Sie flicken, was sonst entsorgt würde
Kim Berenice GeserIn der Schweiz werden jährlich rund 200 000 Tonnen Elektroschrott produziert. Und längst nicht alle der entsorgten Geräte sind unrettbar: Wie eine Studie der Fachhochschule Ost 2023 bekannt gab, sind rund die Hälfte der entsorgten Elektro- und Elektronikgeräte noch funktionstüchtig. Doch in unserer Konsumgesellschaft ist ein Gerät oft schneller ersetzt als repariert. Landen Geräte im Abfall statt der Reparatur gehen jedoch nicht nur wertvolle Rohstoffe verloren, auch Geld wird buchstäblich auf den Müll geworfen. Daniel Stillhard hat ein grossartiges Beispiel hierfür zur Hand, als ihn Stadtpräsident René Walther bei der Ehrung zum Arboner des Jahres im Rahmen der Neujahrsbegrüssung fragt, was die eindrücklichste Reparatur war, welche im «Repair Café» bisher stattfand. Die Antwort: ein Tumbler. «Tatsächlich brachte ein Mann den Trockner auf einem Anhänger ins Schloss Arbon», erzählt Stillhard. Der Kostenvoranschlag für die Reparatur des dreijährigen Geräts belief sich auf 1500 Franken. «Wir haben es für einen Franken Materialkosten geflickt.»
Flicken als Berufung
Das Team des 2019 von Stillhard gegründeten «Repair Café Arbon» umfasste in seinen Anfängen knapp fünf Personen. Heute besteht es aus 18 freiwilligen Helfenden, 14 in der Reparatur, vier in der Administration. Darunter auch Andrea Held, die oberste Reparatur-Managerin. Sie stiess ein Jahr nach der Gründung zum Team, «weil ich mich von Dani anstecken liess und diese Aufgabe spannend und sinnvoll finde». Stillhard selbst ist seit seiner Kindheit ein Reparateur und flickte damals schon zuhause Föhn und Rasierer. Später lernte er seinem Ruf folgend Elektroniker und hat heute seine eigene Beratungsfirma in der IT-Branche. Gemeinsam mit dem Team führen die beiden jährlich rund sieben «Flick-Anlässe» im Schloss Arbon und der Glögglistube Frasnacht durch. Mit wachsendem Zulauf, wie Stillhard berichtet: «An der letzten Durchführung kamen rund 100 Personen und wir haben 70 Reparaturen durchgeführt.» Vom Handy, über Laptops, Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik bis zum Wäschetrockner nimmt sich das Team allen strombetriebenen Geräten an und kann 60 bis 70 Prozent davon wieder zum Laufen bringen. Verrechnet werden dabei einzig die Materialkosten.
Der Traum von der Turnhalle
Das Motto ist klar: Flicken statt wegwerfen. Moralapostel wollen Stillhard und sein Team dabei nicht spielen. Es gehe ihnen nicht darum, Gesellschaftskritik zu betreiben, sondern Aufklärung, so der Gründer. «Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, dass man Geräte reparieren kann.» Nicht zuletzt, weil einem in den Läden auch oft etwas anderes gesagt wird. Im «Repair Café» gilt deshalb: Wer etwas zum Flicken vorbeibringt, sieht bei der Reparatur zu und legt am besten selbst Hand an. «So lernt man auch gleich etwas», erklärt Andrea Held. Dass mit der Auszeichnung zum Arboner des Jahres ihr Engagement für die Nachhaltigkeit Publizität erhält, freut das ganze Team. Und sollten die Besucherströme in der Folge weiter ansteigen, bestehen auch schon Pläne zur Vergrösserung. «In grossen Schweizer Städten finden diese Anlässe längst in Turnhallen statt», weiss Stillhard zu berichten. Im Endeffekt ist dies das Ziel, denn jeder geflickte Gegenstand ist ein Stück weniger Elektroschrott. Oder in den Worten von Laudatorin Erika Willi: «Die tun etwas gegen die Abfallberge, gegen die Wegwerf-Mentalität! Die Reden nicht nur davon.»