«Ist falsch, die Planung zu schieben»
Laura Gansner«Wir sind dankbar, dass sich der Kanton durch die zeitnahe Bespielung des Areals mit Kunst-Events nach wie vor zur Stadt Arbon als Kultur- und Museumsstadt bekennt», verkündet der Arboner Stadtpräsident René Walther an einer Medienkonferenz des Kantons vergangene Woche. Diese Aussage trifft Walther in Bezug auf das geplante «Museum Werk2», welches zwar kommen soll – doch nicht wie geplant im Jahr 2028, sondern neu 2037. «Natürlich hätten wir das Museum gerne schon in fünf Jahren realisiert gesehen», betont Walther auf Nachfrage. Doch eine Verschiebung sei immer noch besser, als wenn der Kanton das Projekt für nichtig erklärt hätte. Ausserdem würde die Webmaschinenhalle nicht leer stehen. Anhand von Zwischennutzungen könne das zukünftige Konzept des «Themenhauses Museum Werk2» getestet werden (Siehe Kasten unten).
Der Kanton geht erste Aufwertungs-Schritte
Bis das «Museum Werk2» in der Webmaschinenhalle 2037 in Betrieb genommen werden kann, soll das Gebäude nicht in einen Dornröschen-Schlaf verfallen. Dafür soll ein Gestaltungswettbewerb, verschiedene Zwischennutzungen und die weitere Vermietung der Räumlichkeiten sorgen.
Der Kanton will bis zur Realisierung des neuen historischen Museums in Arbon nicht untätig bleiben. Als erste Massnahme soll eine Fläche von rund 400 Quadratmetern im ersten Obergeschoss der Webmaschinenhalle für eine Zwischennutzung ertüchtigt werden. Knapp eine Million Franken investiert der Kanton dafür in minimale bauliche Massnahmen. Der besagte Raum soll für eine flexible Nutzung von Ausstellungsprojekten und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Erster Gast wird die interkantonale Kunstausstellung «Heimspiel 2024» sein, welche von Mitte Dezember 2024 bis Februar 2025 den Raum als Ausstellungsort nutzen wird. Danach soll vor allem im Frühling, Sommer und Herbst in der Webmaschinenhalle ausgestellt werden. Denn, wie Kantonsbaumeister Roland Ledergerber erklärt, der Raum bleibe bis zur Sanierung der Halle für das «Museum Werk2» weiterhin unbeheizt. «Die musealen Bedingungen sind ideal, das ist uns bewusst», weiss Philipp Kuhn, Leiter des Kulturamts Thurgau. Sie seien deshalb offen für unterschiedliche Nutzungen des Raumes: nicht nur Ausstellungen, auch Theater oder Musikanlässe seien vorstellbar. Während sich also im ersten Obergeschoss der Webmaschinenhalle die Nutzerinnen und Nutzer über die nächsten Jahre abwechseln werden, sollen die aktuellen Mieterinnen und Mieter bis zur Realisierung des «Museum Werk2» bleiben können, «sofern dies mit den Zwischennutzungen kompatibel ist», so Regierungsrat Dominik Diezi. Um die Webmaschinenhalle auch von aussen aufzuwerten, soll noch dieses Jahr ein Gestaltungswettbewerb stattfinden, mit welchem «eine künstlerische Intervention für eine Attraktivitätssteigerung sorgen soll», so Roland Ledergerber. Der Platz westlich der Webmaschinenhalle soll durch eine künstlerische Gestaltung zum Anziehungspunkt auf dem Areal werden. Das «Herzstück», wie Roland Ledergerber die Webmaschinenhalle nennt, soll auch als solches erkennbar sein.
Dass der Kanton nicht wie geplant mit den Museumsplänen fortfährt, wird an besagter Medienkonferenz von Regierungsrätin Monika Knill und Regierungsrat Dominik Diezi mit der düsteren Finanzlage des Kantons begründet. Ein Blick in die Finanzstrategie 2024–2030 des Regierungsrates zeigt: Die Situation ist nicht nur fremdverschuldet.
Der Finanzsegen hängt schief
Fakt ist: Im Jahr 2025 werden dem Kanton Thurgau aufgrund der prognostizierten ausbleibenden Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sowie des rückläufigen Betrags aus dem Neuen Finanzausgleich (NFA) des Bundes rund 200 Millionen Franken in der Staatskasse fehlen. Fakt ist auch: Die kantonale Steuerfusssenkung ab dem Jahr 2022 um 8 Prozent und die überdurchschnittlich hohen Investitionsvorhaben des Kantons tragen genauso zur Schieflage des Staatshaushaltes bei. An beiden Schrauben will der Kanton nun drehen, um die Finanzlage bis im Jahr 2030 wieder ins Lot zu bringen, heisst es in der Finanzstrategie des Kantons. Einerseits soll der Steuerfuss ab 2025 für mindestens sechs Jahre wieder um 8 Prozent angehoben werden, um jährliche Mehreinnahmen von rund 56 Millionen Franken zu generieren. Andererseits sollen Investitionsvorhaben zeitlich und inhaltlich priorisiert werden. Nettoinvestitionen sollen ab 2027 auf 60 Mio. Franken pro Jahr reduziert werden. Grossprojekte können deshalb nur in Teilen oder etappenweise realisiert werden. Denn während der Kanton in den letzten Jahren vor allem mit der Planung neuer Projekte wie Schulen, dem Kantonalgefängnis oder eben dem neuen Museum in Arbon beschäftigt war, liegen diese nun alle etwa zeitgleich zur Realisierung vor. Dass das «Museum Werk2» – die Investitionssumme wird laut Kantonsbaumeister Roland Ledergerber auf 40 bis 45 Mio. Franken geschätzt – dabei hinten anstehen muss, löst gemischte Reaktionen aus.
Enttäuschung trifft Verständnis
Rolf Müller, Geschäftsleiter Thurgau Tourismus, blickt besorgt auf den Entscheid des Kantons. Er arbeitete als Experte an der Machbarkeitsstudie zum «Museum Werk2» aus dem Jahr 2021 mit. Damals betonte er, dass der Thurgau ein gutes Angebot brauche, denn: «Es gibt keinen zufälligen Tourismus.» Mit dem neuen historischen Museum habe man an einem kantonalen Leuchtturm-Projekt gearbeitet. «Ein solch grosses, mutiges Projekt kann ein Signal in Richtung diverser Leistungsträger sein», erklärt Müller. Der Anreiz für Hotels und Gastronomieprojekte würde durch die Verschiebung des Projekts nun einen Dämpfer erhalten. Ausserdem sende die Zurückstellung von Kulturprojekten – von den Sparmassnahmen des Kantons sind auch das Kunstmuseum in der Kartause Ittingen, das Historische Museum in Frauenfeld und das Napoleonmuseum auf dem Arenenberg betroffen – keine aussichtsreiche Botschaft. Kulturvermittlung habe das Potential, Menschen in die Region zu bringen, «aber mit diesem Plan wird uns das vorerst nur bedingt gelingen.» Auch Samuel Struhs, Projektleiter der Standortförderung «Initiative Zukunft Arbon», hält die Verzögerung im Fahrplan des «Museums Werk2» für den Kultur- und Museumsstandort Arbon, vor allem aber auch für die Menschen in Arbon und der Region für «sehr bedauerlich». Angesichts der Finanzsituation des Kantons sei eine Beschleunigung des Projektes derzeit jedoch wenig realistisch. «Vor diesem Hintergrund schätzen wir das Engagement des Kantons, mit der geplanten Zwischennutzung bereits im laufenden Jahr eine spürbare Entwicklung in der Webmaschinenhalle zu ermöglichen.» Ähnlich zwiegespalten ist auch die Arboner Politik.
Kritik aus der Lokalpolitik
«Aufgeschoben ist nicht aufgehoben», kommentiert Matthias Schawalder, SVP-Fraktionspräsident im Arboner Stadtparlament den Entscheid des Kantons. Dem Regierungsrat des Kantons Thurgau sei zu danken, dass rechtzeitig die Sparschraube angezogen werde. Aus den anderen drei Fraktionen weht dem Kanton hingegen Kritik entgegen. Man bedaure den Entscheid des Kantons, so Köbi Auer, Fraktionspräsident SP/Grüne: «Wir können ihn aber auf Grund der Finanzlage des Kantons verstehen.» Mitte/EVP-Fraktionspräsident Reto Neuber wird derweil deutlicher: «Der Entscheid ist für den Standort Arbon, aber auch generell für den Oberthurgau als negativ zu werten.» In der Fraktion würde man grundsätzlich verstehen, dass man Projekte verschieben muss, aber: «Wir hätten erwartet, dass das Projekt um zwei bis drei Jahre verschoben wird und nicht gleich um fast zehn Jahre.» Auch FDP/XMV-Fraktionspräsident Cyrill Stadler findet klare Worte: «Es ist falsch, die Planung zu verschieben.» Damit werde der kantonale Finanzhaushalt nicht saniert, sondern lediglich die Entwicklung auf dem ehemaligen Saurer Werk Zwei Areal verzögert. Stadler verweist ausserdem auf einen weiteren Faktor, der für eine möglichst rasche Realisierung des Museums sprechen sollte: das fehlende Grossprojekt für den Bezirk Arbon aus den TKB-Millionen.
Erinnerung an ein Versprechen
Im Juni des vergangenen Jahres stimmte das Thurgauer Stimmvolk der Verteilung von 127,7 Mio.Franken aus dem Börsengang der Thurgauer Kantonalbank (TKB) auf 20 Projekte zu. Dabei erhielt jeder Bezirk im Kanton Thurgau ein Grossprojekt – bis auf den Bezirk Arbon. Dies, weil das Arboner Grossprojekt nach dem Willen des Grossen Rates das neue historische Museum sein soll, erinnert Daniel Eugster, FDP-Kantonsrat und ehemaliger Kommissionspräsident des «TKB-Chancenpaket». Da die Erstellung eines kantonalen Museums in den Aufgabenbereich des Kantons fällt und die Gelder der TKB bewusst nicht für Projekte verwendet werden sollen, die staatlich finanziert sind, wurde das Projekt «Museum Werk2» nicht in das Paket aufgenommen. «Mehrfach wurde im Prozess dieser Vorlage zur Verteilung der TKB-Millionen aber auf die Wichtigkeit der Realisierung des neuen historischen Museums hingewiesen und das Bekenntnis dafür von Rat und Regierung eingeholt», so Eugster. Es erstaune nun, dass die Regierung die Realisierung so weit hinausschieben will. «Was spricht dagegen, dass wir nicht wie vorgesehen die Planung weiterverfolgen und bis in drei Jahren ein abstimmungsreifes Projekt haben?», stellt Eugster die Frage in den Raum. Eine Investitionszuspitzung, erwidert Regierungsrat Dominik Diezi.
Alles auf einmal geht nicht
Würde der Kanton am bisherigen Zeitplan festhalten und den Projektwettbewerb für das «Museum Werk2» noch dieses Jahr durchführen, dann käme das Projekt zeitgleich mit zwei weiteren Grossprojekten in den Jahren 2027 und 2028 zur Abstimmung vor das Volk, erklärt Regierungsrat Diezi. Diese beiden Projekte sind die Erweiterung der Kantonsschule Romanshorn, welche auf 80 Mio. Franken geschätzt wird, sowie die Erweiterungen des Kantonalgefängnisses und des Kantonspolizeigebäudes in Frauenfeld, bei welchem der Kanton mit einer Investitionssumme von 200 Mio. Franken rechnet. Eine zeitgleiche Realisierung der drei Hochbauprojekte würde in den Folgejahren zu einer Investitionsspitze von gegen 70 Mio. Franken pro Jahr in den Jahren 2029 bis 2031 alleine für diese drei Grossprojekte führen, so Diezi. «Das ist für den Kanton nicht bezahlbar.» Daher setze der Kanton auf die zeitliche Staffelung der Projekte. Dass die Regierung derweil die Zusicherung eines kantonalen Museums in Arbon im Zuge der Verteilung der TKB-Millionen noch nicht vergessen hat, macht Diezi bereits an der Medienkonferenz klar: «Wir bekennen uns klar zu unserem Versprechen: Auch Arbon soll ein Grossprojekt erhalten.»