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Ein Umweltsünder will grün werden

Die Firma Welser in Horn tut viel dafür, ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Dabei kehrt das Unternehmen nicht nur vor der eigenen Haustür, sondern zieht auch seine Partner in die Verantwortung

Kim Berenice Geser

55 Millionen Tonnen CO₂ stösst die Stahlproduktion in Deutschland jährlich aus. Das Land gehört zu den grössten Stahlproduzenten Europas. Der jährliche CO₂-Ausstoss entspricht gemäss dem Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) rund 28 Prozent der gesamten jährlichen Industrieemissionen Deutschlands. Zum Vergleich: Das neue CO₂-Gesetz der Schweiz, über welches der Ständerat diese Woche beraten hat, sieht vor, dass die Schweiz dieselbe Summe CO₂ einsparen soll, jedoch in einem fünfjährigen Zeitraum von 2025 bis 2030 und dies über das ganze Land gesehen. Was dieses kleine Zahlenspiel zeigt: Der ökologische Fussabdruck der Stahlindustrie ist gravierend. Im Bestreben der Industriebranchen klimaneutraler zu werden, nimmt die Stahlindustrie folglich eine zentrale Rolle ein. Dieser Verantwortung ist sich auch die Welser AG in Horn bewusst. Die Tochterfirma der Unternehmensgruppe Welser Profile ist als Logistikzentrum in der Schweiz Umschlagplatz von fertigen Profilen und Profilsystemen. Die in Horn zur weiteren Distribution angelieferten Waren bestehen hauptsächlich aus Stahl, der in Deutschland und Österreich gefertigt wurde.

Bis 2050 CO2 -neutral

«In der Stahlindustrie ist man sich der negativen Auswirkungen auf das Klima schon lange bewusst», sagt Claudio Forster, Geschäftsführer der Welser AG. Deshalb seien die Bemühungen für klimafreundlichere Produktionsmethoden und Unternehmensführung in der Branche enorm. In Deutschland beispielsweise soll bis 2030 ein Drittel der CO₂-Emissionen in der Stahlindustrie eingespart werden. Bis 2050 will die Industrie CO₂-neutral sein. Um diese Ziele zu erreichen, wird unter anderem an neuen Prozessen gearbeitet, mit welchen man in der Herstellung vom Umweltsünder Kokskohle wegkommt und auf wasserstoffbasierte Produktionsmethoden umstellt. «Bereits heute verkaufen wir einen gewissen Anteil dieses CO₂-reduzierten Stahls», so Forster. Dieser sei aber je nach Hersteller zwischen 70 und 200 Euro pro Tonne teurer. «Noch sind nicht alle Kunden bereit, diesen Aufpreis zu bezahlen.»

«Irgendwo musst du anfangen, sonst haben wir keine Chance.»
Claudio Forster

Weg von Verbrennungsmotoren

Während die Umstellung der Rohstofflieferanten auf klimaneutralere Produktionsmethoden noch Jahre dauern wird, ist man bei «Welser» schon weiter. Vom jährlichen Umsatz in Höhe von rund einer Milliarde Euro werden rund 70 Millionen Euro in den Bau von PV-Anlagen, den Ausbau der Kreislaufwirtschaft und die Forschung investiert. Dabei ist Horn ein Vorzeigebetrieb im Unternehmen. «Am Horner Standort sind wir bereits jetzt so CO₂-neutral wie möglich», sagt Forster. Das reicht vom Ersatz der Kabelbinder mit Stahlbändern über den Strom bis hin zur Transportlogistik. Auf den Dächern der Welser AG befindet sich eine PV-Anlage, die bis zu 1,2 Gigawattstunden Strom pro Jahr produziert. Ausgehend von einem durchschnittlichen Jahresverbrauch eines Schweizer Haushaltes von 5000 kWh liessen sich mit der Welserschen Anlage jährlich bis zu 240 Haushalte versorgen. Was auch der Fall ist. «Wir speisen etwa 70 Prozent unseres Stroms ins Netz ein.» Dies obwohl sämtliche Anlagen sowie Gabelstapler und Reinigungsmaschinen elektrisch betrieben sind und das Unternehmen dieses Jahr seinen ersten E-LKW in Betrieb genommen hat. «Damit können wir unsere Kunden im Umkreis von 60 Kilometern emissionslos beliefern.» Und auch die Speditionen nimmt die Welser AG in die Pflicht: «Wer für uns Aufträge übernimmt, muss für die Fahrten LKWs mit der Euro 6 Klasse einsetzen.» Ab 2025 muss diese Norm für die gesammte Flotte eingehalten werden und ab 2030 müssen Partnerspeditionen mindestens einen alternativen Energieträger im Portfolio führen. «Sonst fahren sie nicht mehr für uns.»

Einer muss anfangen

Seit rund einem Jahr werden zudem zwei Drittel der Waren mit der Bahn nach Horn geliefert. Dabei ist der Transport mit der Bahn nicht unproblematisch. «Wir können im Vorfeld nie abschätzen, wie lange eine Lieferung aus unserem Deutschen Werk hat, bis sie bei uns eintrifft.» Die Reise könne für dieselbe Strecke zwischen drei Tagen und einer Woche in Anspruch nehmen. In dieser Zeit seien die Produkte Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen ausgesetzt. Dennoch will man bei der ökologischen Transportmethode bleiben. «Wir versehen deshalb seit letztem Jahr jede Lieferung mit einem Gerät, das Feuchtigkeit und Temperatur misst.» Anhand der gesammelten Daten soll ermittelt werden, ob es zusätzliche Massnahmen für den unbeschadeten Warentransport braucht. Dennoch bleibt die Frage: Ist dies für einen Konzern, der jährlich gesamthaft 2186 Tonnen CO₂-Emissionen generiert, nicht ein Tropfen auf den heissen Stein? Nein, antwortet Forster bestimmt. «Irgendwo musst du anfangen, sonst haben wir keine Chance.»

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