Ohne Wahl ins Amt
Kim Berenice GeserDie SP Arbon verzeichnet in der laufenden Legislatur so viele Abgänge wie keine andere Partei. Nach den Rücktritten von Irena Noci und Felix Heller im Mai 2024, folgte Ende Dezember der Rücktritt von Linda Heller; Ende Februar steht jener von Lukas Auer an. Damit musste die SP bereits in der Hälfte der laufenden Legislatur 50 Prozent ihrer Parlamentsmitglieder ersetzen. Und dieser Aderlass hat nun Folgen, denn inzwischen ist die Liste, mit welcher die SP zu den Gesamterneuerungswahlen 2023 antrat, ausgeschöpft. Dies obwohl sich darauf 18 Personen befanden. Doch von den verbliebenen vier potenziellen Nachrückenden lehnen drei das Parlamentsmandat und somit die Nachfolge von Lukas Auer ab. Die vierte Person ist inzwischen weggezogen. Womit sich eine Ausgangslage ergibt, wie sie das Arboner Stadtparlament in seiner über 20-jährigen Geschichte noch nie erlebt hat. Was sich auch daran zeigt, dass weder in der Gemeindeordnung noch im Geschäftsreglement des Stadtparlaments eine Regelung für diesen ausserordentlichen Fall zu finden ist. Was passiert also, wenn ein Parlamentssitz nicht mehr durch das Nachrücken von Listen-Kandidierenden besetzt werden kann?
Zweite Chance auf politisches Amt
Will man eine Antwort auf diese Frage, muss man auf kantonales beziehungsweise nationales Recht zurückgreifen. Darin ist zusammengefasst Folgendes festgehalten: Da es sich bei den Stadtparlamentswahlen um Proporzwahlen handelt, können die Unterzeichnenden der betreffenden Liste beziehungsweise der Vorstand der entsprechenden Partei – in diesem Falle jener der Ortspartei der SP Arbon – einen Wahlvorschlag einreichen. Dies hat die SP Arbon getan und schlägt als Nachfolger von Lukas Auer den 20-jährigen Elia Eccher vor.
Der Jungpolitiker ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst im vergangenen Jahr trat er im Rennen um den Sitz der ehemaligen Stadträtin Sandra Eichbaum an und holte im ersten Wahlgang 882 Stimmen. Damit lag der HSG-Student beinahe so deutlich vor Reto Gmür (BFA) wie hinter Jörg Zimmermann (SVP). Im zweiten Wahlgang zog er sich jedoch zurück als Reto Neuber (Die Mitte) seine Kandidatur bekannt gab und damit die Chancen Ecchers auf eine Wahl massiv verringerte. Sein Abschneiden im ersten Wahlgang bringt ihm nun allerdings ein Parlamentsmandat ein.
Partei-, nicht Kopfwahlen
«Nach Elia Ecchers Kandidatur als Stadtrat und seinem sehr guten Abschneiden war für uns klar, dass er erste Wahl ist für diesen Sitz», sagt Parteipräsident Felix Heller auf Anfrage. Sein gutes Ergebnis im Wahlkampf gäbe dem Jungpolitiker eine gewisse Legitimation und zeigt auf, dass er von einem breiten Teil der Bevölkerung gestützt werde. Dass Eccher nicht offiziell auf der Liste der SP aufgeführt war, ist für Heller kein Stein des Anstosses. «Parlamentswahlen sind keine Kopf-, sondern Proporzwahlen. Man wählt eine Partei und ihre Werte, nicht eine spezifische Person und Elia Eccher vertritt die Werte der SP.» Abschliessend fügt Heller an: «Ausserdem ist die Verjüngung unseres Parlaments natürlich immer gut.»
Eine irreführende Formulierung
In der Medienmitteilung der Stadt zum jüngsten Wechsel im Parlament, heisst es, der Stadtrat habe Elia Eccher als gewählt erklärt. Eine Formulierung, die dahingehend missverstanden werden kann, dass der Stadtrat Eccher gewählt hat. Dem ist jedoch nicht so. Parlamentsmitglieder sind Volksvertreter, der Stadtrat hat keine Befugnis, diese zu wählen. Die Formulierung basiert auf der Verordnung des Regierungsrates zum Gesetz über das Stimm- und Wahlrecht, wonach die Gemeindebehörde die nachrückende Person als gewählt zu erklären hat. Es handelt sich folglich um eine reine Formalität. Der Stadtrat hat keinen Einfluss auf die Wahlvorschläge und kann diese auch nicht ablehnen, sofern die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind.