«Als Retter der SBS bedaure ich nichts»
Andrea Vonlanthen
Herr Hess, man könnte meinen, Sie hätten etwas gegen Arbon.
Hermann Hess: Bestimmt nicht! Sie sprechen wohl unseren neuen Fahrplan an …
Die SBS-Schiffe legen täglich noch zwei Mal in Arbon an. Am Morgen gibt es einen Kurs in Richtung Rorschach, abends einen nach Romanshorn. Überhaupt keine direkten Fahrten mehr gibt es nach Langenargen. Wer in die Partnerstadt von Arbon kommen will, muss in Romanshorn oder Rorschach einsteigen.
Hess: Die ganze Kurs-Schifffahrt auf dem Bodensee verzeichnet seit Jahren eine Stagnation. Das hat sich in den Corona-Jahren noch akzentuiert. 2022 konnten wir uns nur teilweise davon erholen. Wir haben also sinkende Fahrgastzahlen, aber höhere Personalkosten und stark steigende Treibstoffkosten. Um wieder ins finanzielle Gleichgewicht zu kommen, mussten wir mit den Fahrkilometern zurückfahren, genau wie unsere deutschen Kollegen.
Warum trifft es Arbon so stark?
Benno Gmür: Arbon ist der am schlechtesten frequentierte Hafen am oberen Bodensee. Wir müssen eine Million Franken einsparen. Wir reduzieren deshalb unser Angebot von 100 000 auf 70 000 Fahrkilometer. Das ist übrigens in Absprache mit der Stadt passiert.
Konnte die Stadt Arbon auf Augenhöhe mitreden?
Gmür: Wir hatten drei oder vier Meetings mit dem Kanton und haben dann auch die betroffenen Gemeinden beigezogen. Wir haben offen mit allen Zahlen kommuniziert. Aus Arbon war Stadtrat Didi Feuerle bei allen Meetings dabei.
Was raten Sie nun Arboner Ausflüglern, die Langenargen besuchen wollen?
Hess: Wir haben am Schweizer Ufer sehr gute Zugsverbindungen. Mit dem Zug ist man von Arbon in acht Minuten in Romanshorn und auch in Rorschach.
Gmür: Wir fahren auch ab Romanshorn nur noch einmal täglich nach Kreuzlingen. Unser Fahrplan ist mit der Thurbo AG so abgesprochen, dass man in Kreuzlingen gut vom Hafen-Bahnhof aus aufs Schiff gelangen kann.
Sie riskieren mit diesem Abbau, noch mehr Fahrgäste zu verlieren.
Hess: Das könnte passieren. Wir sind halt in einer ganz anderen Lage als die SBB. Sie ist die von Politikern und Gewerkschaftern dominierte Staatsbahn und holt beim Staat immer mehr Geld ab. Die SBS dagegen muss von den Einnahmen leben, die sie von den Kunden bekommt. Zudem müssen wir einen gewissen Gewinn und viel Cashflow machen, um wieder investieren zu können.
Gmür: Der mit Abstand bestfrequentierte Hafen im Uferverkehr ist übrigens Rorschach, nicht Romanshorn. Wir haben im Fahrplan nicht nur gestrichen, sondern neu eine Linie nach Bregenz aufgenommen. Das war vor 17 Jahren letztmals der Fall. Da sehen wir ein grösseres Potenzial. Wir haben zudem die Fahrgeschwindigkeit verlangsamt und unsere Fahrzeiten verlängert, um so den Dieselverbrauch reduzieren zu können.
Doch eine gewisse finanzielle Unterstützung bieten Ihnen Kanton und Gemeinden ja auch.
Hess: Das macht vom gesamten Umsatz 6 bis 7 Prozent aus. Die SBB bekommt vom Staat 50 Prozent und hat enorme Schulden beim Bund.
Gmür: Vor 15 Jahren bekamen wir von den Gemeinden jeweils 300 000 Franken. Als wir später Gewinne erzielten, haben die Gemeinden nichts mehr bezahlt. Aufgrund neuerer Berechnungen mit den diversen höheren Kosten leisten Kanton und Gemeinden jetzt 270 000 Franken. Die Hälfte bezahlen die Gemeinden gemäss Verteilschlüssel nach Einwohnerzahl. So leisten 2023 zum Beispiel Arbon 17 000 Franken und Horn 6500 Franken.
Hess: Das betrifft den Uferverkehr. Dazu kommen vom Bund 700 000 Franken für die Fähre. Dort sind wir verpflichtet, das ganze Jahr über Tag und Nacht zu fahren, am Morgen schon um halb sechs.
Wie gross war Ihr Verlust in den Corona-Jahren?
Hess: Seit 2010 bis 2019 haben wir immer Gewinne gemacht. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 ergaben sich Verluste von gesamthaft 2,5 Millionen Franken. 2022 sind wir wieder in die Gewinnzone gekommen mit etwa einer halben Million. Das Geld brauchen wir für Investitionen. Wir haben ja in den letzten 15 Jahren über 39 Millionen Franken investiert. Die SBS-Aktionäre haben nie etwas bezogen. Wir kennen auch keine VR-Honorare.
Im letzten Frühjahr gab es einen Wirbel um den Abgang Ihrer langjährigen Geschäftsleiterin. Hatte das mit der finanziellen Schieflage zu tun?
Hess: Nur indirekt. Wir haben mit Andrea Ruf zehn sehr erfolgreiche Jahre erlebt. In den Corona-Jahren kamen wir in turbulente Fahrwasser. Da gab es harte Diskussionen, die am Schluss dazu führten, dass sie kündigte. Doch wir haben Andrea Ruf nichts vorzuwerfen.
Führt die heikle Situation zu höheren Tarifen?
Gmür: Aufgrund der Zusammenarbeit mit den SBB müssen neue Preise jeweils bis zum Mai beschlossen werden. Die ganze Geschichte mit den hohen Dieselpreisen passierte nach dem Mai 2022. Im kommenden Mai werden wir nun für 2024 Tariferhöhungen beschliessen müssen, etwa gleich wie die Deutschen und die Österreicher, die ihre Preise jetzt schon um 5 bis 8 Prozent erhöht haben.
Um die Kosten in den Griff zu bekommen, wollen Sie auch auf «Innovation» setzen. Was heisst das?
Gmür: Da erwähne ich die Übernahme des Kornhaus-Erdgeschosses in Romanshorn, wo wir 2700 Quadratmeter Fläche gewinnen für Charter-Anlässe. Wir übernehmen dort auch das Restaurant und eröffnen am 17. April an unserem Hafenfest eine neue Pizzeria. Man kann nun im Kornhaus heiraten, auf der Bunkerwiese den Apéro einnehmen und am Abend auf dem Schiff feiern.
Hess: Fehlt nur noch, dass dann die ganze Gesellschaft bei uns übernachten kann. Doch daran arbeiten wir.
Gmür: Eine Innovation ist auch, dass wir neben den erfolgreichen Brunch-Fahrten ganz neue Arten von Themenfahrten machen.
Wie geht es weiter mit Ihrem Hotel und dem Abenteuerspielplatz am Romanshorner Seeufer?
Hess: Beim Hotel sind wir immer noch bei der Erarbeitung des Gestaltungsplans. Wir werden hervorragend unterstützt durch den Romanshorner Stadtrat. Einen Konflikt haben wir mit dem kantonalen Amt für Raumentwicklung. Von der Hess Investment AG sind wir national und international erfahrene Immobilien-Investoren, gerade in Städten und auch mit denkmalgeschützten Objekten. Wir haben uns viele Gedanken gemacht zu diesem Hotel mit 84 Zimmern. Nun werden wir zu starken architektonischen Anpassungen gezwungen.
Auf wann planen Sie die Eröffnung?
Hess: Wohl frühestens 2027. Offenbar kann es sich der Kanton Thurgau leisten, einen hier ansässigen 25-Millionen-Investor, der Arbeitsplätze sichern und neue schaffen will, so auszubremsen.
Und der umstrittene Abenteuerspielplatz?
Hess: Er ist vom Bundesgericht bewilligt. Doch wir möchten den Spielplatz zusammen mit dem Hotel machen. Wir sehen einen touristischen Cluster am Hafen von Romanshorn, bestehend aus Kursschifffahrt, Fähre, Sonder- und Charterfahrten, Kornhaus, zwei Restaurants, Hotel und Spielplatz. Das Kornhaus ist neu eine der attraktivsten Locations für grössere Anlässe im Kanton.
Die SBS hat sieben Ausflugsschiffe, und sie teilt sich mit den deutschen Schiffsbetrieben den Fährbetrieb nach Friedrichshafen. Wo ist der Erneuerungsbedarf am grössten?
Hess: Die «Thurgau» und die «Zürich», beide 90 Jahre alt, müssen neu motorisiert werden. Wir haben mit den deutschen Kollegen auch die Elektrifizierung der Fähre diskutiert. Doch dazu sind unsere Schiffe zu schwer und die Ladezeiten zu kurz. Auch das Wasserstoff-Thema ist noch nicht betriebsreif für uns. Die Lösung werden vermutlich modernste und sparsame Dieselmotoren sein mit der Möglichkeit, auf klimaneutrales Methanol umzurüsten. Das wird uns in den nächsten drei Jahren acht Millionen kosten.
Stichwort «Solarfähre»: Ein Thema für Sie?
Hess: Wir haben das selbstverständlich besprochen. Aufgrund unserer Berechnungen kommen batteriebetriebene Schiffe nicht in Frage. Das kann für kleinere Strecken wie Mainau-Meersburg sinnvoll sein, aber nicht für stundenlange Fahrten über den ganzen See.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie gleich zehn offene Stellen aus. Haben Sie in den Corona-Jahren zu viele Leute entlassen?
Gmür: Überhaupt nicht. Wir übernehmen ja das Kornhaus und vergrössern die Gastronomie. Damit schaffen wir 25 neue Stellen. Dazu kommen Stellen, die jetzt während der Saison besetzt werden müssen. Insgesamt beschäftigen wir im Sommer etwa 160 Personen.
Wie attraktiv ist ein Arbeitsplatz bei der SBS?
Hess: Wir finden immer die notwendigen Mitarbeiter, weil wir ein geschätzter Arbeitgeber sind, der auch anständig bezahlt. Die Leute arbeiten gerne bei uns. Wir haben jetzt für Mitarbeiter gerade eine Reihe von attraktiven Appartements über unserer Geschäftsstelle realisiert.
Der Tourismus hat auch am Bodensee wieder angezogen. Wo sehen Sie die Vorzüge des Schweizer Bodensee-Ufers?
Hess: Bei uns ist es ruhiger und entspannter als am deutschen Ufer. Der Nachteil ist, dass es viel zu wenig Hotellerie gibt. Wer eine Charter-Schifffahrt macht, soll auch bei uns übernachten können. Die Nachfrage ist da, auch seitens der Wirtschaft. Darum dürfen neue Hotels auch nicht zu klein sein.
Vor Jahren wollten Sie auf dem Arboner «Metropol»-Areal ein Hotel mit 120 Zimmern bauen. Wie gross ist das Bedauern noch, dass es nicht gelungen ist?
Hess: Man muss sich mit Konkurrenz abfinden. Wir haben 700 Franken geboten für den Quadratmeter. Doch HRS hat gegen 3000 Franken bezahlt, weil Eigentumswohnungen entstehen sollen. Daraus ergibt sich der höhere Bodenwert.
Was machen Sie, wenn in ein paar Jahren Tausende von Touristen per Schiff zum neuen Arboner Museum Werk 2 kommen wollen?
Hess: Arbon ist die Stadt mit der grössten Dynamik im Thurgau. Darum soll sie auch dieses neue kantonale Museum bekommen. Wenn es soweit ist, müssen wir unsere Fahrpläne sicher wieder anpassen.
Bereuen Sie manchmal, dass Sie 2007 als Retter der SBS aufgetreten sind?
Hess: Absolut nicht! Es ging darum, einen Beitrag zum Tourismus am Schweizer Ufer zu leisten und ein solides, selbsttragendes Unternehmen zu schaffen. Beides ist uns gelungen. Unser Engagement hat darum viel Aufmerksamkeit und ein positives Echo gefunden.