Eine arrangierte Ehe – Teil 2
Kim Berenice GeserDer Grosse Rat hatte vier Kriterien für die Bildung Politischer Gemeinden im Kanton Thurgau zwischen 1990 und 2000. Sie mussten kulturell, geografisch und wirtschaftlich eine Einheit bilden; den raumplanerischen Anforderungen gerecht werden, leistungsfähig sein und bei ihrer Bildung die Bedürfnisse der Nachbargemeinden berücksichtigen. Gleich mehreren dieser Bedingungen kam in Frasnachts Kampf um seine Eigenständigkeit eine besondere Bedeutung zu.
Das fehlende Land
Frasnachts grosses Problem war die geografische Einheit. Diese bestand zwischen den Ortsteilen Frasnacht und Stachen schlicht nicht. Und es war klar: Wollte Frasnacht unabhängig von Arbon bleiben, musste eine Lösung her. 1994 wurde die Frasnachter Behörde deshalb bei der Gemeinde Roggwil vorstellig. Die Idee: Roggwil sollte den benötigten Boden zum Zusammenschluss der beiden Ortsteile an Frasnacht abtreten. Dieser umfasste das Gebiet Steineloh und Bühlhof. Das Problem: Frasnacht verfügte über keine Bodenreserven, die sie Roggwil im Gegenzug anbieten konnte. Und Roggwil hatte auch keinerlei Interesse daran, Teile des Gemeindegebiets an die Nachbarn abzugeben.
Wie aus einem Sitzungsprotokoll von März 1994 hervorgeht, schlug die Gemeinde Roggwil jedoch die Fusion mit Frasnacht vor. Ein Vorschlag, auf den Frasnacht nie einzutreten gedachte. Und so lehnte Roggwil auch bei erneuter Fürbitte im Mai 1996 eine Landabtretung ab. Dennoch reichte Frasnacht am 19. September 1996 sein Gesuch beim Kanton zur Bildung einer eigenständigen Politischen Gemeinde mit ebendiesem geplanten Gemeindegebiet ein. Nur wenige Tage bevor Arbons Gesuch zu einer Fusion mit Frasnacht einging. Aber man hatte nicht in den Jahren davor ein Gemeindehaus gebaut, das Elektrizitätswerk Frasnacht neu gegründet und in zwei Abstimmungen deutlich Nein zu einem Zusammenschluss mit Arbon gesagt, um jetzt aufzugeben.
Das Bauernopfer
Ohne das geografische Handicap hätte sich Frasnacht tatsächlich Chancen ausrechnen können. Am Ende half jedoch auch die Petition mit 61 Unterschriften von Anwohnern der Weiler Steineloh, Waldhof und Bühlhof nicht, die eine Entlassung aus der Gemeinde Roggwil forderte. Ebensowenig ein offener Brief von Walter Fröhlich, damaliger Gemeindevorsteher von Braunau, in dem er den Thurgauer Kantonsräten eine «undemokratische Vergewaltigung» vorwarf, sollten sie dem Zusammenschluss zustimmen. Am 5. März 1997 stimmte der Grosse Rat der Empfehlung der Kommission für eine Vereinigung der Munizipalgemeinde Arbon zu einer Politischen Gemeinde zu. Die Inkraftsetzung wurde auf den 1. Januar 1998 gelegt. Frasnacht zog den Entscheid bis vors Bundesgericht weiter, welches im November 1997 die Beschwerde abwies. Im Zuge der politischen und medialen Schlammschlacht rund um die Fusion wurde Christoph Tobler, Stadtammann von Arbon seit 1985 und Präsident der ständigen Kommission im Grossen Rat zur Gemeindereorganisation, bei den ersten Gesamterneuerungswahlen der Politischen Gemeinde Arbon 1999 abgewählt. Vor allem wegen eines grossen Nein-Stimmenanteils der Frasnachter Bevölkerung.