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Der lokale Wind-Pionier

Windenergie assoziiert man in der Regel mit riesigen Rotorblättern an Masten mit bis zu 200 Metern Höhe. Die luftige Energiegewinnung gibt es allerdings auch im Mikroformat. In Freidorf installiert Bernhard Wälti dieser Tage die ersten zwei Anlagen und ist überzeugt: Sie werden in absehbarer Zeit zum Landschaftsbild gehören.

Kim Berenice Geser

Noch bis vor wenigen Jahren führte er die Hausarztpraxis in Freidorf. Heute setzt sich Bernhard Wälti als Präsident der «Engero», der Energiegenossenschaft Region Ostschweiz, aktiv für die Förderung nachhaltiger Energieträger ein. Was ihn antreibt? «Ich habe in meiner Hausarztpraxis gesehen, welche Auswirkungen schädliche Umwelteinflüsse auf die Gesundheit der Menschen haben können.» Lungenerkrankungen von Asthma bis zur COP (kryptogen organisierende Pneumonie) sind längst an der Tagesordnung. Während für Wälti feststeht, dass die Erderwärmung zu weit fortgeschritten ist, um die Wende noch zu schaffen, will er dennoch dazu beitragen, den Prozess zu verlangsamen. «Ich will meinen Kindern und Enkeln eine Welt hinterlassen, die lebenswert ist.» Sein Hauptansatz hierfür liegt auf erneuerbaren Energieträgern. Das jüngste Projekt: Mikrowindkraft-Anlagen.

Aus Gross mach Klein

Was im Grossen jüngst in Thundorf deutlich abgelehnt wurde, will Wälti im Kleinen vorantreiben. Statt riesiger Windkraftanlagen, die schweizweit ohnehin einen schweren Stand in der Bevölkerung geniessen, setzt er auf die Windgewinnung durch Mikroanlagen. «In den USA sind solche Mikrowindkraft-Anlagen seit Jahrzehnten im Einsatz», erklärt er. Unterdessen kommen sie auch beim deutschen Nachbarn immer mehr auf und Wälti konstatiert: «Auch in der Schweiz sollten sie Einzug halten, denn der Energiebedarf ist da.» Und das Interesse riesig, wie er aus eigener Erfahrung weiss. Sowohl der «Tag des Windes», den die «Engero» im Frühling 2024 durchführte als auch ihr Olma-Stand im Herbst mit Schwerpunkt Windenergie waren Publikumsmagneten. «Wir wurden überrannt und konnten an elf Messetagen kaum einmal absitzen.» Der Stand für die Olma 2025 ist folglich bereits reserviert. Diesmal will Wälti mit eigenen Datensätzen zurückkehren. 

Von der Idee überzeugt

Da Kleinstwindkraftwerke in den hiesigen Breitengraden noch nicht etabliert sind, fehlen die Vergleichs- und Erfahrungswerte. «Gleichzeitig ist der Produktmarkt bereits gross», führt Wälti aus. Darin den Überblick zu behalten und technisch unausgereifte Billigprodukte von Qualitätswaren zu trennen, ist nicht immer einfach. Er hat deshalb fünf Modelle evaluiert mit vertikalen wie horizontalen Windturbinen, die er an verschiedenen Standorten im Oberthurgau testen will.

Bernhard Wälti mit dem Mikro-Windrad seiner Tochter. Es ergänzt die PV-Anlage und produziert vor allem dann Strom, wenn die Sonne es nicht mehr tut.
Bernhard Wälti mit dem Mikro-Windrad seiner Tochter. Es ergänzt die PV-Anlage und produziert vor allem dann Strom, wenn die Sonne es nicht mehr tut.
© Kim Berenice Gesser

Die ersten beiden Freidorfer Mini-Windräder kommen auf die Liegenschaft, in der Wälti eingemietet ist, sowie auf das Haus seiner Tochter. Die Bewilligungen hat die Gemeinde Roggwil jüngst erteilt, die Montage erfolgte gestern Donnerstag. Bei guten Windbedingungen produzieren die Anlagen je rund einen Viertel des jährlichen Bedarfs für einen Vier-Personen-Haushalt, also circa 1000 kW/h. Weitere Anlagen sind auf den Dächern der Bahnhofstrasse 13 und auf dem Wohn- und Geschäftshaus «Dä Seeblick» geplant. Sie gehören Walter Bucher beziehungsweise Daniel Brandes. Die beiden liessen sich von der Idee überzeugen, nicht weil damit Geld verdient werden kann, wie Walter Bucher erklärt. «Sondern um ein sichtbares Zeichen zu setzen, dass man mit viel Kleinem auch etwas Grosses bewirken kann.» Aktuell laufen die Vorbereitungen für die Baueingabe. 

Die Zukunft des Ortsbildes

Tatsächlich lässt sich mit Mikrowindkraftwerken derzeit noch kaum Geld sparen. Aufgrund der geringen Produktionsmenge ist die Anschaffung im Vergleich zu PV-Anlagen eher teuer. Je nach Anbieter bezahlt man zwischen 2500 und 12 000 Franken. Hier sind Bewilligungsverfahren, Montage und Wartung noch nicht eingerechnet. Wälti rechnet für seine Anlage mit Totalkosten von rund 6000 Franken. Auf die lange Amortisationsdauer angesprochen, antwortet er lakonisch: «Stellt man sich diese Frage auch beim Kauf eines E-Autos oder bei einer zehntägigen Reise nach Dubai für 16 000 Franken?» Bei den PV-Anlagen habe man vor zehn Jahren dieselbe Diskussion geführt und heute gäbe es kaum einen Neubau ohne. Er ist überzeugt, dass auch die Mikrowindkraftwerke in einem Jahrzehnt zum Ortsbild gehören werden. Sofern sich der Standort eignet: Die Anschaffung lohnt erst bei einer jährlich durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde. Und der Lärm? Der sei nicht lauter als bei einer Wärmepumpe, versichert Wälti. «Ab sofort kann man sich bei mir zuhause selbst davon überzeugen.»

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