zum Inhalt springen

·

Zur Artikelübersicht

Ohne Raum droht das Aus

Woche für Woche profitieren von Armut betroffene Menschen aus der Region von der Arboner Lebensmittelabgabe tavola. Aktuell blicken dessen Verantwortliche aber in eine ungewisse Zukunft: Der Vertrag für ihre Räumlichkeiten läuft Ende Jahr aus.

Kim Berenice Geser

Jeden Freitag herrscht an der Romanshornerstrasse 44 reges Treiben. Morgens und mittags werden kistenweise Lebensmittel von der «Schweizer Tafel» angeliefert und nachmittags stehen die Menschen Schlange, um diese abzuholen. Organisiert wird die unter dem Namen tavola bekannte Lebensmittelabgabe seit 17 Jahren von den Frauen der SP Arbon. Seit fünf Jahren findet die wöchentliche Abgabe in den Räumen des ehemaligen Alters- und Pflegeheims der evangelischen Kirchgemeinde statt. Doch damit ist Ende Jahr Schluss. «Aufgrund des geplanten Umbaus hat uns die Genossenschaft Ziegelhütte den Vertrag für 2026 nicht verlängert», erklärt Rosmarie Topcu. Sie ist Teil des Kernteams der Arboner Lebensmittelabgabe, die zwar der SP angegliedert ist, jedoch als eigenständige Organisation fungiert.

Die Letzten halten die Stellung

Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen Michaela Hausammann und Bärbel Mangold sitzt Topcu an einem der grossen Tische im Erdgeschoss der Romanshornerstrasse, just der Raum, der wöchentlich als Abgabestelle dient. «Pro Freitag betreuen jeweils sechs Personen unseres 30-köpfigen Teams die Lebensmittelabgabe», berichtet Topcu. Während sie spricht, ist dumpf der Lärm der Baustelle hinter dem Haus hörbar. Dort ist die Baugrube längst den Rohbauten gewichen. Dereinst werden hier insgesamt vier Neubauten mit rund 72 Wohnungen stehen. In der ersten Etappe, die sich momentan im Bau befindet, werden drei Häuser mit 45 Wohnungen gebaut. Sie sollen im Sommer 2026 bezugsbereit sein. In der zweiten Etappe folgt der vierte Neubau sowie die Sanierung des ehemaligen Pflegeheims. Das Baugesuch dazu wurde im Juli 2025 eingereicht und ist zurzeit in Prüfung bei den Behörden. Damit rückt das Ende der Zwischennutzungen näher. Diese sollten einen zu lange andauernden Leerstand im Pflegeheim verhindern. Die Hauptmieterin ist schon ausgezogen. Die Peregrina-Stiftung, die das Wohnheim als Flüchtlingsunterkunft genutzt hatte, hat ihre Bewohnenden bereits anderweitig untergebracht. Aktuell nutzen also nur noch die «tavola» und das Hilfswerk HEKS einzelne Räume.

Michaela Hausammann, Rosmarie Topcu und Bärbel Mangold (v.l.) gehören zum Kernteam der Lebensmittelabgabe und kämpfen um deren Erhalt.
Michaela Hausammann, Rosmarie Topcu und Bärbel Mangold (v.l.) gehören zum Kernteam der Lebensmittelabgabe und kämpfen um deren Erhalt.
© Kim Berenice Geser

Viele Bedürfnisse, kleines Budget

«Für uns ist es leider gar nicht so einfach, einen Ersatz zu finden», sagt Michaela Hausammann. Seit Mai seien sie ununterbrochen auf der Suche nach neuen Räumen. «Wir haben diverse Institutionen, die Gemeinden, Kirchgemeinden, Firmen, Alterssiedlungen, Gewerkschaften und so weiter angeschrieben. Ausser Lob für unsere Arbeit – kein Ergebnis», führt Topcu aus und Bärbel Mangold ergänzt: «Es freut uns natürlich, dass wir so viel Wertschätzung für das Engagement erhalten. Aber um es fortführen zu können, brauchen wir mehr.» Mit mehr meint sie adäquate Räumlichkeiten, welche die nötigen Anforderungen erfüllen: Sie sollten rund 40 Quadratmeter gross sein, über fliessend Wasser, eine Heizung, ein WC und Platz für Kühlschränke und Lagerflächen verfügen. Zudem müssen sie das ganze Jahr freitags von 9 bis 18 Uhr freistehen, barrierefrei zugänglich sein – nicht nur wegen der Kundschaft, sondern auch wegen der Lebensmittel–Lieferungen und gut erreichbar sein. «Kosten darf es natürlich auch nichts», schliesst Hausammann die Aufzählung mit einem Seufzen ab. «Mehr als 2000 Franken pro Jahr können wir uns nicht leisten.» Die «tavola» verfügt lediglich über ein Jahresbudget von 6500 Franken. Darin ist alles enthalten: Miete, Versicherungen, Bürobedarf und die Entschädigung der Helfenden. Topcu betont mit Nachdruck: «Dieses Angebot ist für viele Menschen in der Region eine enorm wichtige Stütze.» 2024 wurden im Schnitt pro Freitag 218 Personen mit kleinstem Budget mit Lebensmitteln versorgt – und dabei unzählige Tonnen an einwandfreiem Essen gerettet, das sonst im Abfall landen würde.Das Team hofft nun, mit dem Aufruf in der Zeitung doch noch eine Lösung zu finden, die sich bisher nicht ergeben hat, denn die Alternative ist düster, weiss Topcu: «Finden wir keinen Raum, stirbt die tavola.»

Anzeigen