Mehr als ein moderner Ablasshandel
Kim Berenice GeserAuf dem Parkplatz reihen sich die E-Autos aneinander. Die Toilette wird mit Regenwasser gespühlt und der Strom kommt zu grossen Teilen von der hauseigenen PV-Anlage. Martin Mäder und Ivan Fust, die Inhaber der CE Concept Energy AG in Roggwil, legen Wert darauf, das, was sie den Kunden verkaufen, auch als Betrieb zu leben: Nachhaltigkeit. «Sonst wären wir nicht glaubwürdig», konstatiert Mäder. Ein wesentlicher Faktor, sind sie doch in einer Branche tätig, die in den letzten zwei Jahren aufgrund steigender Energiepreise und dem Ukrainekrieg einen enormen Aufschwung erfahren hat. Der Vorwurf, die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Entwicklungen zum eigenen finanziellen Vorteil zu nutzen, ist schnell zur Hand. Denn die Concept Energy AG steht exemplarisch für die florierende Wirtschaftslage im Bereich nachhaltiger Energieträger. Das junge Unternehmen, das im Bereich Planung, Beratung und Installation von PV-Anlagen, Batteriespeichern, E-Ladestationen und Energiemanagement-Systemen tätig ist, startete vor fünf Jahren als Zwei-Mann-Betrieb. Heute zählt die Firma 20 Mitarbeitende und ab Sommer 2024 wird «Concept Energy» zu den ersten Schweizer Betrieben gehören, welche die neue Lehrstelle Solarinstallateur/in EFZ anbietet. Doch Mäder und Fust waren schon lange vor ihrer Firmengründung in der Energiebranche tätig, in einer Zeit, als man «die Kunden noch vom Sinn einer PV-Anlage überzeugen musste». Für sie ist Nachhaltigkeit nicht nur ein Geschäftsmodell, sondern die gesamte Firmenphilosophie.
Reduzieren und kompensieren
«Wir sind bestrebt, unseren ökologischen Fussabdruck so gering als möglich zu halten», führt Ivan Fust aus. Konkret bedeutet das, dass die betrieblichen CO₂-Emissionen auf ein Minimum reduziert werden. Knapp 80 Prozent der Flottenfahrzeuge sind E-Fahrzeuge. «Wir haben noch drei Dieselfahrzeuge», listet Fust auf. Dies, weil es bei der Firmengründung vor fünf Jahren noch keine Montagefahrzeuge in der benötigten Grösse mit Elektroantrieb gab. Am Ende ihrer Lebensdauer werden sie durch E-Fahrzeuge ersetzt. Ausserdem achten die Inhaber auf eine penible Abfalltrennung. Aluminium, Kupfer, alle übrigen Metalle, Elektronik, Kunststoffe, PET, Glas, Sperrgut, Karton, Holz und Bauschutt, alles hat einen eigenen Container im Untergeschoss der ehemaligen «Lübra»-Liegenschaft. Was nicht reduziert werden kann, wird kompensiert. Dazu gehören die Gasheizung, welche in der Mietliegenschaft verbaut ist, Geschäftsreisen, die Arbeitswege und Verpflegung. «Im letzten Jahr hatten wir nicht vermeidbare CO₂-Emissionen von rund 40,7 Tonnen CO₂», führt Mäder aus. Diese Menge hat das Unternehmen mit Klimaschutzprojekten von «myClimate» zu je 50 Prozent im In- und Ausland kompensiert. Gesamthaft entspricht das einem Aufwand von 3638 Franken. «Damit ist unser Betrieb heute bereits CO₂-neutral», sagt Fust. Das dies tatsächlich nur auf dem Papier so ist, bestreiten die beiden nicht. «Ja, es ist ein moderner Ablasshandel», gibt Fust zu. Aber anders sei der Weg zu einem CO₂-neutralen Betrieb heute nicht möglich. «myClimate» sei ein vertrauensvoller Partner, begründen die beiden ihre Wahl. Hier wüssten sie, wo ihr Geld hinfliesst. Aktuell werde in der Schweiz beispielsweise ein Moorprojekt unterstützt und im Ausland der Ausbau erneuerbarer Energieträger gefördert.
Zurück in den Kreislauf
Was heraussticht: «Concept Energy» kompensiert ihre Produkte nicht. Dies erstaunt bei einem Betrieb, der sogar die CO₂-Emissionen der Mahlzeiten ihrer Angestellten kompensiert. Dies geschehe jedoch nicht willkürlich, holen die beiden zu einer Erklärung aus: PV-Anlagen produzieren während ihrer gut 25-jährigen Lebensdauer mehr grüne Energie als es graue benötigt, um sie herzustellen. «Bereits nach ein bis vier Jahren hat sich eine PV-Anlage mit der Energie, die sie generiert, quasi selbst kompensiert», sagt Mäder. Zudem seien die in PV-Anlagen verbauten Materialien weit weniger problematisch wie in anderen Energieträgern. Ein PV-Modul besteht zu 90 Prozent aus Glas, weitere Materialien sind Silizium, Metall und Verbundsfolien. Ein Grossteil hiervon kann am Ende der Lebensdauer wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. Die Recyclingkosten bezahlt der Kunde bereits mit dem Kauf der Anlage. Soll diese von Anfang an grüne Energie produzieren, so wäre es am Kunden, die zur Herstellung der Module benötigte graue Energie mittels eines Zertifikatskaufs zu kompensieren. Würde «Concept Energy» dies bereits beim Ankauf mit «myClimate» tun, so würde das eine komplette Aufschlüsselung der unterschiedlichen Herstellerdaten bedingen. «Das übersteigt unsere Ressourcen», sagt Fust. So kämen beispielsweise 70 Prozent der von «Concept Energy» verbauten Module aus Europa, «aber wir machen uns keine Illusionen, auch in diesen Modulen stammt der Grossteil der Elektronik aus China». Und am Ende des Tages seien sie Unternehmer. Ohne Wirtschaftlichkeit lasse sich Nachhaltigkeit nicht finanzieren.