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«Die Sozialen Medien gaukeln uns nur vor, wichtig zu sein»

Musiker, Familienvater, Anwalt: Andreas Christen alias DJ Arts hat einen ganz eigenen Rhythmus. Mit der Band Dabu Fantastic ist er bald live in Arbon zu erleben. Im Interview spricht er über musikalische Experimente, Silicon-Valley-Psychopathen und die Sehnsucht nach echten Begegnungen. 

Kim Berenice Geser

Andreas Christen, Sie sind seit gut 17 Jahren mit Lisa Graf, der Tochter des verstorbenen Thurgauer Alt-Regierungsrates Claudius Graf-Schelling, liiert. Da ist Arbon für Sie doch längst ein Heimspiel?

Auf jeden Fall. Darum bin ich vor Auftritten in Arbon auch immer besonders nervös. Wie vor allen Konzerten, von denen ich weiss, dass ich viele Menschen im Publikum kenne. 

Ein Umzug hierher war nie Thema?

Doch, immer wieder. Im Sommer verbringen wir fast jedes Wochenende in Arbon. Aber im Moment sind wir glücklich in Zürich.

Apropos Ortswechsel: Als Musiker hat man keinen klassischen 08/15 Alltag mit geregelten Arbeitszeiten und -orten. Wie bringen Sie Ihre Beziehung und die beiden Kinder mit Ihrer Karriere unter einen Hut?

Es stimmt, mein Beruf braucht Flexibilität und wir haben uns als Familie darauf eingestellt. Ich habe zum Glück Kinder und eine Partnerin, die damit sehr gut umgehen können. Und die Arbeit als Musiker ist wellenförmig, mal ist viel los, mal ist es eher ruhig. Das gibt uns die Möglichkeit, das Familienleben entsprechend zu gestalten. Ich habe deshalb nicht das Gefühl, weniger Zeit für meine Familie zu haben, als jemand, der in einem Bürojob arbeitet. 

Vater zu werden, ist ein einschneidendes Erlebnis. Genauso wie sich neu zu verlieben. Ihrem Band-Partner Dabu Bucher ist das während der Arbeit am neuen Album «Ciao Baby, Ciao» passiert und hat seinen Fokus von der Musik auf die Beziehung gelenkt. Wie geht man als Band mit solchen Wendepunkten im Leben um?

Das sind krasse Einschnitte und sie haben das Potenzial zum Scheitern, wenn kein Verständnis da ist. Weil wir zwei uns jedoch schon so lange kennen und gemeinsam Musik machen, können wir damit umgehen. Kommunikation ist dabei das A und O. Wenn mich etwas bedrückt, nervt, egal was und warum, ist es wichtig, dass ich es anspreche und wir darüber reden. So haben wir einen Weg zur Zusammenarbeit gefunden, der alles erträgt.

«Ein guter Song hat immer eine universelle Komponente.»
Andreas Christen

Geht das auch über die berufliche Zusammenarbeit hinaus?

Dabu und ich sind beste Freunde. Wenn man gemeinsam Musik machen will und die Vision einer Karriere teilt, braucht es diese emotionale Verbindung. Anders ginge es gar nicht. 

Dabu ist der Songwriter der Band. Die Lieder von «Dabu Fantastic» erzählen von seinem Leben und seinen Erlebnissen. Ihre Rolle ist laut eigener Aussage, das Umsetzen seiner Ideen und Songs. Wie ist das für Sie, auf der Bühne Songs zu performen, die nicht Ihre sind?

Es war schon immer so, dass die Texte von Dabu kamen. Aber Musik zu machen ist ein langer Prozess. Häufig schreiben wir die Songs gemeinsam fertig, feilen an den Texten und der Musik. So werden die Songs im Laufe des Prozesses auch zu meinen. Das geht auch Gianluca, unserem Bassisten so, der die Songs mitproduziert. Und welche Songs aufs Album kommen und wie dieses heisst, entscheiden wir ohnehin immer gemeinsam. Das sind die Nuancen, die man von aussen nicht sieht. Dabu kommt nicht daher und sagt: So diese zehn Songs kommen aufs Album. (lacht)

Aber haben Sie nie das Bedürfnis, auch Ihre Geschichten zu erzählen?

Nein und wäre dem so, gäbe es dafür eine einfache Lösung. 

Welche?

Ich müsste eigene Songs schreiben. (lacht) Aber ich war immer schon Produzent und nicht Songwriter und das stimmt für mich. Ausserdem hat ein guter Song immer eine universelle Komponente. Die sorgt auch dafür, dass er beim Publikum gut ankommt, weil sich der Zuhörer im Text wiedererkennt und seine eigenen Erlebnisse mit den Liedern verbindet. Mir geht das mit Dabus Texten genauso. Schreibt er einen Trennungssong, weiss ich zwar, wann und wo sich das Erzählte abspielt. Aber ich weiss auch, wie sich das anfühlt, weil ich es selbst schon erlebt habe.

DJ Arts (links) und Dabu Fantastic kehren immer wieder gerne auf die Bühnen Arbons zurück. Hier am SummerDays Festival 2023.
DJ Arts (links) und Dabu Fantastic kehren immer wieder gerne auf die Bühnen Arbons zurück. Hier am SummerDays Festival 2023.
© Archiv

Die Texte und die Musik entstehen in der Regel in einem kleinen Kreis. Woher wissen Sie, welche Songs auch beim Publikum ankommen?

Früher haben wir uns diesbezüglich viel Feedback von Freunden, dem Management und so weiter geholt. Bei unseren letzten beiden Alben, unseren erfolgreichsten wohlgemerkt, haben wir das jedoch auf ein Minimum beschränkt. Inzwischen verlassen wir uns auf unseren Instinkt und nehmen das Management erst in der zweiten oder dritten Runde dazu. Das braucht allerdings Mut und Erfahrung. Aber wir wollen nicht, dass unsere Ideen verwässern, sonst spüren uns die Menschen nicht mehr. Und ich will damit nicht sagen, dass alles, was wir machen, ein Hit wird. Doch wir haben die Erfahrung gemacht, dass das, was uns Spass macht, auch beim Publikum ankommt. 

Das kann aber auch schief gehen, vor allem, wenn eine Band einen neuen Stil ausprobieren will.

Auch hier braucht es Mut, hin und wieder etwas auszuprobieren. Natürlich geht man ein Risiko ein, wenn man stilistisch andere Songs produziert. Aber es ist ein Risiko, das es sich lohnt einzugehen. Denn will man durchwegs einem spezifischen Sound-Bild entsprechen, läuft man als Band schnell Gefahr, beliebig und langweilig zu klingen. Wie gesagt, aus meiner Erfahrung lässt sich das Publikum immer begeistern, sofern wir unseren Sound wirklich gut finden und das auch so rüberbringen. 

Dennoch hat auch Ihr Management noch ein Wörtchen mitzureden. In der SRF-Doku «Dabu Fantastic – Ein Musiker geht all in», in der die Arbeit am neuen Album dokumentiert wurde, äussert sich Ihr Manager erst einmal kritisch gegenüber der Songauswahl. Seiner Aussage nach, klang ihm diese zu wenig nach «Dabu Fantastic». Stimmen Sie dem zu?

Nein. «Aline», einer der Songs, die er anfangs stark kritisierte, ist inzwischen der erfolgreichste Song auf dem Album. Aber er hat ausgelöst, dass wir uns noch einmal intensiv Gedanken gemacht haben und Dabu angestachelt wurde, noch einmal zwei Songs zu schreiben, die jetzt auf dem Album sind. Diese Prozesse sind nervig, aber nötig. (schmunzelt)

Ob Songs beim Publikum ankommen, ist heute auch mit der Datenerfassung auf Streamingplattformen messbar. Was macht das mit Ihnen als Musiker?

Diese Entwicklung ist wahnsinnig hart und hat uns als Band eine Zeit lang richtig mitgenommen. Wir haben alles hinterfragt: Hätten wir an diesem Refrain noch was machen sollen? Wäre hier ein anderer Akkord besser gewesen? Dabei ist das alles völlig absurd. 

«Wir müssen uns dringend von diesem Pfad lösen, um nicht mehr den Zahlen dieser psychopathischen Typen aus dem Silicon Valley ausgeliefert zu sein.»
Andreas Christen

Warum?

Das Monitoring auf den Sozialen Medien – und dazu zähle ich inzwischen auch «Spotify» – ist völlig irrelevant. Es gaukelt uns nur vor, dass diese Messungen für uns wichtig sind. Das stimmt überhaupt nicht. Wichtig ist die Verbindung zu den Menschen, die wir mit unserer Musik herstellen. Wir müssen uns deshalb dringend von diesem Pfad lösen, um nicht mehr den Zahlen dieser psychopathischen Typen aus dem Silicon Valley ausgeliefert zu sein. 

Wie abhängig sind Sie aktuell von den Sozialen Medien?

Noch zu fest. Wenn Mark Zuckerberg heute entscheidet, dass er unsere Inhalte nicht mehr auf seinen Plattformen zeigen will, weil wir uns öffentlich schlecht über seinen Konzern Meta geäussert haben, ist unser Geschäftsmodell am Arsch. 

Und was können Sie dagegen tun? 

Wieder möglichst direkt in Verbindung zu unseren Fans gehen. 

Also mehr Konzerte spielen?

Zum Beispiel. Oder Events veranstalten beziehungsweise daran teilnehmen. Statt Posts auf den Sozialen Medien zu veröffentlichen wäre auch ein Newsletter möglich. Oder Videocalls, in denen man sich online trifft zum Austausch und gemeinsamem Musizieren. Solange wir den Umweg über die Streaming-Plattformen und die Sozialen Medien machen, sind wir abhängig von ihnen. Die haben aber nun mal nicht unser Wohlergehen im Sinn. Unser Überleben sichern wir nur durch den direkten Kontakt mit den Menschen. Das ist die Zukunft.

Es könnte allerdings auch finanzielle Konsequenzen haben. Leben Sie wie Dabu zu 100 Prozent von der Musik?

Nein, ich arbeite noch 60 Prozent als Anwalt.

Das sind zwei sehr unterschiedliche Jobs.

In meinem Fall nicht wirklich. Wenn du, wie Dabu und ich, dein eigener Act bist, bist du zu 50 Prozent Musiker und zu 50 Prozent Unternehmer. Du machst Buchhaltung, zahlst Löhne, führst Mitarbeitergespräche, entwickelst Strategien. Davon ist mein Anwaltsjob nicht weit weg, zumal ich Anwalt für Werbung, Lizenzrechte und solche Sachen bin. Also alles Unternehmensbereiche, für die ich auch in der Band zuständig bin. 

Das rückt dieses romantische Bild des Musiker-Daseins in ein ganz anderes Licht.

Das schöne an der Musik ist, dass sie die Menschen das vergessen lässt. Vor allem heute, wo uns die Welt um die Ohren fliegt und man fast depressiv wird beim Blick aufs Newsportal, ist es wundervoll, sich zwischendurch für 40 Minuten in der Musik zu verlieren. Und nicht daran denken zu müssen, dass dahinter ein hartes, kapitalistisches Business steckt.

«Dabu Fantastic» im Arboner Presswerk

Am 1. März machen «Dabu Fantastic» auf ihrer «Ciao Baby, Ciao»-Tour halt in Arbon. Bisher spielten sie vor ausverkauften Hallen. Für das Konzert im «Presswerk» gibt es zum Glück noch einige wenige Tickets. Der Vorverkauf läuft online über ticketcorner.ch. 

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