Abstimmungskampf mit Ansage
Kim Berenice GeserZugegeben, es gibt spannendere Lektüren als eine Gemeindeordnung. Doch in jene von Arbon lohnt es sich einen Blick zu werfen. Vor allem jetzt, nachdem die umfassende Revision abgeschlossen ist und die Volksabstimmung bevorsteht. Denn am 18. Mai entscheidet die Arboner Stimmbevölkerung über grundlegende Änderungen in der Arboner «Verfassung», die auch ihre eigenen Stimmrechte betreffen: Mit der neuen Gemeindeordnung soll künftig die Budget- und Steuerfuss-Hoheit ans Parlament übergehen. Dies würde bedeuten, dass die Arboner Stimmbevölkerung mit Inkrafttreten der revidierten Gemeindeordnung nicht mehr über das Budget und den Steuerfuss abstimmen würde, sondern diese vom Parlament genehmigt oder abgelehnt würden. Wobei es anzumerken gilt, dass das Volk nicht gänzlich in seinen Rechten beschnitten würde. Denn einerseits sind die Parlamentsmitglieder, denen der Entscheid in Zukunft obliegen würde, gewählte Volksvertreter. Andererseits bestünde wie bisher die Möglichkeit, das fakultative Referendum zu ergreifen, wenn einem beispielsweise eine Steuerfuss-Erhöhung nicht passt. Dafür bräuchte es neu zwar 400 Unterschriften, 100 mehr als bisher; dafür erhält die Stimmbevölkerung mit drei Monaten auch zwei länger Zeit diese zu sammeln.
Mehr Zeit für weniger Demokratie?
Grund hinter dieser Änderung ist der wiederholt geäusserte Wunsch aus den Reihen des Parlaments, mehr Zeit für den Budgetprozess zu haben. Dieser ist derzeit stets knapp bemessen, weil die Abstimmung zum Budget des Folgejahres bis Ende des laufenden Rechnungsjahres über die Bühne gehen muss. Ergo startet der Prozess früh, es wird mit Hochrechnungen gearbeitet, was zu grossen Budgetabweichungen führen kann, und die Prüfung durch die Finanz- und Rechnungsprüfungskommission erfolgt im Eiltempo, weil sonst der Parlamentsprozess nicht rechtzeitig vor dem Urnengang erfolgen kann. Wird dieser jedoch obsolet, bliebe künftig mehr Zeit, um präziser budgetieren zu können.
Doch dieses Argument zieht bekanntermassen nicht bei allen Arboner Parteien. Die SVP und die BFA sehen in besagten Änderungen der Gemeindeordnung einen Demokratie-Verlust und eine Bevormundung des Souveräns. Sie lehnten das Geschäft konsequenterweise in der Schlussabstimmung an der Stadtparlamentssitzung von Dienstag ab, waren jedoch mit 7 zu 19 Stimmen klar in der Unterzahl.
Eine zweckmässige Allianz
Doch das Ergebnis im Seeparksaal lässt sie nicht die Flinte ins Korn werfen. Und so überrascht es nicht, dass SVP-Präsident Koni Brühwiler im Anschluss an die Sitzung bekanntgab, es werde im Abstimmungskampf nicht nur ein Pro-, sondern auch ein Contra-Komitee gebildet werden. Ob sich die BFA diesem anschliessen wird, ist trotz gleicher Haltung fraglich. Aus diversen Gründen werde man wohl eine eigene Kampagne machen, sagt Parteipräsident Reto Gmür auf Anfrage. Mit im Boot wird allerdings Riquet Heller sitzen – entgegen der Haltung seiner Partei, der FDP. Allerdings aus anderen Gründen als das bürgerliche Lager. Für ihn ist einerseits die verlängerte Referendumsfrist Stein des Anstosses, bringe sie mit den zusätzlichen zwei Monaten doch nicht den gewünschten Zeitgewinn im Budgetprozess, ist Heller überzeugt. Andererseits beanstandet er die neue Regelung bezüglich Volksabstimmungen bei Nachtrags- und Zusatzkrediten. Diese kämen neu erst zustande, wenn die Summe zehn Prozent des ursprünglich genehmigten Objektkredits übersteigen würde. Damit, so Heller, könnten künftig hohe Nachtragskredite ohne Zustimmung des Volkes vom Parlament durchgewunken werden.
Verstoss gegen Gewaltenteilung
Ein Punkt wird jedoch weder vom einen noch vom anderen Lager an dieser letzten Sitzung zur Gemeindeordnung noch einmal aufs Parkett gebracht und das ist die Sozialhilfekommission. Dabei könnte gerade diese, wenn nicht beim Volk, so denn beim Kanton Konsequenzen im Bewilligungsprozess nach sich ziehen. Diese ist nach erfolgter Volksabstimmung nämlich letzte Entscheidungsinstanz, ob die revidierte Gemeindeordnung in der vorliegenden Form bewilligungsfähig ist oder nicht. Das Bein, welches die Sozialhilfekommission dem Prozess stellen könnte, ist ihre Zusammensetzung. Derzeit besteht sie aus fünf Personen, zwei Stadträten und drei Arboner Stimmberechtigten. Neu sollen dies vier sein und nur noch ein Stadtrat. Die Krux liegt nun darin, dass besagte Stimmberechtigte alle Mitglieder des Arboner Stadtparlaments sind und auch noch von diesem in die Kommission gewählt werden. Dies widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung, denn die Sozialhilfekommission ist ein der Exekutive zugeordnetes Gremium. Dass ihm Mitglieder der Legislative angehören verstösst, wie eine vom Stadtrat in Auftrag gegebene rechtliche Abklärung ergab, somit gegen die Kantonsverfassung und ist rechtlich nicht zulässig. Mit der vorliegenden Revision sollte dies behoben und ein Passus eingefügt werden, der Mitgliedern des Stadtparlaments den Einsitz in die Kommission untersagt. Ein entsprechender Antrag wurde sowohl an der ersten wie auch an der zweiten Lesung der Gemeindeordnung gestellt, einmal von Chistoph Seitler (XMV), einmal vom Stadtrat selbst. Beide Male fiel er jedoch beim Parlament durch, ist somit also auch nicht in der Schlussfassung enthalten, die dem Stimmvolk vorgelegt wird. Es wird sich zeigen, ob der Kanton dem Arboner Stadtparlament die bisherige Praxis weiter durchgehen lässt oder die nötige Änderung doch noch verlangen wird.