Einfluss oder nicht, das ist die Frage
Laura GansnerIn der kühlen Lagerhalle an der Arboner Zelgstrasse steht ein hausgrosser Kubus. Bei diesem handelt es sich um einen sogenannten Auto-Store: ein Kleinteillager, in welchem 48 Roboter bis zu 30 000 mit Waren gefüllten Boxen ablagern, umstapeln und zur Komissionierung bereitstellen. «Im Durchschnitt legen sie 120 Kilometer pro Tag zurück», weiss Marc Messerli, Versandmanager bei der MS Direct AG. Eine Strecke, die sie ihren Mitarbeitenden nicht zumuten könnten. Doch der Auto-Store sei nicht nur im Sinne der Automatisierung der Prozesse und der Unterstützung der Mitarbeitenden eine Anschaffung, welche Ressourcen schone. «10 Roboter verbrauchen an einem Tag ungefähr so viel, wie eine Stunde staubsaugen», erklärt Messerli. Das Lager müsse ausserdem weder beleuchtet noch beheizt werden, so dass auch hier Energie eingespart werden kann. Auf wie viel sich diese belaufen, sei schwierig abzuschätzen, meint Anja Herzog, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der MS Direct AG. Klar sei, dass sich das Thema Nachhaltigkeit mit dem Auto-Store für «MS Direct» nicht erledigt hat.
Die Mitarbeitenden sind gefragt
«Eines unserer wichtigsten Instrumente im Bereich Nachhaltigkeit ist die Sensibilisierung der Mitarbeitenden», erklärt Herzog. Keine einfache Aufgabe, denn die MS Direct AG beschäftigt rund 600 Mitarbeitende, die Hälfte davon in Arbon. «Unter anderem motivieren wir unsere Mitarbeitenden dazu, sich für nachhaltigere Anfahrtsmöglichkeiten zu entscheiden», berichtet Herzog. So würde die MS Direct AG beispielsweise einen Beitrag von 450 Franken an das öV-Abonnement ihrer Mitarbeitenden bezahlen. Bei der Frage, wie stark die Option genutzt werde, seufzt Herzog: «Wir können die Mitarbeitenden natürlich nicht dazu zwingen, diese Chance zu nutzen.» Konkrete Zahlen seien dazu aktuell noch nicht vorhanden. Dafür zu den Hauptemissionstreibern der «MS Direct». Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2021. Das Unternehmen war in dem Jahr für den Ausstoss von rund 2500 Tonnen CO₂ verantwortlich. Mit 40 Prozent ist dabei die Anfahrt der Mitarbeitenden der grösste Emissions-Verursacher. Darauf folgt mit 36,6 Prozent die Sparte «Sonstiges», worunter Dinge wie Betriebsabfall, Logistik oder auch Geschäftsreisen fallen. Der Stromverbrauch macht 8,4 Prozent der Gesamtemissionen aus, elektronische Geräte sind für 7 Prozent verantwortlich, das Verpackungsmaterial für 8 Prozent. «Mit Hilfe der Ausmessung der Geodaten der Artikel können wir unterdessen für passgenaue Abpackungen sorgen», erklärt Herzog die Bestrebungen zur Emissions-Reduktion bei Letzterem. So werde Leerraum vermieden und der Materialverschleiss reduziert. «Bei der Verpackung sind wir nur für einzelne Materialen zuständig, der Grossteil wird von unseren Kunden bestimmt», merkt Herzog an. Sie als Dienstleister würden zwar eine beratende Funktion einnehmen, aber «am Ende liegt diese Entscheidung beim Kunden».
«Das ist Sache der Kundschaft»
Nicht inkludiert bei den Hauptemissionstreibern ist ein Aspekt, der zentral für den E-Commerce ist: der Transportweg. «Produkte, die durch unsere Kunden beschafft wurden, zählen nicht zu unserem Fussabdruck», erläutert Anja Herzog. Ihr Einfluss sei ausserdem auch im Bereich der Mobilität alleine beratender Natur. Dafür könnten sie nicht Verantwortung übernehmen; genauso wenig für das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten. «Im Schweizer E-Commerce werden im Textil-Bereich rund 50 Prozent der Produkte retourniert», berichtet Herzog. Es würde sich nur schon lohnen, wenn sich die Konsumentinnen und Konsumenten genauer überlegen würden, was sie brauchen und was nicht. Oder sich nicht vom Wetter beeinflussen lassen. «Ein verregnetes Wochenende spüren wir am Montagmorgen an einem erheblichen Mehraufwand im Versand direkt», erzählt Marc Messerli aus seiner Erfahrung im Bereich der Auftragsabwicklung. Die Sensibilität betreffend der Auswirkungen des Online-Shoppings auf die Umwelt wachse jedoch merklich.
Die Macht der Konsumenten
Der Druck auf Online-Shops, auf Nachhaltigkeits-Themen zu achten, steige von Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten, so Herzog: «Immer mehr bieten deshalb Angebote wie Langsamversand oder Kompensation für CO₂-Emissionen an.» Letzteres nimmt auch die MS Direct AG in ihrer Funktion als Verteilzentrum wahr. Über den Zeitrahmen von 2020 bis 2023 hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der ClimatePartner GmbH rund 9800 Tonnen CO₂ kompensiert. Dieser Schritt sei im ersten Moment mit Mehrkosten für das Unternehmen verbunden, da zuerst alle Emissions-Daten zusammengetragen werden müssen, aber, so Herzog: «Durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten werden Regionen und Menschen unterstützt, die am stärksten von der Klimaerwärmng betroffen sind.» Damit aber ein wahrer Wandel zustande kommen könne, brauche es an erster Stelle die Bemühungen des Unternehmens, Emissionen zu reduzieren sowie das Engagement aller Anspruchsgruppen aus dem E-Commerce: Konsumentinnen und Konsumenten, die eine bewusstere Auswahl treffen und Lieferanten, die umdenken.