«Ein Beitrag zur Gewaltprävention»
Laura GansnerWas steckt hinter «Champions»?
Michael Klingenstein: «Champions» ist ein Projekt vom Förderverein Bildung und Sport Schweiz. Kinder von der 4. bis 6. Klasse können jeweils am Mittwochnachmittag an einem Programm teilnehmen, welches von Jugendlichen aus der 2. und 3. Sekundarstufe geplant und durchgeführt wird. Dabei werden in einem ersten Teil gemeinsam Hausaufgaben gelöst, um danach gemeinsam Sport zu treiben. Dazwischen gibt es einen gesunden Zvieri, ebenfalls von den Jugendlichen organisiert.
Ramona Machac: Teilnehmen können die Kinder jeweils ohne Anmeldung. Die Jugendlichen – bei uns heissen sie Juniorcoaches – müssen deshalb besonders für den Sportteil ihr Programm flexibel gestalten. Denn die Anzahl der Kinder kann zwischen 30 und 60 Kindern schwanken.
Wie funktioniert der Rollenwechsel von Schüler zu Leiter für die Juniorcoaches?
Klingenstein: Grundsätzlich gelingt das gut. Sicher nicht allen gleich und auch nicht auf Anhieb. Es ist eben ein Prozess, in dem die Jugendlichen herausfinden müssen, wie sie anleiten können. Das ist ein wertvolles Lernfeld.
Konkret: Was lernen die Jugendlichen?
Klingenstein: Sie werden selbstbewusster. Mit der Zeit trauen sie sich auch mal «Stopp» zu sagen, ganz klar zu werden und sich durchzusetzen.
Machac: Und ganz praktisch: sich zu organisieren. So müssen an jedem Nachmittag die Aufgaben verteilt werden: Wer ist verantwortlich für die Hausaufgabenbetreuung, wer für den Sportteil, wer für den Zvieri? Gerade bei letzterem müssen die Jugendlichen gut koordinieren, damit um 14.15 Uhr dann auch die Verpflegung bereit steht.
Um «Juniorcoach» zu werden, müssen die Jugendlichen ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Welche Voraussetzungen müssen sie mitbringen?
Machac: An erster Stelle Motivation. Und Durchhaltevermögen. Schliesslich wird von ihnen erwartet, dass sie fast jeden Mittwochnachmittag während dem Projekt-Halbjahr vor Ort sind. Sie müssen also zuverlässig sein und sich engagieren wollen.
Die jetzigen Sekschülerinnen und -schüler gehören einer Generation an, der immer wieder fehlendes Engagement nachgesagt wird, gerade wenn es um die Übernahme von Verantwortung geht. Wie erleben Sie das?
Klingenstein: So eine Generalisierung finde ich schwierig. Es gibt immer solche, die nicht wollen und solche, die wollen, in jeder Generation. Was auf jeden Fall Fakt ist: Die Projektvorstellung an der Sekundarschule Stacherholz ist bei vielen auf Interesse gestossen. Nicht alle haben sich dann zwar beworben, aber das muss ja auch nicht sein.
Machac: Ganz klar ist: Die Gruppe, die wir nun beisammen haben, ist sehr bemüht und engagiert.
Zurück zum Grundkonzept von «Champions»: Kostenlose Hausaufgabenbetreuung, gesunder Zvieri und Sport – Schwingt dabei auch der Gedanke mit, Kinder anzusprechen, die aus sozial schwachen Verhältnissen kommen?
Klingenstein: Ziel von «Champions» ist es auf jeden Fall, ein möglichst niederschwelliges Angebot für eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu bieten. In der Kombination mit Hausaufgaben und einem gesunden Zvieri ist Sport für viele ein grosser Motivator. Aber das Angebot spricht dabei nicht spezifisch Kinder aus den von ihnen benannten Verhältnissen an. Dementsprechend ist unsere Gruppe sehr durchmischt – vom schulischen Niveau bis hin zur Herkunftsfamilie.
Machac: Aus meiner Perspektive der Schulsozialarbeiterin der Primarschule fällt mir besonders die Durchmischung der Klassen positiv auf.
Weshalb?
Machac: Meistens verkehren die Kinder mit den Mitschülerinnen und Mitschülern aus ihren Klassen. Verbindungen entstehen innerhalb des eigenen Klassenverbands. Mit «Champions» kommen die Teilnehmenden nun auch mit Kindern aus anderen Klassen in Kontakt. Es werden Freundschaften über die Klassengrenzen hinweg geknüpft.
Klingenstein: Das hat einen deutlichen Mehrwert für die gesamte Schule. Das Stacherholz ist die einzige Arboner Schule, auf deren Areal sowohl Primar- als auch Sekundarschule liegen. Das kann auch zu Spannungen zwischen den Schülerinnen und Schülern führen. Durch «Champions» kennen sich aber immer mehr der Kinder und Jugendlichen. Und was man kennt, ist bekannterweise weniger bedrohlich. Es ermöglicht einen respektvolleren Umgang miteinander. Auf den Punkt gebracht leistet das Projekt einen Beitrag zur Gewaltprävention. Die Durchmischung hat aber noch einen weiteren Vorteil.
Der wäre?
Klingenstein: Für mich sind die Teilnehmenden der 4. bis 6. Klasse immer schon zukünftige Sekschülerinnen und Sekschüler. Diejenigen, welche später in das Sekundarschulzentrum Stacherholz eingeteilt werden, kennen mich also bei ihrem Übertritt bereits als Schulsozialarbeiter der Sekundarschule. Damit sinkt die Hürde, auf mich zuzukommen, wenn sie meine Hilfe in Anspruch nehmen wollen.
Machac: Die Kinder bekommen einen neuen Zugang zu uns, Berührungsängste fallen weg. Seit Projektbeginn geschieht es immer wieder, dass Kinder mit ihren Fragen auf mich zukommen, auf dem Pausenplatz oder auch während den Champions-Nachmittagen.
Sie sprechen von einem veränderten Klima der Schülerinnen und Schüler untereinander. Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Lehrpersonen?
Machac: Grundsätzlich positive. Wir hören oft, dass Eltern das Angebot schätzen, da die Kinder einen Ort haben, an dem sie bei ihren Hausaufgaben unterstützt werden.
Klingenstein: Ausserdem hat das Angebot tatsächlich den Nebeneffekt, dass die Kinder teilweise auf die Lehrpersonen zugehen und mehr Hausaufgaben verlangen, so dass sie am Mittwochnachmittag auch bestimmt etwas zu tun haben.
Sie beide sind die Standortleitenden von «Champions» am Stacherholz. Was ist Ihr persönliches Hauptanliegen für die Teilnehmenden?
Machac: Dass sich die Primarschülerinnen und -schüler wohlfühlen. Dies bestätigt sich für mich in der sich eingependelten Zahl von rund 30 teilnehmenden Kindern.
Klingenstein: Darf ich auch mehr als eines nennen? (lacht) Das Ganze hat nämlich verschiedene Ebenen. Für mich ist auf jeden Fall ein grosses Ziel erreicht, wenn ich sehe, wie die Jugendlichen, die Juniorcoaches, einen Schritt in ihrer Entwicklung machen können. Das kann bedeuten, dass sie durch ihr Engagement bei «Champions» in ihrer Berufswahl zielstrebiger und selbstbewusster werden oder auch einfach, dass sie sich zutrauen, Verantwortung zu übernehmen. Denn das Schöne an dem Projekt ist, dass die Jugendlichen sich ausserhalb der schulischen Fächer wahrnehmen können.
Welchen Vorteil hat das für die Jugendlichen?
Klingenstein: Mag sein, dass der eine oder die andere vielleicht nicht so stark ist in den Fächern Mathematik oder Deutsch. Ganz praktisch zu erleben, dass man andere Stärken hat wie Organisation oder Gruppenleitung, ist ungeheim wertvoll für den und die Einzelne.
«Champions» will niederschwellige Förderung
Mit «Champions» will der Förderverein Bildung und Sport an schulfreien Nachmittagen ein niederschwelliges Angebot für Kinder und Jugendliche anbieten. Das Projekt ist jeweils auf das Winterhalbjahr beschränkt und erfolgt in Zusammenarbeit mit den Schulen, wie Rahel Bosshard erzählt. Die Regionalleiterin Ostschweiz erklärt, dass der Förderverein die Schulen dabei nicht nur mit Material, Know-how und Austauschmöglichkeiten zwischen den Standortleitenden ausstattet. Wo nötig werden die Schulen von «Champions» auch mit Förderbeiträgen finanziell unterstützt. «Ziel ist es jedoch, dass auf eine Eigenfinanzierung umgestellt wird», erklärt Bosshard.