«Der FC St. Gallen passt perfekt zu mir»
Andrea Vonlanthen
Warum haben Sie im Herbst 2022 gerade Horn als Wohnsitz ausgewählt?
Lukas Watkowiak: Wir haben vorher in Bruggen in der Stadt St. Gallen gewohnt und dann etwas Grösseres gesucht, weil die Tochter dazukam. Wir haben lange gesucht. Unsere letzte Hoffnung war dann die Wohnung in Horn. Sie hat uns sofort gefallen, so direkt am See. Horn liegt auch günstig, da kann man vieles mit dem Fahrrad unternehmen.
Nach Horn auch dank des tiefen Steuerfusses?
Das habe ich erst danach erfahren. Doch es war natürlich schön, das zu hören.
Was liebt Ihre Frau Lorena besonders an Horn?
Sie schätzt es, dass sie alles mit dem Fahrrad oder auch zu Fuss erreichen kann. Und sie mag den See und die vielen freundlichen Menschen, die wir schon kennengelernt haben.
Ist das Wohnen in Horn nahe am See noch bezahlbar?
Das kann man schon bezahlen. Es ist wohl teurer als an anderen Orten, aber nicht extrem viel teurer.
Ihr Sohn Eliah ist 5 Jahre alt, Töchterchen Elara 18 Monate. Spielt Eliah schon Fussball?
Ja, er spielt beim FC Steinach. Seit einem halben Jahr macht er das jetzt. Er hat Riesenspass.
Kommen Sie in Horn auch selber zum «Tschutten»?
Ich spiele ab und zu Fussball mit meinem Sohn beim Kindergarten, der gleich in der Nähe liegt. Sonst sind wir oft mit dem Fahrrad unterwegs. Selber spiele ich auch gerne Golf zusammen mit unserem Captain Lukas Görtler in Waldkirch.
Sie sind seit August 2020 beim FC St. Gallen. Warum ist das noch immer der richtige Club für Sie?
Weil der Club sehr, sehr familiär ist. Zwischen Verein, Mannschaft und Fans gibt es ein richtig familiäres Verhältnis. Man sieht ja, wie die Fans Wochenende für Wochenende ins Stadion strömen, um uns zu unterstützen. Ich selber bin auch am liebsten mit der Familie zusammen. Darum passt der FC St. Gallen perfekt zu mir.
Die familiäre Stimmung hat wohl etwas gelitten durch den unerwarteten Abgang von Sportchef Alain Sutter. Wie gross war Ihre Überraschung?
Ich war schon sehr überrascht, als man uns sagte, dass uns Alain verlassen wird. Aber so ist der Fussball. Im Fussball kann alles ganz schnell gehen.
Wer war Alain Sutter für Sie?
Er hat mich nach St. Gallen geholt und mir das Vertrauen geschenkt. Das war nicht selbstverständlich. Ich war ein Torwart, der in Deutschland in der zweiten Liga gerade einmal elf Spiele gemacht hat und dann über ein halbes Jahr auf der Bank sass. Alain und ich hatten ein absolut kollegiales Verhältnis. Wir haben uns super verstanden. Er war ein sehr offener Mensch.
Vermissen Sie ihn?
Ja, es ist komisch ohne ihn. Aber es geht Schlag auf Schlag weiter. Mit Roger Stilz, seinem Nachfolger, gab es schon viele Gespräche. Das kommt gut.
Wie motivieren Sie sich auch im Winter immer wieder zum Training?
Fussball ist mein Job, auch im Winter. Beruflich Fussball spielen zu dürfen, ist schon ein grosses Privileg. Dafür muss man auch gewisse Sachen hinnehmen. Ich bin eigentlich immer motiviert. Das Training macht mir immer Freude.
Wie oft trainieren Sie wöchentlich?
Meistens haben wir einen Tag in der Woche frei, entweder am Sonntag oder am Montag. Sonst haben wir jeden Tag Training, oft auch zwei Mal, meist zwischen einer und eineinhalb Stunden. Am Nachmittag gehts jeweils in den Kraftraum. In jedem Training sind wir drei Torhüter zuerst zwischen 20 und 40 Minuten bei unserem Torwarttrainer Stefano Razetti. Dann gehen zwei Torhüter zur Mannschaft und einer bleibt bei Stefano.
Wie erleben Sie den Teamgeist beim FC St. Gallen?
Er ist ausgezeichnet. Die zehn Tage im Trainingslager in Spanien haben uns noch mehr zusammengeschweisst. Du bist immer nur mit deinen Kollegen zusammen und pflegst so auch die Beziehungen.
Mit wem haben Sie in Spanien das Zimmer geteilt?
Mit Fabian Schubert.
Sie sitzen beide oft auf der Ersatzbank. Machen Sie sich gegenseitig Mut?
Die Situation für Fabian ist speziell. Wenn man vor der schlimmen Verletzung so gut gespielt hat und jetzt zuschauen muss, ist das nicht einfach. Doch ich glaube, dass Fabian bald wieder regelmässig spielt. «Schubi» und ich machen viel zusammen. Wir spielen oft Dart. Das macht Spass. Und so bauen wir uns gegenseitig auf.
Wo sehen Sie die Stärken von Trainer Peter Zeidler?
Man sieht ja, wie sich der FC St. Gallen entwickelt hat und wie die Fans ins Stadion strömen. Das hat viel mit ihm zu tun, mit dem Training, aber auch mit der Einstellung im Spiel. Als er unter der neuen Clubführung nach St. Gallen kam, waren wir bei 10 000 Zuschauern, jetzt sind wir im Schnitt bei 18 000. Man kann immer mit ihm reden.
Ihr bisheriger Höhepunkt beim FC St. Gallen?
Schon das Cup-Finale gegen Lugano, als ich das Tor hütete. Für mich war es ein Riesenhighlight, vor so einer Kulisse und vor so vielen Fans zu spielen. Das werde ich nie vergessen, auch wenn wir verloren haben.
Beim Start zur Rückrunde in Lausanne standen Sie zwischen den Pfosten, weil Stammgoalie Zigi am Afrika-Cup engagiert war. Sie wurden sehr gelobt. Wie erlebten Sie den knappen Sieg?
Es wurde dann ja geschrieben, wir hätten uns zum Sieg gezittert. Es war schon sehr kalt im Stadion. Aber wir haben als Mannschaft super zusammengespielt. Bei uns kann jeder jedem vertrauen. Und für mich als Torwart hat es zum Glück geklappt, auch als der Stürmer allein auf mich zukam. So konnten wir das Ding 1:0 gewinnen. Dann kam am Sonntag die 1:4-Schlappe gegen Lugano … Das war schwierig nach der frühen Roten Karte gegen Lukas Görtler, die eigentlich keine war. Wir haben gut mitgehalten, bekamen dann aber kurz vor der Pause ein blödes Tor. Auch in der zweiten Halbzeit haben wir richtig gut gekämpft, doch irgendwann war die Kraft weg. Die Stimmung war dann natürlich gedrückt, doch schon am Montagmorgen beim Training wieder besser. Es geht weiter … (Anmerkung der Red.: Das Spiel gegen Servette am Mittwoch fand erst nach Redaktionsschluss statt.)
Was trauen Sie dem FC St. Gallen in dieser Saison zu?
Ich traue unserer Mannschaft sehr, sehr viel zu. Wir sind eine super Truppe mit einem super Teamgeist. So können wir viel erreichen. Erstmal wollen wir unter die ersten Sechs kommen, damit wir um die Europacup-Plätze mitspielen können. Dann schauen wir, wie es weitergeht. Je weiter vorne, umso besser!
Seit Ihrem Start beim FC St. Gallen sind Sie nur Ersatzgoalie. Eine schwierige Rolle für Sie?
Ich führte ja am Anfang Gespräche mit Alain Sutter und Peter Zeidler. Und da wusste ich, dass ich als Nummer zwei hierherkomme. Damit kann ich mich im Moment gut identifizieren. Ich habe eine Familie mit Frau und zwei Kindern, und solange sie sich hier wohlfühlen, fühle ich mich auch wohl. Darum habe ich eine Riesenmotivation, um beim FC St. Gallen weiterzumachen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Zigi, dem Stammgoalie?
Super! Wir drei Torhüter und Trainer Razetti sind eine richtig gute Torwarttruppe. Jeder gönnt jedem den Erfolg. Ich freue mich über jedes Spiel, das Zigi gut macht.
Wie kommen Sie zu dieser positiven Einstellung?
Es sagen mir viele, das sei nicht selbstverständlich. Das haben mir wohl meine Eltern beigebracht. Ich will immer fröhlich und froh sein, dass ich Profi-Fussballer sein darf. Ich bin glücklich, dass ich immer mal wieder zeigen kann, was ich draufhabe, wie in Lausanne. Wenn man als Nummer zwei ein Spiel bekommt, dann ist man besonders motiviert und will zeigen, was man kann. Das ist mir zum Glück immer wieder gelungen. Das soll auch weiter so sein.
Ihr grösstes Vorbild als Goalie?
Früher war es Oliver Kahn. Jetzt ist es Manuel Neuer.
Wie schlafen Sie nach einer ärgerlichen Niederlage wie am Sonntag?
Ich muss sagen, dass ich mit dem Schlafen zum Glück noch nie ein Problem gehabt habe – ausser wenn mich der Sohn nachts weckt. (lacht) Direkt nach einem aufwühlenden Spiel kann es aber etwas länger dauern, bis ich einschlafen kann.
Wie hoch wird Ihr Puls während einer hitzigen Spielphase?
Ich bin eher einer mit tiefem Coolpunkt. Klar, der Puls geht schon etwas hoch, aber nicht extrem. Ich kann ziemlich ruhig bleiben.
Sie rasten kaum so aus, wie es bei Zigi der Fall sein kann?
Ich kann ab und zu schon ein Problem haben mit den Emotionen, auch im Training, wenn man zum Beispiel in letzter Sekunde verliert. Da kann ich mich auch aufregen und werde mal ein bisschen lauter. Aber dass ich richtig aus der Haut fahre, das habe ich wohl noch nie erlebt.
Was ist für Sie aufregender: selber mitspielen oder zuschauen müssen?
Zuschauen auf jeden Fall. Da habe ich mehr Adrenalin, als wenn ich selber spiele. Wenn man spielt, kann man eher etwas ändern, als wenn man nur zuschaut.
Ihr Vertrag mit dem FC St. Gallen läuft bis zum Sommer 2025. Was, wenn Sie ein attraktives Angebot von GC oder des FC Basel bekommen?
Gute Frage. Aber, wie gesagt, meine Familie fühlt sich hier so wohl. Wir haben in Horn Freunde gefunden. Wir unternehmen auch viel zusammen mit der Familie von Lukas Görtler. Ich weiss nicht, ob ich mich überhaupt noch einmal einem anderen Verein als dem FC St. Gallen anschliessen würde. Es war schon ein grosser Schritt für mich, zum ersten Mal ins Ausland zu gehen und in die Schweiz zu kommen.
Wovon träumen Sie als Goalie?
Erstmals träume ich davon, dass wir in diesem Jahr sehr gut abschneiden und dann hoffentlich in Europa spielen können. Sonst träume ich nicht viel vom Fussball. Doch mein allergrösster Traum war immer, einmal bei Eintracht Frankfurt spielen zu können. Mein Herzensverein. Ich komme aus Frankfurt.
Gibt es Pläne für die Zeit nach dem Fussball? Sind Sie als gelernter Automechaniker schon beteiligt an einer Werkstatt?
Leider nicht. Ich beschäftige mich noch wenig mit der Zeit nach der Karriere. Bleibe ich im Fussball? Gehe ich völlig aus dem Fussball raus? Das ist alles offen.
Wann ist Lukas Watkowiak am glücklichsten?
Immer, wenn wir gewinnen. Am liebsten zu Hause, doch auswärts ist auch cool. Und vor allem, wenns der Familie gutgeht. Dann geht es auch dem Papa gut. Doch in Horn gehts uns allen gut.