Paukenschlag in Roggwil: Gemeindepräsident Urs Koller tritt zurück
Kim Berenice GeserManch einer staunte diesen Dienstag nicht schlecht, als die Nachricht von Urs Kollers Rücktritt die Runde machte. Quasi über Nacht legte der Gemeindepräsident von Roggwil nach nicht einmal eineinhalb Jahren im Amt per 31. Oktober sein Mandat nieder. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau hat den Rücktritt bereits genehmigt. Der plötzliche Entscheid Kollers, der sonst gerne als positiver Vermarkter der Gemeinde auftrat, gibt Anlass zu Fragen. Tatsächlich räumt der abgetretene Gemeindepräsident unumwunden gewisse Schwierigkeiten ein; angefangen bei der «herausfordernden Amtsübernahme» nach dem plötzlichen Tod seines Vorgängers Gallus Hasler, bis hin zur Doppelbelastung als Gemeindepräsident und Bauverwalter in Personalunion.
Bauexpertise ist gefragt
In der Gemeinde Roggwil liegt die Besonderheit vor, dass der Gemeindepräsident auch als Leiter der Bauverwaltung tätig ist. «Diese Strukturen sollten dringend überprüft werden», hält Koller im Gespräch mit «felix.» fest. Das zeigten auch die Ergebnisse einer umfassenden Organisationsanalyse der Gemeinde, welche der Gemeinderat initiiert hatte und deren Ergebnisse inzwischen vorliegen. «Auch hier rät man uns, diese Strukturen zu überdenken», so Koller.
Denn das Bauwesen wurde in den vergangenen Jahren immer komplexer und rechtlich anspruchsvoller. Wer, wie Koller, nicht vom Fach ist, sondern als Quereinsteiger in dieses Metier kommt, gerät schnell an seine Grenzen. So gibt denn Koller auch zu: «Ich komme aus dem Marketing, dem Vertrieb und Dienstleistungssektor, die Bauverwaltung habe ich schlicht unterschätzt.» Zwar werde die technische Prüfung der Baugesuche an eine externe Stelle vergeben, dennoch bleibe der Arbeitsaufwand und das benötigte Know-how gross; und trotz Weiterbildung in diesem Gebiet, sei das Bauwesen nicht zu seinem Steckenpferd geworden.
Zu wenig Geduld
«Wir sind auf der Roggwiler Gemeindeverwaltung personell eher dünn aufgestellt», so Koller. Das habe eine hohe Arbeitsbelastung für alle Beteiligten zur Folge. Was wiederum die Möglichkeiten zur strategischen Entwicklung begrenze. «Wenn die Arbeitsbelastung ohnehin hoch ist, lassen sich Mitarbeitende erfahrungsgemäss weniger auf Neuerungen ein.» Doch genau solche Neuerungen strebte der ehemalige CEO der Roggwiler Schuhmarke «kybun» an. Wie er anlässlich des Mediengesprächs zu seinen 100 Tagen im Amt im September 2023 verriet, hatte er die Absicht, die Strukturen der Gemeinde privatwirtschaftlicher zu organisieren.
Doch diese Bestrebungen stiessen nur bedingt auf Anklang. «Wie sich herausstellte, haben die Aufgabe und ich insgesamt zu wenig zusammengepasst.» Auf die Frage, ob er schlicht zu viel auf einmal wollte und dem Ganzen mehr Zeit hätte geben müssen, antwortet er: «Das ist durchaus möglich. Aber in dieser Hinsicht fehlt mir die Geduld, Pendenzen aufzuschieben.» Zumal der Umstand, dass er die Mitarbeitenden nur teilweise hatte abholen können, auf emotionaler Ebene für ihn zur Belastung wurde. Nach intensiven Gesprächen mit seiner Familie hätten deshalb all diese Überlegungen zum Schluss geführt, seinen Rücktritt zu geben. Wobei ihm wichtig sei, festzuhalten, dass es weder im Gemeinderat noch auf der Verwaltung zum «Krach» gekommen sei. «Wir gehen im Guten auseinander, wir waren einfach nicht für einander bestimmt.» Wohin es Urs Koller nun beruflich zieht, das steht derzeit noch nicht fest.
Fehler der Findungskommission?
«Wir hatten es immer gut im Gemeinderat», bestätigt Markus Zürcher, der nun zum zweiten Mal innert zwei Jahren interimistisch als Gemeindepräsident walten wird. Dennoch komme der Entscheid von Urs Koller für den Rat nicht unerwartet. Man habe um die Schwierigkeiten Kollers als Quereinsteiger gewusst und dessen Schritt habe sich abgezeichnet. «Für alle Parteien ist es deshalb gut, jetzt den Strich zu ziehen.» Erstaunt über den Rücktritt Kollers zeigt sich hingegen Daniel Eugster. Er präsidierte die Findungskommission, die Urs Koller damals aus drei potenziellen Kandidierenden auswählte. Auf die Frage, ob die Kommission es versäumt hatte, den Kandidaten eingehender zur prüfen beziehungsweise über seine Tätigkeit aufzuklären, antwortet Eugster: «Die Findungskommission hatte die Bewerbungen nach einem bewährten Prozess und mit ausgewiesener externer Fachexpertise geprüft.» Urs Koller habe alle Kriterien erfüllt und sowohl die Kommission als auch die Experten hätten ihm aufgrund seiner Qualifikationen das Amt als Gemeindepräsident zugetraut. Wie in der Privatwirtschaft gäbe es jedoch auch hier keine hundertprozentige Gewähr, dass eine Stellenbesetzung am Ende auch passe. Im Rücktritt Kollers sieht er aber auch eine Chance, die Strukturen des Gemeinderates zu überdenken. «Es wäre der ideale Zeitpunkt, um die Trennung von Präsidium und Bauverwaltung, aber auch Teilzeitmodelle zu prüfen.» Vorerst wird Markus Zürcher während der Vakanz die strategische Führung der Gemeinde übernehmen und Gemeindeschreiber Rico Schori die operative Leitung der Bauverwaltung. Wann es zur Ersatzwahl kommen wird, darüber will die Gemeinde zu einem späteren Zeitpunkt informieren.