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Wenn die Lehrstelle ein Privileg ist

Die 18-jährige Yasmin Al Khaled hat vor drei Monaten ihre Ausbildung zur Sportartikel-Verkäuferin bei «Päddy Sport» begonnen. Im Gespräch erzählt sie, warum bei der Stellensuche ihr Kopftuch plötzlich eine Rolle spielte und weshalb sie keinen Traumjob hatte, nun aber dennoch ihren Traum lebt.

Kim Berenice Geser

Yasmin, im August hast du deine Berufslehre begonnen. Wie ist die Umstellung vom Schul- auf den Berufsalltag?

Yasmin Al Khaled: Ich bin gerne zur Schule gegangen, schon immer. Seit ich arbeite, habe ich einen anderen Rhythmus und mehr Verantwortung. Ich werde erwachsener (lacht).

Als Sportartikel-Verkäuferin bist du bestimmt sportbegeistert.

Ich interessiere mich für Sport, bin aber keine Sportlerin. In meiner Freizeit spiele ich Basketball, aber nur privat, nicht im Verein.

Warum fiel deine Wahl dann auf die Ausbildung bei «Päddy Sport»?

Ich habe in der zweiten Sek schon hier geschnuppert und im Rahmen des LIFT-Programms drei Monate jeden Mittwoch bei «Päddy Sport» gearbeitet. Deshalb kannte ich den Betrieb gut. Ich arbeite gerne mit Menschen, bin kommunikativ, nicht schüchtern. Und ich interessiere mich für Mode und Trends. Trotzdem habe ich nie gedacht, dass ich irgendwann einmal eine Ausbildung im Detailhandel mache.

Yasmin Al Khaled hat schon kurz nach Ausbildungsbeginn ein Auge für die Produktepräsentation.
Yasmin Al Khaled hat schon kurz nach Ausbildungsbeginn ein Auge für die Produktepräsentation.
© Kim Berenice Geser

Wieso nicht?

Ich trage ein Kopftuch. In der Schule war das nie ein Thema – erst als ich anfing mich zu bewerben. Ich erhielt viele Absagen deswegen und musste mir teilweise schlimme Bemerkungen anhören. Bei vielen Betrieben durfte ich wegen meines Kopftuchs noch nicht einmal schnuppern. Dabei geht das niemanden etwas an. Das ist eine Sache zwischen mir und Gott. Ich hatte das Gefühl, viele Wege sind für mich von vornherein zu. Dennoch habe ich nicht aufgegeben, mich weiter beworben und von Henners eine Chance erhalten.

Hast du damit deinen Traumberuf gefunden?

Ganz ehrlich, ich hatte nie einen Traumjob. Diesen Luxus konnte ich mir nicht leisten. Ich hätte jeden Beruf gelernt, nur um eine Ausbildung machen zu dürfen. Aber ja, ich liebe diese Lehrstelle – die vielen Sportarten, die wir vertreten, das Team, die Kundschaft. Ich lerne jeden Tag Neues, darf schon Anrufe annehmen und Produkte erfassen. Und ich bekomme viel Unterstützung von Patrick und Coni Henner und meinem Ausbildner Tobias Di Cataldo. Sie unterstützen mich auch dabei, die Lehre mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) zu machen, statt nur die zweijährige Grundbildung EBA.

Das ist doch einfach Yasmin, eine aufgeschlossene, motivierte junge Frau.
Coni Henner

Stand das zur Debatte?

Ich kam vor sieben Jahren mit meiner Familie in die Schweiz. Geboren bin ich in Syrien. Als ich zwei war, sind wir in den Libanon geflohen und später von dort nach Europa, wo wir erst in Schweden, dann in Frankreich waren, bevor wir in der Schweiz aufgenommen wurden. Deshalb spreche ich nur Hochdeutsch und war die ersten Schuljahre in einer Einführungsklasse. In der Sekundarschule wurde mir gesagt, dass eine dreijährige Lehre für mich nicht realistisch ist. Ich möchte zeigen, dass dies machbar ist. Und Frau Henner sagte, wenn ich das will, stehen alle hinter mir.

Coni Henner läuft in diesem Moment an der Kaffee-Ecke des Ladenlokals vorbei, wo dieses Gespräch stattfindet und kommentiert:

Coni Henner: Und wissen Sie, welche Note Yasmin als erstes aus der Berufsschule mitgebracht hat? Eine 6! Für uns waren weder die Sprache noch das Kopftuch je matchentscheidend und sollten es auch nicht sein. Das ist doch einfach Yasmin, eine aufgeschlossene, motivierte junge Frau. Aber selbstverständlich haben wir das Thema im Team behandelt, damit wir, wenn nötig, wissen wie reagieren.

Und – kam das Kopftuch im Kundenkontakt schon zur Sprache?

Yasmin: Bisher wurde ich noch kein einziges Mal darauf angesprochen. Dabei darf man mich auch danach fragen, ich erzähle gerne von meiner Kultur. Ich lasse mich nur nicht für sie verurteilen.

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