Ein Sanierungsprojekt unter Zeitdruck
Kim Berenice GeserParkplätze mit Gefahrenpotenzial, Lichtsignale an der Kapazitätsgrenze und ein Erscheinungsbild, das zu wünschen übrig lässt: Der Zustand der St. Gallerstrasse erfüllt längst nicht mehr die benötigten Anforderungen. Der Kanton Thurgau, in dessen Besitz sich die Kantonsstrasse befindet, sieht deshalb schon seit Jahren Handlungsbedarf (siehe Info-Box «Der Weg zur öffentlichen Projektauflage»). Inzwischen drängt auch die Zeit. Denn das Projekt zur Sanierung und Aufwertung der St. Gallerstrasse ist Bestandteil des Agglo-Programms 3. Generation. Um die in diesem Rahmen zur Verfügung stehenden Gelder abholen zu können, ist der Baustart bis Ende Jahr zwingend erforderlich. Und hier ist immerhin die Rede von einem Pauschalbetrag von 2,145 Mio. Franken bei budgetierten Gesamtkosten von 7,07 Mio. Franken (mehr dazu siehe Info-Box «Finanzierung»). «Wird das Projekt durch Einsprachen blockiert, sind die Bundesgelder ernsthaft gefährdet», hob Didi Feuerle gestern Donnerstagabend hervor. Der Zuständige Stadtrat informierte zusammen mit Vertretern des Kantons und des zuständigen Planungsbüros, der Wälli AG, die interessierte Bevölkerung im Seeparksaal über das geplante Sanierungsprojekt.
Der Weg zur öffentlichen Projektauflage
Bereits 2016 gab die Abteilung Planung und Verkehr des Tiefbauamts des Kantons Thurgau eine Potenzialanalyse in Auftrag. Untersucht wurde damals der Perimeter zwischen dem Webschiffkreisel und dem Knoten Sonnenhügelstrasse. Ziel der Studie war es, zu ermitteln, welcher Sanierungsbedarf besteht und welche Aufwertungsmassnahmen möglich wären. Fünf Jahre später erstellte der Kanton auf Basis der Potenzialanalyse und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Anspruchsgruppen bis 2023 ein Betriebs- und Gestaltungskonzept. Im Zuge dieser Projektierung wurde der Perimeter bis zur Querung des Faletürlibachs erweitert. Nachdem der Kanton Thurgau und die Stadt Arbon ihre jeweiligen Kreditanteile zur Finanzierung des Projekts 2024 genehmigt haben, wird dieses nun in drei Teilprojekten vom 31. Januar bis 19. Februar öffentlich aufgelegt. Damit es auch zu einer Kostenbeteiligung durch den Bund kommt – die Sanierung der St. Gallerstrasse ist Teil des Agglomerationsprogramms der 3. Generation – muss der Baustart der Sanierung zwingend bis Ende 2025 erfolgen.
Die Finanzierung
Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf 7,07 Mio. Franken. Diese setzen sich zusammen aus dem Anteil für die Sanierung der St. Gallerstrasse (dazu gehören Deckbelag/Oberbau, Strassenentwässerung, Beleuchtung, Mittelschutzinseln sowie behindertenkonforme Bushaltestellen) und dem Anteil an den Aufwertungsmassnahmen (Begrünung). Der Sanierungsanteil beträgt 5,8 Mio. Franken und macht 82 Prozent der gesamten Projektkosten aus. Die Gesamtkosten für die Aufwertung werden mit 1,27 Mio. Franken beziffert. An diesen wird sich der Bund voraussichtlich mit 2,145 Mio. Franken beteiligen (sofern der Baustart noch in diesem Jahr erfolgt). Was dazu führt, dass die Sanierungsmassnahmen zum Teil quersubventioniert werden. Unter dem Strich bleiben somit 5,27 Mio. Franken, die vom Kanton und der Stadt Arbon zu tragen sind. Letztere beteiligt sich netto mit 2,43 Mio. Franken am Projekt.
Verkaufsargument Parkplatz
Der Andrang hielt sich jedoch in Grenzen. Ob dies bedeutet, dass sich auch die Einsprachen nicht häufen werden, wird sich indes erst zeigen. Denn die geplanten Änderungen (siehe Info-Box «Massnahmen im Überblick») sind laut Aussage des Kantons zwar unumgänglich – beinhalten aber emotionalen Zündstoff und haben unter Umständen direkte Auswirkungen auf gewisse Gewerbeinhaber. Dazu zählt, nebst der prognostizierten zwei- bis dreijährigen Bauzeit, welche die direkte Zufahrt zu den Liegenschaften erschweren wird – vor allem die Streichung der Parkplätze. Auf der Fahrbahn stadteinwärts befinden sich Stand heute diverse Längsparkplätze. Diese erfüllen die inzwischen gültigen Anforderungen an die Verkehrssicherheit nicht mehr, müssen deshalb zwingend entfernt werden. Einzig vor der Bäckerei Lichtensteiger bleiben zwei Parkfelder bestehen. Für die übrigen Gewerbebetreibenden auf dieser Strassenseite bedeutet dies, dass sie einen wichtigen Standortvorteil verlieren, weil Kunden nicht mehr direkt vor dem Laden parken können. Kanton und Stadt sind sich dieser einschneidenden Massnahme bewusst. Man habe versucht, so viele Parkplätze wie möglich zu erhalten. Didi Feuerle betont in diesem Zusammenhang, dass aktuell der Parkplatz am Weiherweg saniert werde – inklusive einem Behindertenparkplatz – und die «Novaseta» über ein Parkhaus verfüge. Überdies werde es dereinst mit dem Bau des «Stadthofs» und der geplanten Überbauung auf dem Gestaltungsplan-Gebiet Kaisergarten in Geh-Distanz eine grosse Anzahl an Parkplätzen vorhanden sein. Und dann sind da ja noch die beiden Parzellen an der St. Gallerstrasse 31, welche die Stadt Arbon Ende 2024 für 1,1 Mio. Franken erworben hat, mit dem Hintergedanken, dort auf der freien Fläche bei Bedarf Parkplätze realisieren zu können. Nicht betroffen vom Parkplatz-Exodus sind die Liegenschaften auf der Strassenseite stadtauswärts Richtung Roggwil. Zumindest nicht jene im Perimeter zwischen Novasetakreisel und Falentürlibach. Zwischen Webschiff- und Novasetakreisel hingegen werden entlang beider Fahrstreifen die Längsparkplätze entfernt.
Bäume fallen, Bäume wachsen
Ebenfalls daran glauben müssen die Bäume an der St. Gallerstrasse. Dies weil es sich teilweise um nicht-heimische Arten handelt, aber auch, weil die Bäume, vor allem die Kastanien zwischen Bündnerhof und dem Abzweiger Sonnenhügelstrasse, ungünstig platziert sind und das Sichtfeld bei den diversen Einlenkern auf diesem Abschnitt stark beeinträchtigen. Dass dieser Eingriff in ein jahrelang gewachsenes Ökosystem die Gemüter bewegt, war absehbar. Die Thematik wurde, angereichert durch diverse Wortmeldungen aus dem Publikum, intensiv diskutiert. Raffaele Landi, Abteilungsleiter Planung und Verkehr des Kantons Thurgau, und Stefan Frei von der Wälli AG führten jedoch aus, dass die Bäume nicht nur ersetzt, sondern der Baumbestand auch ergänzt werde. Unter anderem ist eine intensive Begrünung zwischen Webschiff- und Novasetakreisel geplant. Dies sowohl links und rechts der Fahrbahn als auch auf dem Mittelstreifen. Entstehen soll dort dereinst eine Bepflanzung mit Allee-Charakter. Ebenfalls mit Bäumen bestückt wird der Webschiffkreisel, dies auch entlang des Trottoirs, das parallel zu den Geleisen verläuft.
Dass es Jahre dauern wird, bis ein Allee-Charakter gewachsen ist und die Neupflanzungen anfänglich durchaus enttäuschend wirken können, daraus macht Landi keinen Hehl. Er erklärt jedoch, dass die zu pflanzenden Bäume bereits von Beginn an eine gewisse Höhe haben müssen, da das Astwerk schon zur Pflanzung der Bäume höher als die höchsten Verkehrsteilnehmer, wie Lastwagen oder Busse sein muss. Folglich fallen die Neupflanzungen nicht gar so mickrig aus wie anderswo. Die intensive Begrünung der Strasse erfüllt zudem einen wichtigen Zweck, der über die Verschönerung des Strassenbildes und die Steigerung der Aufenthaltsqualität hinaus geht: Sie ist ein effektives Mittel, um in Hitzezeiten für Abkühlung zu sorgen.
Geduld gefordert
Ungeachtet dessen, ob einem die geplanten Massnahmen nun zusagen oder nicht, betont André Bucher, der das Projekt in leitender Funktion begleitet: «Wir müssen die Strasse sanieren.» Denn nicht nur Belag und Verkehrsführung sind veraltet, auch im Untergrund befinden sich diverse Werkleitungen, die saniert werden müssen. Die Kosten hierfür tragen zwar die verantwortlichen Werke, doch eine Koordination der Arbeiten ist mehr als nur sinnvoll. Didi Feuerle schliesst mit den Worten: «Wir bitten um Verständnis und Geduld. Das werden zwei, drei mühsame Jahre. Dafür haben wir nachher viele Jahre Freude daran.
Die Massnahmen im Überblick
Die Aufwertung und Sanierung der St. Gallerstrasse wird in drei Teilprojekte unterteilt. Mit den Arbeiten wird voraussichtlich beim Teilprojekt West begonnen. Es folgenden Mitte und Ost. Die zentralen Ziele des Gesamtprojekts sind, den Strassenkörper funktional und technisch wieder auf den neusten Stand zu bringen, die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden zu verbessern und das Ortsbild aufzuwerten. Die wichtigsten Massnahmen, um diese Ziele zu erreichen, sind nachfolgend zusammengefasst. Die Arbeiten erfolgen jeweils abwechselnd auf einem Fahrstreifen.
Teilprojekt West
Vom Faletürlibach bis zur Sonnenhügelstrasse
- Der Radstreifen wird beidseitig auf den heutigen Standard von 1,5 Metern verbreitert. Dies gilt für alle drei Teilabschnitte.
- Der Fussgängerstreifen neben der Avia-Tankstelle wird aufgehoben. Als Ersatz ist von der Bodmerallee her eine Fussgängerquerung mit Mittelinsel geplant.
- Die Haltestelle Wildpark wird auf Höhe de Sporthalle verschoben, weil am jetzigen Ort die Gegebenheiten nicht vorhanden sind, um die Haltestelle vorschriftsgemäss barrierefrei zu gestalten.
- An der Kreuzung Sonnenhügelstrasse wird das Lichtsignal und der Fussgängerstreifen auf Höhe Bäckerei Hackebeil entfernt.
- Es wird ein akustisch hochwirksamer Belag verbaut, der zur Geräuschreduktion beiträgt, dies gilt auch für den Abschnitt Mitte. Im Abschnitt Ost ist dies nicht möglich, weshalb das Tempo bereits auf 30 reduziert wurde, um den gleichen Effekt zu erzielen.
Teilprojekt Mitte
Von der Sonnenhügelstrasse bis zum Novasetakreisel
- Die Standard- wird durch eine Kernfahrbahn ohne Mittelstreifen ersetzt.
- Der Fussgängerstreifen auf Höhe Restaurant Weisses Schäfli wird mit einer Mittelinsel bestückt.
- Die Längsparkplätze stadteinwärts werden bis auf zwei (vor der Bäckerei Lichtensteiger) aufgehoben und die Bäume neu angeordnet.
- Auf Höhe Bündnerhof ist eine neue Haltestelle vorgesehen, ebenso im Teilabschnitt Ost vor dem Novasetakreisel Richtung Roggwil. In der Folge wird die Haltestelle an der Landquartstrasse stadtauswärts aufgehoben. Mit dieser Massnahme soll Rückstastau im Kreisel verhindert werden, wenn der Bus hält.
Teilprojekt Ost
Vom Novaseta- bis zum Webschiffkreisel
- Die Baumallee wird neu angeordnet und um eine Reihe im Mittelstreifen ergänzt.
- Der Fussgängerstreifen auf Höhe «Pius Schäfler» wird entfernt und das Lichtsignal an Knoten Klarastrasse erneuert.