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Die Jugend spricht für sich

Die Forderung nach einem Jugendraum ist seit Schliessung der Rondelle vor sechs Jahren ein Dauerbrenner in Arbon. Jetzt nehmen Jugendliche das Anliegen selbst in die Hand – mit Hilfe der Stadt.

Laura Gansner

Aufgeregt rutscht das Publikum an diesem Mittwochabend auf den knarzenden Holzbänken hin und her, die für die Informationsveranstaltung der Stadt Arbon zwischen den Oldtimern im Saurer-Museum aufgeklappt wurden. Der Anlass zum Stadtworkshop junges Arbon mag für viele von ihnen eine Premiere sein: Mehr als die Hälfte der rund 60 Besuchenden ist 18 Jahre oder jünger. Und einige von ihnen werden heute Abend nicht nur auf den Zuschauerrängen Platz nehmen, sondern sich auch gleich noch vor die versammelte Menge stellen. Schliesslich haben sie nicht umsonst über ein halbes Jahr an einem von vier Projekten gearbeitet, welche sie an diesem Abend vorstellen dürfen. Doch es soll nicht nur um eine Bestandesaufnahme gehen: Ein Budget von 25 000 Franken soll für die Weiterentwicklung der Ideen unter den vier Projektgruppen aufgeteilt werden. Aber beginnen wir am Anfang.

Andere Bedürfnisse aufgedeckt

Vor sechs Jahren erhielt die Stadt Arbon das Unicef-Label «Kinderfreundliche Gemeinde». Um sich dieses erneut zu verdienen, wurde 2019 ein Aktionsplan entworfen. Im Zuge dessen wurde eine Umfrage lanciert, bei der die Teilnehmenden unter anderem nach dem Bedürfnis eines Jugendraums befragt wurden. «Die Ergebnisse haben uns zum Handeln animiert», berichtet Reto Stacher, Abteilungsleiter Soziales/ Gesellschaft der Stadt Arbon. Die Antworten der Jugendlichen liessen darauf schliessen, dass ihre Bedürfnisse vielfältiger sind als ein klassischer Jugendtreff. An diesem Punkt setzte die Stadt an: Mit Pop-up Büros sowie einer Ideenwerkstatt und Online-Partizipation wurden Jugendliche nicht nur mit ins Boot geholt, sondern gleich auch ans Steuer gesetzt. «Die Stadt übernahm in diesem partizipativen Prozess eine unterstützende Rolle», so Stacher.

Vier Projekte lanciert

An der Ideenwerkstatt im September kristallisierten sich vier Projektideen heraus, an deren Realisierung seither rund 30 Jugendliche im Alter von 9 bis 18 Jahren arbeiteten. Beim ersten Projekt handelt es sich um einen selbstverwalteten Kulturraum, wie Lea (13) und Andrin (17) dem Publikum erzählen. Zur Zeit seien sie auf Raumsuche, welche sich aber als schwierig gestalte, wie Lea erklärt. Das zweite Projekt nennt sich «Sportfabrik», wie Yuna (12), Lynn (12), Rahel (12), Alina (11) und Maira (9) berichten. Ihre Idee: Gemeinsam und kostenlos verschiedene Sportarten ausprobieren. Ein erster Probelauf hat bereits stattgefunden. «Das hat echt Spass gemacht», erzählen die Mädchen begeistert.

Die Projektgruppe zur Mountainbike-Trainingsanlage plädiert für ihr Anliegen.
Die Projektgruppe zur Mountainbike-Trainingsanlage plädiert für ihr Anliegen.
© Laura Gansner

Das dritte Projekt ist das «Arboner Winterkino», welches Gian (14) und Arian (10) vorstellen. «Dann müssten wir nicht immer nach St. Gallen oder Konstanz ins Kino fahren und schonen die Umwelt», wie sie erklären. Zum Schluss kommt nochmals ein sportliches Projekt auf die Bühne: eine Mountainbike-Trainingsanlage (MTB-Anlage). «Wir wollen unser Hobby gerne hier ausüben können», argumentieren Jorim (16), Nico (13) und Samuel (13).

1500 Franken Überschuss

Alle vier Gruppen äussern den Wunsch, von einem Verein oder einer Gruppe an Erwachsenen in Zukunft unterstützt zu werden. Die Stadt Arbon schliesst das Projekt offiziell mit der Präsentation ab. «Aber wir werden die Gruppen solange begleiten, bis sie eine funktionierende Struktur aufgebaut oder ein Patronat gefunden haben», wie Noe Rottmann, Fachmitarbeiterin Bereich Gesellschaft, betont. Eigeninitiative beweisen die Jugendlichen nicht nur in der Präsentation ihrer Projekte, sondern auch in der Aufteilung des Budgets. Die 25 000 Franken werden durch eine Online-Abstimmung vor Ort wie folgt verteilt: Der Kulturraum erhält 10 000 Franken, die MTBAnalge 5000 Franken und das Kino 4500 Franken. Einzig der Kredit von 5500 Franken für die Sportfabrik wird von den Jugendlichen abgelehnt – ausschlaggebend von der Projektgruppe selbst. «Uns genügen 4000 Franken», meint eines der Mädchen. Die somit übriggebliebenen 1500 Franken könnten als Puffer dienen, meint Reto Stacher und fügt schmunzelnd an: «Wir Erwachsenen können wohl noch einiges lernen von der Jugend.»

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