für die Generation Z die Kommunikation viel komplexer geworden. Ständig haben sie ihr persönliches Umfeld mit in der Hosentasche, sind immer erreichbar. Sie sind einer Dauerbeeinflussung ausgesetzt. Unsere Aufgabe ist es, sie davor zu schützen, ständig abgelenkt zu sein.
Wie gelingt das?
Wie alle anderen Schulen auch versuchen wir mittels vereinbarten Regeln den Umgang etwas zu steuern, Bewusstsein für die Ablenkungen zu schaffen. Der massvolle Umgang will gelernt sein.
Wie wirkt sich die Kommunikation über das Handy in der Arbeitswelt aus?
Die Form der Kommunikation der Generation Z ist tatsächlich eine ganz andere. Zum Beispiel werden viel eher Sprachnachrichten versendet, statt dass eine Nachricht geschrieben wird. Zudem können viele nicht mehr richtig telefonieren, das gehört nicht in ihr privates Gebrauchsrepertoire. Auch Gespräche von Auge zu Auge bereiten den Lernenden der Generation Z zunehmend Probleme. Sie sind diesen weniger ausgesetzt, müssen sich also auch weniger in solchen Situationen behaupten. Unterdessen ist in Gesprächssituationen oft eine Kamera dazwischen. Körpersprache, Mimik und Gestik muss man da nicht gleich einordnen wie bei einer persönlichen Begegnung.
Wie wird dies an der Berufsschule geübt?
Im handlungskompetenzorientierten Unterricht, welcher am BZA gepflegt wird, steht das selbständige Erarbeiten von Lerninhalten auf dem Programm. Dazu gehört auch das Erstellen von Präsentationen. Damit wird gezielt die Auftrittskompetenz geübt und verbessert.
Ich möchte zum Schluss auf das Beispiel des ständigen Optimierungszwangs in der Privatwirtschaft zurückkommen, welcher sich oft mit den Vorstellungen eines guten und gesunden Lebens der Generation Z beisst. Dieser Widerspruch beinhaltet die Möglichkeit anzuerkennen, dass ständiges Wachstum nicht nachhaltig ist; weder für den Menschen noch für die Umwelt. Könnte durch die Generation Z vielleicht der Arbeitsmarkt «gesünder» gestaltet werden?
(Atmet schwer aus) Das ist sehr gross gedacht. Wir haben uns ja an einen gewissen Wohlstand gewöhnt, der genau dieser Marktlogik der Verbesserung und Weiterentwicklung entspringt. Diesen Lebensstandard zu erhalten, ist uns enorm wichtig. Da nehme ich mich selbst nicht raus. Da müssten wir uns dann fragen: Sind wir bereit, das Opfer zu bringen, weniger zu haben?
Sind wir das?
Ich wäre mir da nicht sicher. Es wäre wohl eine «schöne» Welt, aber ich bezweifle, dass sie realistisch ist. Übertragen wir das Gedankenexperiment einmal auf Unternehmen: Wenn am Ende die Leistungen nicht stimmen, müssen die Tore geschlossen werden und dann verlieren alle. Für mich ist es ein Dilemma – diese Ansprüche der Generation Z an die Arbeitswelt und gleichzeitig unser aller Ansprüche auf Wohlstand. Ich weiss nicht, ob wir hier eine Lösung finden. Wir haben zuvor darüber diskutiert, was ein Betrieb dazu beitragen kann, die Arbeitsumstände den Anforderungen der Generation Z anzugleichen. Aber nicht nur der Betrieb muss etwas beitragen, die andere Seite eben auch.