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Verfassung auf dem Prüfstand

Wer hat künftig beim Steuerfuss das letzte Wort? Wo endet die Finanzkompetenz des Stadtrats? Und wieviele Unterschriften braucht es für das fakultative Referendum bei Gestaltungsplänen? Diese Fragen gilt es im Zuge der Totalrevision der Arboner Gemeindeordnung zu klären.

Kim Berenice Geser

Im Seeparksaal gab es am Dienstagabend nur ein Thema: die Gemeindeordnung. Vier Stunden lang debattierten Stadtparlament und Stadtrat die neue «Verfassung» Arbons auf 32 Seiten in der ersten Lesung. Riquet Heller (FDP) lief sich gleich zu Beginn warm, als er schon im ersten Artikel die Auflistung der Arboner Ortsteile gestrichen sehen wollte – diese Dreiteilung habe endlich zu enden. Ein Antrag, der nicht auf fruchtbaren Boden fiel, wie viele weitere die an diesem Abend noch folgen sollten. Doch auch wenn Heller den Rekord der Wortmeldungen an diesem Abend hielt, standen seine Ratskolleginnen und -kollegen ihm im Parlieren in nichts nach.

Budgethoheit beim Parlament

Schon ab Seite 2 ging es in die Vollen. Dort in Artikel 9 die obligatorischen Volksabstimmungen der Gemeinde Arbon geregelt, zu denen derzeit auch noch das Budget und der Steuerfuss gehören. Ein Umstand, den sowohl der Stadtrat als auch ein Grossteil der Parlamentsmitglieder gerne ändern würde. Denn die jeweils auf den Spätherbst angesetzte Abstimmung hat zur Folge, dass der Budgetprozess jeweils im März startet, folglich gestützt ist auf Zahlen aus Hochrechnungen mit hoher Unsicherheit und unter grossem Zeitdruck durchgeführt werden muss. Dies fördert Fehler und eine ungenaue Budgetierung, weshalb die Budgetkompetenz mit der neuen Gemeindeordnung an das Stadtparlament übergehen soll. Sehr zum Missfallen der SVP, die nichts von der Beschneidung der Rechte des Souveräns hält. «Die Bürger werden entmündigt», echauffierte sich Ueli Nägeli (SVP) und das Parlament bringe sich um den Rückhalt aus der Bevölkerung. Silke Sutter Heer (FDP) hielt dem entgegen, dass das Parlament inzwischen erwachsen sei und über hohe Fachkompetenz verfüge. Die 30 Volksvertreter seien durchaus in der Lage, im Sinne ihrer Wähler zu entscheiden. Und wenn doch mal ein Bock geschossen werde, bestehe über das fakultative Referendum immer noch die Möglichkeit zur Mitsprache. Auch Mischa Vonlanthen (Die Mitte) betonte, es gehe nicht darum, das Volk seiner Kompetenz zu berauben, sondern die Budgetgenauigkeit zu erhöhen. Dass dies derzeit nicht der Fall ist, weiss er als ehemaliger Finanzchef Arbons aus eigener Erfahrung. Und seine Meinung teilte die Mehrheit: Mit 21 zu 6 Stimmen sprach sich das Parlament für die besagte Änderung aus.

Sozialkommission bleibt Thema

Im weiteren Verlauf einigte man sich darauf, dass fakultative Referenden zu Gestaltungsplänen künftig Unterschriften von fünf Prozent der Stimmbevölkerung benötigten; die Finanzbefugnis des Parlaments bis zu 1,2 Mio. bei einmaligen und 120 000 Franken bei jährlich wiederkehrenden Ausgaben angehoben werden soll, die des Stadtrats jedoch bei 300 000 bzw. 30 000 Franken bleibt, statt die vorderste Ziffer durch eine 5 zu ersetzen. Ein letztes Aufbäumen fand zu fortgeschrittener Stunde auf Seite 22 zur Zusammensetzung der Sozialhilfekommission statt. Nach Voten von links bis rechts einigte man sich vorerst bis zur 2. Lesung auf «fachlich abgestützt». Um 23 Uhr wurden alle Anwesenden in die Nacht entlassen. Mit Ausnahme zweier FDP-Mitglieder, die das Handtuch schon zehn Minuten früher geworfen hatten und die letzten beiden Traktanden schwänzten.

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