«Es harmoniert nicht»
Laura GansnerDie Sonne strahle über Roggwil, eröffnet Urs Koller den 197 Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern metaphorisch-euphorisch, die sich am Montagabend zur Gemeindeversammlung in der Mehrzweckhalle Freidorf versammelt haben. «Ein paar Wolkenfelder sind aber schon auch da», merkt Koller vor seiner Präsentation des Budgets 2024 an, durch welches er im Laufschritt führt. Zwar wird in der Diskussion danach der Betrag von 245 000 Franken für den öffentlichen Verkehr aufgrund der neu tagsüber bereits in Wittenbach endenden «Postauto»-Linie 200 und der neuen Linie 207 wegen deren Linienführung über die Hubgasse kritisiert. Doch das Budget mit einem Aufwand von 4,74 Mio. Franken und einem Ertrag von 4,49 Mio. Franken – sprich einem Minus von rund einer Viertelmillion Franken – sowie dem gleichbleibenden Steuerfuss von 44 Prozent wurde mit jeweils nur einer Gegenstimme angenommen. Dieses Geschäft konnte der Gemeinderat noch ins Trockene bringen, bevor die wirklich dunklen Wolken über dem Traktandum Farinoli-Haus aufzogen.
Gemeinderat drückt auf Pausetaste
Bereits vor der Gemeindeversammlung wurde bekannt, was das Amt für Denkmalpflege von einer Entlassung des Farinoli-Hauses aus dem Schutzplan hält: Nicht viel (siehe «felix.» Nr. 43). Zwar könne eine Entlassung durch ein Gutachten der kantonalen Denkmalpflege und unter Einbezug der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission angestrebt werden, doch Urs Koller legt dieses Vorgehen vorerst auf Eis: «Der Gemeinderat will kein neues Gutachten einholen, solange wir uns für kein konkretes Projekt entschieden haben.» Die Reaktion auf diese Aussage entlädt sich wie ein Gewitter über dem Gemeinderat. Als «sein schwärzester Tag in Roggwil» deklariert der ehemalige Gemeinderat Hansueli Walser diesen Montag, an dem sich der Gemeinderat gegen den Willen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ausspreche. In den darauffolgenden Voten wird klar, dass die Roggwilerinnen und Roggwiler dem Gemeinderat vor allem eines vorwerfen: ungenügende Umsetzung des Bürgerwillens.
Umstrittener Wortlaut
«Ich war erstaunt, wie schwach das Schreiben an den Kanton war», rügt Schuh-König Karl Müller den Gemeinderat. Dieser habe seiner Meinung nach die Abstimmung von vor einem Jahr nicht angemessen umgesetzt. Damals sprach sich eine Mehrheit der Stimmenden für einen Antrag von Peter Heinzelmann aus, demzufolge «der Gemeinderat die Entlassung des Farinoli-Hauses aus dem Schutzplan erwirken soll». So der Wortlaut im Protokoll zur Gemeindeversammlung im Dezember 2022. An genau diesem scheiden sich nun die Geister. Während Gemeinderat Markus Zürcher betont, dass sie vor einem Jahr die Aufgabe gefasst hätten, zu prüfen, ob eine Entlassung aus dem Schutzplan möglich wäre, verweist Heinzelmann darauf, dass es eben ein «Erwirken» und nicht ein «Prüfen» war, zu welchem der Gemeinderat aufgefordert wurde. Bevölkerung und Gemeinderat scheinen aneinander vorbeigeredet zu haben, oder wie Heinzelmann sagt: «Es harmoniert nicht.»
Ein Vorschuss an Vertrauen
Es sind zwar nicht nur kritische Stimmen, die sich am Montagabend zum Umgang mit dem Farinoli-Haus äussern, aber sie überwiegen deutlich. Nach gut einer Stunde – der Applaus, der zu Beginn noch auf die einzelnen Voten folgte, ist unterdessen Gemurmel gewichen – beendet Urs Koller die Diskussion um das Farinoli-Haus mit der Bitte um Vertrauen in das weitere Vorgehen des Gemeinderats. Man wolle im Februar einen Workshop mit der bereits bestehenden Kommission Zentrum Roggwil durchführen, so dass an der nächsten Gemeindeversammlung im Mai der Prozess für die Zentrumsentwicklung aufgezeigt werden könne. Welche Rolle das Farinoli-Haus dabei spielen wird, ist zur Zeit offen. Fest steht, dass laut Finanzplan 2025 bis 2029 erst im Jahr 2027 die nächste Investition von 3,5 Mio. Franken für die Zentrumsentwicklung vorgesehen ist.