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Sicherheit als Sündenbock

Mt der Schliessung des Fotoateliers «Bitte lächeln» ist die Arboner Altstadt um ein weiteres Geschäft ärmer. Die Inhaberin stellt die Sicherheit im Quartier infrage. Doch das Kernproblem ausbleibender Kundschaft scheint woanders zu liegen.

Laura Gansner

«Ich dachte, ich würde hier an eine belaufene Strasse ziehen», erinnert sich Ofelia Kaminski an ihren Geschäftsumzug in die Arboner Altstadt. Dass dem nicht so war, stellte sie schnell fest. Doch von vorne: Die Fotografin ist Anfang 2020 in die Altstadt gezogen und hat dort ihr Fotoatelier «Bitte lächeln» eröffnet. Zuvor führte sie dieses zehn Jahre lang in Gossau, damals noch mit drei Angestellten. Da Kaminski ihr Geschäft verkleinern wollte, machte sie sich auf die Suche nach etwas Neuem und verliebte sich dabei in das Haus an der Kapellgasse 5. Ihre Neueröffnung fiel jedoch auf den Ausbruch der Pandemie. «Das hat mich hart getroffen.» Eine ihrer Haupteinnahmequellen, Hochzeiten, fiel aus, genauso wie Messen, an denen Kaminski bisher ihre Arbeit hat vorstellen und neue Kundschaft akquirieren können. «Die Leute bekamen gar nicht richtig mit, dass ich neu in Arbon bin.» Zwei Jahre lang hielt sie sich mit Erwerbsersatzentschädigung und einzelnen Aufträgen über Wasser, bis sie einsehen musste: Eine neue Lösung muss her.

«Die Altstadt ist tot»

2022 entschied sich Kaminski zusätzlich als Fotografin bei einer Modell-Agentur zurück ins Angestellten-Verhältnis zu gehen. «Die Arbeit hat mir Spass gemacht, aber ich konnte so natürlich immer weniger in mein eigenes Geschäft investieren.» So wenig, dass sie Anfang dieses Jahres Konkurs anmelden musste. In Zukunft wird sie unter dem Namen «Ofelia Fotografie» weiterhin Portraitaufnahmen und Hochzeitsfotografie anbieten, aber ihr Geschäft in der Altstadt bleibt geschlossen. Kaminski sieht jedoch die Pandemie und deren Nachwehen nicht als alleinigen Grund für das Ende ihrer GmbH. «Die Altstadt ist tot, das muss ich einfach mal so sagen.» Die erhoffte Laufkundschaft blieb aus, so zog auch ihr Schaufenster keine Neukunden an. Es fehle der Arboner Altstadt an Attraktivität, resümiert sie. «Nichts zieht die Leute hierhin.» Mit einer Ausnahme: den Bars. «In den Abendstunden hat es hier viele Betrunkene, es wird oft herumgeschrien, ab und zu fliegen Flaschen.» Auch Schlägereien habe sie schon miterlebt, selbst ein Einbruch ins eigene Geschäft musste sie hinnehmen. «Kein Wunder, wird hier nicht flaniert.» Bei einer Nachfrage im umliegenden Gewerbe kann kaum jemand die Aussagen Kaminskis bestätigen. Das Nachtleben tangiert die wenigsten Betreibenden, schliessen doch viele Geschäfte in der Altstadt zwischen 18 und 19 Uhr. Auf deren Laufkundschaft wirken sich die nächtlichen Unruhen also nicht negativ aus. Einzig Jennifer Eder kann Kaminskis Frustration nachvollziehen. Die Besitzerin des Yoga-Studios Omvida wohnt und arbeitet in der Altstadt. «Die Geräuschkulisse in der Nacht ist hier schon hoch.» Eder hält jedoch nicht die Bar- und Restaurant-Szene an sich für das Problem, sondern die mangelnde Durchmischung des Klientels. «Externe zieht es kaum in die Altstadt.» Die Lösung für die Altstadt sei dementsprechend kein Ausbau der Sicherheitsdienstleistungen, sondern den Stadtteil für ein breiteres Publikum schmackhaft zu machen.

Die «Fotoatelier Bitte lächeln GmbH» in der Arboner Altstadt ist Konkurs gegangen.
Die «Fotoatelier Bitte lächeln GmbH» in der Arboner Altstadt ist Konkurs gegangen.
© Laura Kappeler

Sicherheit gewährleistet

Für einen Ausbau der Sicherheitsdienstleistungen in der Arboner Altstadt sieht auch der für das Ressort Einwohner/Sicherheit zuständige Stadtrat Luzi Schmid zum aktuellen Zeitpunkt keinen Grund. «Klar haben wir ruhigere Stadtteile als die Altstadt.» Aber insbesondere in den letzten Monaten seien auf der Abteilung Einwohner/Sicherheit keine Besonderheiten gemeldet worden. Es könne bei der Anhäufung an Bars und Restaurants selbstverständlich «vermehrt zu Krach kommen». Die Stadt setze deshalb auch den Securitasdienst – nicht exklusiv, aber auch – in der Arboner Altstadt ein. «Die Altstadt ist nicht unsicherer als der Rest Arbons.» Dies bestätigt auch die Kantonspolizei Thurgau. In der Arboner Altstadt komme es nicht zu mehr Polizeieinsätzen als in anderen Stadtteilen, erklärt die Leiterin des Mediendienstes Roxanne Gräflein: «Die Kantonspolizei Thurgau stellt kein sicherheitsrelevantes Problem im Gebiet der Altstadt fest.» Damit ist zwar das Gefühl der Unsicherheit nicht aus der Welt geschaffen. Dass das Nachtleben für ausbleibende Kundschaft verantwortlich sei, kann jedoch in Frage gestellt werden.

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