Ein langer Atem und ein wenig Fatalismus
Laura Gansner«Da wird gerade rund 200 Meter in die Tiefe gebohrt.» Rolf Bressan deutet auf den blau lackierten Erdsondenbohrer hinter sich, an dessen Schaltzentrale ein Bauarbeiter konzentriert die Rotation des langsam in die Erde hinabsinkenden Rohrs beobachtet. Rolf Bressan ist Geschäftsführer der Bressan Baut AG, welche sich 2001 von der Immobilienfirma Hector Bressan AG in einem Firmensplit trennte. Die beiden Unternehmen arbeiten jedoch bis heute eng zusammen. So auch in der Planung und Ausführung der Überbauung Seemoosholz. Die Baubewilligung für die zweite Bauetappe flatterte bei der Grundstückbesitzerin Hector Bressan AG Mitte November ins Haus. Kurz darauf stand bereits der Erdsondenbohrer auf dem Platz, um für die zukünftige Beheizung der entstehenden Überbauung zwölf Erdsonden zu verlegen. Die Bauarbeiten starteten später als vom Unternehmen angepeilt, denn die Baubewilligung für das Mitte Februar eingereichte Baugesuch liess auf sich warten. «Die neunmonatige Bearbeitungszeit hat nichts mit der Komplexität des Baugesuchs zu tun», ist sich Rolf Bressan sicher. Die Stadt sei schlicht mit der Arbeit nicht nachgekommen, da sie wohl nicht vom Fachkräftemangel verschont geblieben sei. Ausserdem müsse man sich bei einem Baugesuch dieses Umfangs – die Unterlagen wurden als Paket und nicht als Brief versendet – unterdessen durch einen «dichten Dschungel» an Gesetzen kämpfen, so Bressan. Die Verzögerung scheint er jedoch gelassen zu nehmen, ist er sich doch das Abwarten insbesondere bei diesem Projekt unterdessen mehr als gewohnt.
Stillstand in den Neunzigern
Wenn man den Erwerb des Geländes als Ausgangspunkt dieser Geschichte nimmt, muss man zurück ins Jahr 1958 reisen. Hector Bressan, damaliger Geschäftsführer der Hector Bressan AG, erwirbt in diesem Jahr die Parzelle 3424. Mehr als dreissig Jahre berührt er das Stück Land selbst nicht. Kurzzeitig verkauft er es sogar an die Kugellager Fabrik Arbon, nur um es wenige Jahre später wieder zurückzuerwerben. Einen Teil des Grundstücks gibt das Unternehmen Mitte der Achtzigerjahre aber endgültig ab: Bei einem Teilverkauf geht ein Teil der Parzelle an die Hotel Seegarten AG. Diese führt noch heute das Hotel Seegarten an der entsprechenden Stelle. Anfang der Neunzigerjahre entschlossen sich die Brüder Alex und Rolf Bressan, die unterdessen beide in das Geschäft ihres Vaters Hector Bressan eingestiegen waren, den Rest der Parzelle in einer ersten Etappe in Angriff zu nehmen. Dafür schreiben sie einen Architekturwettbewerb aus und küren einen Gewinner; nur um gleich darauf den Entscheid zu treffen, beim Projekt die Stopptaste zu drücken.
Neuer Plan in den Nullerjahren
«Die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in den Neunzigerjahren machte einen potenziellen Baustart nicht gerade attraktiv», erinnert sich Rolf Bressan. Doch ganz nach dem Motto «Aufgeschoben ist nicht aufgehoben» werden die Pläne für die erste Bauetappe 2011 wieder hervorgenommen. Aufgrund veränderter Umstände wird der Gestaltungsplan von 1992 angepasst und daraufhin bei der Gemeinde eingereicht. «Nach vielen Hürden und Umwegen wurde dieser schlussendlich 2018 vom Kanton genehmigt.» Rolf Bressan lehnt sich zurück und holt tief Luft, gerade so, als sei ihm die unausweichliche Frage auf seine Aussage schon klar: Welche Hürden und Umwege?
Eine zähe Angelegenheit
Man habe bei der Planung damals zwei Fehler gemacht, erklärt Rolf Bressan, «das nehmen wir definitiv auf unsere Kappe». Einerseits wurde der gesetzlich vorgeschriebene Waldabstand zum Simishölzli (mehr zur Eschenwelke im Simishölzli im Kasten unten) westlich der Parzelle nicht eingehalten; ein leicht zu korrigierender Fehler. Andererseits habe man nach dem alten Thurgauer Baugesetz ein Stockwerk zu hoch geplant. Bei der Revision des Planungs- und Baugesetzes 2013 fiel der entsprechende Artikel jedoch heraus, so dass das Stockwerk nach neuem Baurecht schlussendlich bleiben konnte. Der Hindernislauf dauerte mehrere Jahre, doch 2020 hielt die Hector Bressan AG dann die Baubewilligung für die 37 Wohnungen der ersten Bauetappe in der Hand. Anfang dieses Jahres konnten die Käuferinnen und Käufer ihre Wohnungen beziehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Planung der zweiten Etappe bereits in vollem Gange.
Fokus auf den Endspurt
Für die zweite von insgesamt drei Bauetappen wurde ein neuer Architekt engagiert, erzählt Rolf Bressan: «Die drei Wohneinheiten dürfen alle ein eigenes Gesicht haben.» Wie bereits in der ersten Etappe werden auch die 34 Wohnungen der zweiten Etappe im Baurecht verkauft. Zwölf der 3 1/2 bis 6 1/2 Zimmer Wohnungen sind zum jetzigen Zeitpunkt reserviert. Rolf Bressan ist zuversichtlich, dass sie alle Wohnungen verkaufen werden, bis diese einzugsbereit sind, «voraussichtlich in zwei Jahren». Nach dem Plan zur dritten Bauetappe gefragt, lacht Bressan. Damit müsse man erst anfangen, «zuerst wollen wir beim aktuellen Bau alles auf die Reihe bringen.» Wer nicht zuwartet, ist dafür die Neugut Immobilien und Verwaltungs AG, welche am südlichen Rand der Parzelle ebenfalls einen Teil zur Fertigstellung der Überbauung Seemoosholz beiträgt.
Mietwohnungen schon fast fertig
«Wir kennen unsere Grenzen», sagt Rolf Bressan. Deshalb habe sich die Hector Bressan AG dafür entschieden, den Bau der drei Wohnblöcke mit insgesamt 114 Mietwohnungen an der Seestrasse an das Generalunternehmen Neugut Immobilien und Verwaltungs AG aus Zürich zu vergeben. Die Bressan Baut AG will sich auf die Bauten jener Wohneinheiten des «Seemoosholz» an der Bahnlinie konzentrieren können. Die Neugut Immobilien und Verwaltungs AG begann Anfang 2022, ungefähr zeitgleich mit dem Baustart, mit der Vermietung der Wohnungen, welche unterdessen alle vergeben sind. Die Mieterinnen und Mieter im ersten der drei Blöcke sind bereits eingezogen. Langsam aber sicher kehrt Leben ein im «Seemoosholz». Wenn man so lange an einem Projekt dran sei, werde man mit der Zeit fatalistisch, reflektiert Rolf Bressan. «Man gewöhnt sich daran, immer auf einen nächsten Entscheid zu warten.» Wenn sie zum Beispiel jeweils wieder ein Baugesuch bei der Stadt eingereicht hätten, müssen sie das kurz vergessen und sich auf das Tagesgeschäft konzentrieren. «Dafür jubeln wir umso lauter, wenn eine positive Antwort einen neuen Schritt ermöglicht.»
Die letzte Hoffnung heisst Resistenzbildung
Seit Jahren macht ein Pilz den Eschen schweizweit zu schaffen. Auch das Arboner Simishölzli westlich des «Seemoosholz» ist davon betroffen, und das auffallend stark.
«Das hat mir im Herzen weh getan», erinnert sich Rolf Bressan an die Fällungen der Eschen beim Blick auf den ausgedünnten Wald, der direkt an die Überbauung Seemoosholz angrenzt. Die dabei entstandene Lichtung wird nicht die letzte sein. Laut dem zuständigen Revierförster Benjamin Suter wurden diese Woche erneute Fällungsarbeiten aufgenommen. Grund dafür ist das Eschentriebsterben, auch Eschenwelke genannt. Der dafür verantwortliche Pilz aus Ostasien wurde 2008 erstmals in einem Schweizer Wald entdeckt und beschäftigt seither landesweit die Forstwirtschaft. Während die Esche nach Angaben des Bundes 3,8 Prozent des Schweizerischen Landesforstinventars ausmacht, ist ihr Anteil im Simishölzli mit 80 Prozent verhältnismässig hoch. Dies habe vor allem mit den Beschaffenheiten des Bodens zu tun, erklärt Suter: «Die Esche mag den lehmigen Boden hier, weshalb sie in diesem Gebiet stets sehr konkurrenzstark war.» Unterdessen seien jedoch fast alle Bäume krank. Schätzungen zufolge bilden gerade einmal drei bis fünf Prozent eine Resilienz gegen die Krankheit. «Diese Bäume lassen wir in der Hoffnung auf natürliche Resistenzbildung stehen», betont Suter. Über die Waldesgrenzen hinaus Auch der Werkhof der Stadt Arbon muss immer wieder Fällungen vornehmen. Laut einer Medienmitteilung der Stadt Arbon wurden diesen Winter 18 Fällungen in öffentlichen Anlagen bewilligt. Damit liege man im Durchschnitt von circa 15 bis 20 Fällungen pro Jahr, wie die Umweltbeauftragte der Stadt, Monika Göldi, auf Nachfrage mitteilt. «Vereinzelt gab es Eschen, welche aufgrund des Eschentriebsterbens gefällt werden mussten», so Göldi. Andere Gründe für eine Fällung seien Stockfäulnis, Pilzbefall, Wipfeldürre, Verletzungen am Stamm oder an den Wurzeln, Sturmschäden, Bruchholzgefährdung, Dürre oder Totholzbildung. Dieses Jahr ist unter den 18 Fällungen ebenfalls eine Esche, welche dem Eschentriebsterben zum Opfer fiel. Die geringe Anzahl betroffener Bäume in öffentlichen Anlagen lasse sich damit erklären, dass der Pilz sich vor allem in Wäldern mit hohem Eschenbestandteil gut ausbreite, erklärt Göldi. Für die gefällten Bäume nimmt der Werkhof Ersatzpflanzungen vor. Im Simishölzli geschieht dies ebenfalls, nur dass hier in Anbetracht der Eschenwelke neu vor allem Stieleichen, Aspen und Erlen gepflanzt werden.