Die vergessene Diva
Emilie Herzog, geboren 1859 in Ermatingen am Untersee, war eine Sängerin, die einst weltberühmt war, vor Königen und Kaisern sang und auf den grössten Opernbühnen Europas triumphierte. Doch heute erinnert sich kaum jemand an sie. Wie konnte es passieren, dass ihr Name in Vergessenheit geriet? Dass ihre Schallplatten nicht etwa in Museen oder Staatsarchiven landeten, sondern in einem Brocki in Kreuzlingen auftauchten? Den Sänger und Kurator des Museums Vinorama Ermatingen, Reto Knöpfel, liess diese Fragen nicht los. Mithilfe eines Stammbaums machte er sich auf Spurensuche – auf die Fährte einer Frau, deren Name einst in aller Munde war.
Ein schicksalhafter Anruf
Doch wie nähert man sich einer nahezu vergessenen Künstlerin? Reto Knöpfel begann seine Nachforschungen mit einem einfachen, aber entscheidenden Satz am Telefon: «Grüezi, sind Sie verwandt mit der berühmten Operndiva Emilie Herzog?» Nummer um Nummer wählte Knöpfel. Die meisten Gespräche waren kurz, man hielt ihn sogar für einen Enkeltrick-Betrüger. Doch dann nahm eine Frau ab und sagte überrascht: «Ja, das bin ich tatsächlich – und obwohl ich überhaupt nichts dafür kann, bin ich doch ein bisschen stolz darauf.» Er hatte sie gefunden: die Urenkelin von Emilie Herzog. Und mit ihr öffnete sich die Tür zu einer unglaublichen Geschichte. Es scheint fast, als hätte die Urenkelin geahnt, dass sich eines Tages jemand für das Leben ihrer Urgrossmutter interessieren würde. Sie hatte alles aufbewahrt: Kleider, Briefe, besondere Orden und Auszeichnungen, Konzertprogramme, Geschirr und Schmuck. Im Sommer 2023 überreichte sie Reto Knöpfel einen wahren Schatz: ein Archiv voller persönlicher Gegenstände und Dokumente. Besonders fasziniert war er von einer alten Agenda. Seite für Seite hatte Emilies Ehemann, der Musikwissenschaftler Heinrich Welti, darin minutiös jeden ihrer Auftritte vermerkt. Über 4000 Opernabende und Konzerte. Paris, Wien, Florenz, Hamburg, Moskau – Emilie Herzog stand auf den bedeutendsten Bühnen ihrer Zeit. Heinrich und später auch ihre Tochter begleiteten sie stets auf ihren Konzertreisen. In den Pausen brachte er ihr liebevolle Briefe, die mit «Mein liebes Schnüggeli» oder «Mein Herz» begannen und seine tiefe Unterstützung für Emilie als Sängerin und Frau widerspiegelten.
Emilie wird zum Lebensprojekt
Reto Knöpfel setzte seine intensiven Recherchen in internationalen Archiven fort, und das Projekt «Emilie Herzog» entwickelte sich schnell zu einem Lebensprojekt. Auch auf persönlicher Ebene wuchs eine enge Verbundenheit: Was als kurzes Telefongespräch begann, entwickelte sich zu einer herzlichen Freundschaft zwischen ihm und der Urenkelin. Diese wird diesen Sonntag, 23. Februar, im Rahmen der Konzertreihe Klassik im Schloss nach Arbon kommen und gemeinsam mit dem Publikum in die faszinierende Geschichte ihrer Urgrossmutter eintauchen. Den Konzertabend gestaltet Reto Knöpfel gemeinsam mit der Schauspielerin Astrid Keller, die aus Briefen und Zeitdokumenten liest, sowie der Arboner Sopranistin Alexa Vogel, die Emilie Herzogs Stimme wieder zum Leben erweckt, begleitet von Margareth Schicker-Looser am Klavier.
Tickets jetzt sichern
Der Konzertabend der besonderen Art findet um 17 Uhr im Landenbergsaal des Schlosses Arbon statt. Das Konzert war bereits zweimal ausverkauft und erntete grossartiges Echo. Es wird deshalb empfohlen, Tickets im Vorverkauf zu erwerben, um Enttäuschungen an der Abendkasse zu vermeiden. Der Eintritt kostet 25 Franken inklusive Apéro (10 Franken für alle unter 30 Jahren). Tickets gibt es online auf www.klassikimschloss.com oder in der Stadtbibliothek Arbon. Die Abendkasse ist ab 16 Uhr geöffnet. Während des Konzerts bietet der Familienverein Arbon eine kostenlose Kinderbetreuung an.
pd