Mehr als ein paar «Chübel» leeren
Laura GansnerWie an jedem Wochentag schreitet Jürg Manser an diesem Montag um sieben Uhr zur morgendlichen Begrüssung seiner Mitarbeitenden auf den Vorplatz des Werkhofs. Mit kurzen Anweisungen und einem «Ich wünsche euch einen schönen Tag» entlässt der Werkhof-Leiter seine Angestellten in ihre Aufgaben, die heute alle vom Grossanlass am vergangenen Wochenende geprägt sein werden. Nach vier Jahren hat erstmals wieder ein Seenachtsfest am Arboner Seeufer stattgefunden. Nun steht das grosse Aufräumen an: Zuvor aufgestellte Umleitungsschilder werden entfernt, zusätzlich angebrachte Abfalleimer eingesammelt und das beanspruchte Gelände wird einer Grundreinigung unterzogen. Für letzteres – konkret für die Leerung der Kübel und die Entfernung von herumliegendem Abfall – waren Werkhof-Mitarbeitende bereits am Wochenende im Einsatz, erklärt Manser. Die zusätzliche «Chübeltour» am Samstag und Sonntag ist während den Sommermonaten unabhängig von Grossveranstaltungen die Regel; im Winter reduziert sich die Dienstleistung auf den Sonntag.
«Dieses Wochenende dauerte die Tour am Samstagmorgen deutlich länger als jene am Sonntag», berichtet er. Denn während am Freitag noch die Sonne schien, war der Samstag verregnet. Dies wirke sich immer auf die Besucherzahl und damit auf den Arbeitsaufwand für den Werkhof aus. «Das Wetter merken wir immer», hält Manser fest und winkt Mitarbeiter Andreas «Res» Züllig herbei. «Übernimm du die Tour vom Bushof zum Hafen auf das Festgelände», weist er Züllig an, der sich sogleich mit seinem kleinen orangen Werkhof-Brückenwagen auf den Weg macht.
Weg der Schandflecken
«Das sieht ja ganz human aus», stellt Res Züllig mit einem Blick auf den Bushof Arbon überrascht fest. Kübel für Kübel fährt Züllig den betonierten Wartebereich des Bushofs ab und steigt bei jedem der drei Abfalleimer aus, um routiniert eine Abfolge von Handgriffen zu wiederholen: Er kippt den Inhalt der Abfallbehälter auf die Ladefläche, wirft die separat entsorgten Zigarettenstummel hinterher, setzt sich wieder in den Kleintransporter. «Guten Morgen», grüsst er eine vorbeigehende Bekannte freundlich, während er gleichzeitig ein paar einsam auf einer Wartebank herumstehende Flaschen und Becher einsammelt.
Als «ganz human» bezeichnet Züllig diesen Zustand, weil es hier nach Grossveranstaltungen auch schon ganz anders – sprich: zugemüllter – ausgesehen habe. «Wir nennen solche Orte Schandflecken», erklärt Züllig, während er den Wagen in Richtung Adolph Saurer Quai lenkt. Orte, an denen sich illegal entsorgter Abfall anhäuft. Besonders während Grossveranstaltungen sei die Strecke zwischen dem Gebiet des Bushofs und Bahnhofs und dem Festgelände am See prädestiniert dafür, solche Schandflecken entstehen zu lassen. Schliesslich gehen diese Strecke alle Besucherinnen und Besucher, die mit Bus oder Bahn an- und abreisen. Um das in Zahlen zu verdeutlichen: Das Seenachtsfest Arbon zählte vergangenes Wochenende rund 5000 Besuchende. Am Wochenende zuvor feierten rund 10 000 Personen an der Turnfestparty des Thurgauer Kantonalturnfests («tkt2024») am Arboner Seeufer, wo bereits eine Woche vorher 3500 Personen im «tkt2024»-Stil festeten. Dazwischen fand das Coop Kids Openair statt; nochmals 1200 Besucherinnen und Besucher lockte dies ans Arboner Seeufer «Da stehen schon häufig einige Becher und Flaschen zusammen und –» Res Züllig bricht seinen Satz ab. Er bleibt mit seinem Blick an einem Privatgrundstück am Quai hängen und hält den Wagen an.
Vandalen und Mülleimer
«Da hat jemand einen Mülleimer über den Zaun geschmissen», teilt Res Züllig seine Beobachtung. Dies sei dem Werkhof an diesem Morgen bereits gemeldet worden. Um den Tatort genauer zu inspizieren, nähert er sich dem hohen Gartenzaun, über welchen der blaue Mülleimer geflogen sein muss. Diese Art Mülleimer hat der Veranstalter für den Anlass beim Werkhof Arbon ausgeliehen, um für zusätzliche Entsorgungsstationen auf dem Weg zum Festgelände zu sorgen. Während Züllig die «Chübeltour» wieder aufnimmt – «den blauen Eimer holen wir zum Schluss, zuerst sind die öffentlichen Plätze dran» – erzählt er, dass das Arsenal an Ausleihmaterial vom Werkhof weitaus mehr umfasst.
Wie um seine Aussage zu bestätigen, fährt bei der Einfahrt auf das Festgelände ein Gabelstapler mit einer Ladung an Festbänken vor dem Werkhof-Wagen durch. «Die sind auch von uns, werden wohl gleich schon zurück gebracht.» Auf dem Werkhof verweilen sie aber nur kurz; während des Sommers sind die Festbänke Wochenende um Wochenende im Einsatz. Im Winter werden diese gewartet: «Dann schauen wir uns jede Schraube und Verstrebung ganz genau an», betont Jürg Manser. Auch der Werkhof-Leiter verschafft sich auf dem Festgelände eine Übersicht, wo es um 7.30 Uhr bereits geschäftig zu und her geht. Überall herrscht Abbruchstimmung. Dabei mischen sich Werkhof-Mitarbeitende mit Handwerkenden, die vom Veranstalter für den Abbruch und die Aufräumarbeiten eingestellt sind. Denn zuständig für die Reinigung des Festgeländes ist nicht in erster Linie der Werkhof.
Verantwortungsfragen
«Der Veranstalter muss der Stadt das Gelände sauber und in möglichst unversehrtem Zustand abgeben», erklärt Jürg Manser. Dazu verpflichten sich die Veranstaltenden jeweils mit einer Leistungsvereinbarung, für welche bei der Stadt der Bereich Freizeit/Sport/Liegenschaften (FSL) zuständig ist. Bestandteil davon sind unter anderem ein Abfallkonzept und eine fachgerechte Entsorgung. Die Pet-Kübel, Glas-Sammlung und Abfallsäcke, welche am Rande des Velowegs auf ihre Abholung warten, zeugen davon.
Daneben erstreckt sich die Wiese, welche stellenweise mehr Sumpfgebiet als Rasenfläche ist. «So schlimm habe ich den Zustand der Wiese in meinen 13 Jahren als Werkhof-Leiter noch nie gesehen», berichtet Manser. Dies sei der Kombination aus nassem Wetter und der nicht vorhandenen Regenerationszeit zwischen den letzten Veranstaltungen geschuldet. «Dass Schäden entstehen, ist bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar. Aber wenn diese fahrlässig entstehen, dann fordern wir die Veranstaltenden dafür nachträglich zur Kasse», erklärt Manser. Auch wenn für die Übergabe des Geländes in erster Linie die Abteilung FSL zuständig ist, so wird der Werkhof in der Rasenbeurteilung stets miteinbezogen. «Dort ist das fachliche Knowhow angesiedelt», erklärt Fabian Wilhelmsen, Abteilungsleiter FSL. Dieses Wissen wendet der Werkhof bei Veranstaltungen nicht nur beurteilend, sondern auch vorbeugend an.
Kübel um Kübel
Zu beobachten ist dies auf dem Spielplatz auf der Schlosswiese, wo einer der Werkhof-Mitarbeiter die Holz-Schwäne zurück an ihre Stammplätze am blauen Drehkarussell schraubt. Sofern der Spielplatz nicht grundsätzlich gesperrt ist, werden die Schwäne jeweils während Grossanlässen abmontiert, erklärt Jürg Manser: «Das macht uns insgesamt weniger Arbeit als wenn wir einen der Schwäne ersetzen müssten.»
Vorbeugend handelt der Werkhof auch bei den Blumenrabatten, welche von Sicherheitsgittern umzäunt sind. «Sonst laufen mir da nur welche querbeetein.» Solche, die Abfalleimer umkippen, Bänkli in den See werfen, randalieren, die gäbe es halt immer. «Aber sie machen stets nur einen kleinen Anteil der gesamten Menge aus», betont Manser. Meist sei Alkohol im Spiel. «Kraftmessungen» nennt er es, wenn wieder einmal irgendwer einen Dolendeckel in einem Schacht versenken oder eben einen Eimer über einen Gitterzaun schmeissen musste. Jener am Adolph Saurer Quai wurde bereits von einem Werkhof-Team weggeräumt, als Res Züllig nach seiner Tour wieder am Garten vorbei auf die Seepromenade einfährt. Seine Tour auf dem Festgelände ist zwar beendet. Die Arbeit ist damit keinesfalls getan, sondern geht auf dem restlichen Stadtgebiet weiter: Kübel für Kübel leeren, herumliegenden Abfall einsammeln, mit wie auch ohne Grossanlass.