Ohne Nachwuchs, keine Fachkräfte
Kim Berenice GeserMario Stäheli, nach sechs Durchführungen in St. Gallen findet dieses Jahr das erste Lehrstellenforum Bodensee statt. Wie kam es dazu?
Ein Angebot wie das Lehrstellenforum fehlt in der Bodensee-Region zwischen Rorschach und Romanshorn. Der Tübacher Gemeindepräsident Michael Götte, sowie Mitglieder des Arbeitgeber-Verbandes Rorschach und Umgebung und dem Gewerbe Tübach kamen deshalb mit der Frage auf mich zu, ob wir die Veranstaltung nicht auch hier in der Region lancieren könnten.
Offensichtlich mit Erfolg, wie die Anmeldezahlen belegen.
Unser Ziel waren 30 Teilnehmende. Nach nur einem Mailversand und einem Nachfassen hatten wir bereits 40 Ausstellende zusammen. Zum Vergleich: In St. Gallen sind es jeweils 50.
Hat Sie dieser Erfolg überrascht?
Ein wenig. Wir waren uns im Vorfeld unsicher, ob bei den örtlichen Betrieben das Interesse auch wirklich da ist. Wie sich herausstellt, füllen wir mit unserem Angebot aber offensichtlich eine Lücke. Wir haben bereits jetzt mehrere Gemeinden, die ihr Interesse als Austragungsort bei einer erneuten Durchführung bekundet haben.
Das scheint aber nicht für das ganze Einzugsgebiet der Messe zu gelten. Wirft man einen Blick ins Ausstellerverzeichnis, zeigt sich, dass nur ein Betrieb aus Arbon und Roggwil mit dabei ist. Woran liegt das?
Wir haben die örtlichen Gewerbevereine angefragt, ob sie nicht auch mitmachen wollen, mussten aber mit Bedauern feststellen, dass beim GTOB kein Interesse vorhanden war. Wir erhielten die Rückmeldung, dass man in Arbon und Roggwil bereits den Verein Triebwerk unterstütze, welcher den Berufswahlparcours organisiert. Man wolle nicht zweigleisig fahren, hiess es. Dabei wäre es uns gar nicht um eine finanzielle Beteiligung gegangen.
Worum dann?
Wir wollten das Netzwerk der örtlichen Gewerbevereine nutzen, um unseren Anlass bei den lokalen Lehrbetrieben bekannt zu machen. Denn wir hatten weder die zeitlichen noch die personellen Ressourcen, um alle Betriebe in der Region persönlich anzugehen. In den nahegelegenen Gemeinden ist uns das auch gelungen. Überdies unterstützt uns auch die Berufsmesse Thurgau. Sie stellte uns Auszüge aus ihrem Arbeitsheft zur Verfügung, mit welchen wir eine Arbeitsbroschüre gestalten konnten, die den Jugendlichen als Orientierungshilfe fürs Lehrstellenforum und für ihre zukünftige Ausrichtung dienen soll.
Sie sehen im Lehrstellenforum also keine Konkurrenz zu örtlichen Angeboten wie dem Berufswahlparcours?
Ganz im Gegenteil. Es ist eine Ergänzung. Denn wir sitzen alle im selben Boot: Ohne Nachwuchs, keine qualifizierten Fachkräfte. Das Lehrstellenforum ist eine Tischmesse, bei der sich Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Eltern über diverse Berufsbilder und Lehrbetriebe in der Region informieren können. Ausserdem können sie sich mit Lernenden dieser Betriebe direkt austauschen, sie nach ihren Erfahrungen und Herausforderungen fragen. Das ist am Berufswahlparcours oft nicht möglich, weil die Gruppen grösser sind und deshalb für den individuellen Austausch kaum Zeit vorhanden ist.
Aber haben Jugendliche mit dem Berufswahlparcours, Schnupperwochen, dem Internet und der OBA nicht bereits genügend BerufsInformationsplattformen?
Uns wird immer wieder die Frage gestellt, ob ein Besuch des Lehrstellenforums auch schon in der ersten Oberstufe sinnvoll ist. Unsere Antwort ist ein klares Ja. Es ist wichtig, dass Jugendliche sich aufgrund ihrer Interessen und Fähigkeiten unterschiedliche berufliche Perspektiven schaffen können. Dafür braucht es verschiedene Angebote und vor allem auch den direkten Austausch mit Vertretenden aus dem regionalen Gewerbe. Diesen ermöglichen wir am Lehrstellenforum und das niederschwelliger als an einer OBA. Ein Auftritt dort kostet mehrere tausend Franken. Das können sich heute nur noch grössere Firmen und Verbände leisten. Bei uns kostet ein Tisch 650 Franken und wir übernehmen damit die gesamte Organisation und die Werbung.
Das Lehrstellenforum ist also eine Messe fürs kleine Portemonnaie?
Absolut. Das war auch der Grundgedanke, als wir das Angebot damals in St. Gallen ins Leben riefen. Wir wollten dem lokalen Gewerbe unabhängig von der Firmengrösse eine Plattform bieten, um sich und seine Lehrberufe präsentieren zu können.
GTOB bedauert verpasste Chance
Angesichts des Fachkräftemangels erstaunt es, dass der GTOB kein Interesse am Lehrstellenforum geäussert haben soll. Tatsächlich sei diese Aussage auch nicht ganz korrekt, stellen die Verantwortlichen des GTOB klar. Es sei richtig, dass man keinen Sponsorenbeitrag sprechen wollte, da man den Berufswahlparcours finanziere und keine Doppelspurigkeit diesbezüglich wolle. Der Wunsch, das Netzwerk des GTOBs zu nutzen, um den Anlass bei dessen Mitgliedern publik zu machen, sei im Mailverkehr mit den Veranstaltern nicht deutlich geäussert worden. Das sei schade. Dagegen hätte man sich nicht gesträubt. Grundsätzlich verbreite man aber keine «Werbung» von anderen Organisationen/Unternehmen. Der GTOB bedauert die verpasste Chance und will bei einer erneuten Durchführung das Vorgehen noch einmal prüfen.