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«Ich mache die Welt etwas gerechter»

Er gilt als «Geizhals und Streithahn der Nation». Doch dank Preisüberwacher Stefan Meierhans spart die Schweiz jährlich zwischen 200 und 500 Millionen Franken. Mit seinem Amt will er auch «Friedenszeichen» setzen. Das passt zum Motto der Arboner Bettagsfeier, an welchem «Monsieur Prix» als Gastredner auftritt.

Andrea Vonlanthen

Sie haben im Juni die Arboner Seniorenvereinigung in Bern empfangen. Woran erinnern Sie sich?

Stefan Meierhans: Eine grosse Herausforderung! Es war nach dem Mittagessen, und da steht man in Konkurrenz mit der Siesta. Aber mir wurden viele gute Fragen gestellt. Eine aufgestellte Truppe, das hat Spass gemacht.

Welche Preiserhöhungen ärgern Sie momentan besonders?

Immer noch die ÖV-Preiserhöhungen im letzten Jahr. Ich bekomme nach wie vor viele Zuschriften dazu. Ich konnte die Erhöhung zwar etwas eingrenzen, aber die Preisentwicklung im öffentlichen Verkehr macht mir Sorgen. Viele Leute mit kleinem Portemonnaie bekommen Probleme.

Werden Sie selber auf das kommende Jahr die Krankenkasse wechseln?

Ich warte noch ab, bis die neuen Prämien veröffentlicht werden. Das wird nächstens der Fall sein. Wenn die Erhöhung mehr als fünf Franken ausmacht pro Monat, wechsle ich in der Regel die Kasse.

«Sparen ist etwas, das sich aus der Not selbst entwickelt.»
Stefan Meierhans

Wie bringen Sie Ihren Teeny-Töchtern Lena und Sophie das Sparen bei?

Ein grosses Thema am Familientisch sind die Preise für Kosmetika. Unsere Töchter haben ein GA. Sie haben beschlossen – ich sollte es fast nicht öffentlich sagen –, dass sie ab und zu nach Deutschland fahren, um sich dort einzudecken. Das GA bezahlen wir, aber sonst müssen sie mit ihrem Jugendlohn zurande kommen. Darum sagen sie: «Es lohnt sich für uns, nach Weil am Rhein oder nach Lörrach zu fahren.» Ich habe sie nicht dazu aufgefordert. Sparen ist also etwas, das sich aus der Not selbst entwickelt.

Sie seien «ein bekennender Bünzli», haben Sie der «Coop-Zeitung» verraten. Was hat Sparen mit «Bünzli» zu tun?

Ich meine das im besten Sinne des Wortes. Wir Schweizer gelten alle ein bisschen als «Bünzli». Das Sparen ist eine Tugend von uns. Wir haben das bei Corona gesehen. Wären wir nicht ein wenig sparsam gewesen, hätten wir im Finanzhaushalt noch viel grössere Probleme bekommen. 

Welches ist bei Ihnen ein typisches «Bünzli»-Kennzeichen?

Ich bin überversichert. Ich habe überall Reiseversicherungen. Die Schweizer sind weltweit am besten versichert. Das ist auch ein Reflex unseres Charakters. Wir sind sehr vorsichtig.

Der «Geizhals» der Nation spricht an der Bettagsfeier über die Kunst, Kompromisse zu finden.
Der «Geizhals» der Nation spricht an der Bettagsfeier über die Kunst, Kompromisse zu finden.
© Andrea Vonlanthen

Was hat Sie 2008 gereizt, das Amt des Preisüberwachers anzutreten?

Die Verbindung von Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Es gibt wenige öffentliche Aufgaben in unserem Land, die so nahe bei der Wirtschaft sind. Und es ist ein Amt, das Sinn stiftend ist. Man muss als Preisüberwacher zwar immer wieder Niederlagen verarbeiten, aber man bekommt auch viel Zuspruch. Grosseltern schreiben mir: «Dank den neuen Spartickets kann ich meine Enkel öfter besuchen.» Daran habe ich mega Freude. 

Ihre grösste Triebfeder als «Monsieur Prix»?

Der Ärger über Ungerechtigkeiten. Glücklicherweise darf ich in meinem Job dazu beitragen, die Welt ein bisschen gerechter zu machen.

Wie gross ist Ihr Amt heute?

Ich beginne mit den Kosten. Die Kosten für das Amt betragen rund 5 Millionen. Wir haben 20 Vollzeitstellen. Diese teilen sich 17 Frauen und 7 Männer, oft in Teilzeit.

Fünf Millionen Kosten – was profitiert unsere Gesellschaft anderseits von Ihnen?

Dazu führe ich eine Statistik. Das sind zwischen 200 und 500 Millionen jährlich. Letztes Jahr war es eine halbe Milliarde. Prophylaktische, also vorbeugende Wirkung nicht mit eingerechnet.

«Das Volk hat die Institution «Preisüberwacher» in die Verfassung geschrieben.»
Stefan Meierhans

Sie betonen gerne Ihre Unabhängigkeit. Doch wem sind Sie letztlich verantwortlich?

In erster Linie dem Volk. Es hat die Institution «Preisüberwacher» in die Verfassung geschrieben. In der Regel treffe ich einvernehmliche Regelungen – finde also Kompromisse. Doch wenn ich etwas verfügen muss, dann ist die nächste Instanz das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen und dann das Bundesgericht in Lausanne.

Sie wollen «faire Preise und eine transparente Preispolitik». Was ist ein fairer Preis?

Wenn es einen wirksamen Wettbewerb gibt, dann ergibt sich aus dem Wettstreit auf dem Markt ein fairer Preis. Deswegen überprüfe ich besonders Preise, die keinem Wettbewerb ausgesetzt sind. Dann vergleiche ich sie mit Preisen, die im Wettbewerb stehen. Ich lege Preise also so fest, dass die daraus resultierenden Gewinne wie bei Firmen im Wettbewerb ausfallen. Aber stets gilt: Wirksamer Wettbewerb ist der beste Preisüberwacher.

Sie haben im letzten Jahr 2775 Meldungen bekommen, so viele wie nie zuvor. Waren es meist berechtigte Beschwerden?

Ich habe gerade die Zahlen für dieses Jahr bekommen. Sie liegen noch um zehn Prozent höher als 2023. Weil wir im Internet eine Wegleitung haben, gibt es kaum unberechtigte Beschwerden. Aber es gibt oft massierte Eingaben. Wir haben viele Beschwerden bekommen zu Onlineplattformen, sei es im Auktions-, im Fahrzeug- oder auch im Immobilienbereich. Da hat man sich offensichtlich abgesprochen.

Welches sind die Top-Themen bei den Beschwerden?

Ganz oben stehen die Gesundheit, also die Krankenkassenprämien und die Gesundheitsdienstleistungen, und die Telekommunikation. Energie steht auch nach wie vor weit oben, hat aber markant nachgelassen. Die Preise sind hier gesunken.

Dass es in der Schweiz seit dem Untergang der CS nur noch eine Grossbank gibt, macht Preisüberwacher Stefan Meierhans zu schaffen, darum schaut er vor allem bei den Zinssätzen genau hin.
Dass es in der Schweiz seit dem Untergang der CS nur noch eine Grossbank gibt, macht Preisüberwacher Stefan Meierhans zu schaffen, darum schaut er vor allem bei den Zinssätzen genau hin.
© Andrea Vonlanthen

Sie können Preissenkungen empfehlen oder gar verfügen. Wie oft kommt es zu einer Verfügung?

Sehr selten. Das Gesetz schreibt mir vor, dass ich einen Kompromiss, also einvernehmliche Lösungen suchen soll. Ich müsste es dem Gericht auch beweisen, dass ich das versucht habe. Die letzte Verfügung gab es vor drei Jahren. Sie ist jetzt vor Bundesgericht.

Wie gehe ich als einfacher Konsument vor, wenn ich meine, eine Gebühr sei zu teuer, eine Prämie überrissen?

Am einfachsten läuft es im Internet. Da gibt es ein Formular. Neu kann man auch anonyme Meldungen machen. 

Welches war zuletzt Ihr grösster Erfolg?

Im Gesundheitswesen die Senkung der Spitaltarife. Das hat Milliarden gebracht. Das gleiche bei den Medikamenten und Labortarifen. Der Wermutstropfen: Wenn bei einem Medikament der Preis halbiert wird, dann werden plötzlich doppelt so viele Pillen gegessen. Dann ist der Spareffekt schon weg.

Welches Thema macht Ihnen gerade am meisten zu schaffen?

Die UBS. Früher konnten Unternehmungen zwischen UBS und CS wählen. Da spielte der Wettbewerb. Jetzt gibt es für gewisse Geschäfte nur noch eine Grossbank. Die Situation ist für viele Unternehmungen schwieriger geworden, beispielsweise bei der Exportfinanzierung. Das macht mir Sorgen. Darum schaue ich genau hin, zum Beispiel bei den Zinssätzen.

«Ich schätze die offene Art der Ostschweizer.»
Stefan Meierhans

Sie sind in Altstätten geboren. Was verbindet Sie noch mit der Ostschweiz und auch mit dem Thurgau?

Nur schon der Dialekt! Alle hören es, dass ich aus dem fernen Osten komme. Ich bin ab und zu in der Ostschweiz. Ich schätze die offene Art der Ostschweizer. Mein Vater wohnt noch in Altstätten, eine Tante in Aadorf. Ich war auch gerade an einem Anlass der Thurgauer Mitte auf Schloss Klingenzell.

Am Bettag stehen Sie in Arbon auf der Kanzel der evangelischen Kirche. Was motiviert Sie dazu?

Ich bin überzeugtes Mitglied der Volkskirche. Ich finde, die Kirchen haben in unserer Gesellschaft eine grosse, wichtige Aufgabe. Darum engagiere ich mich kirchlich nach meinen Möglichkeiten, auch in unserer Petrus-Gemeinde in Bern. Für mich ist es eine grosse Ehre, an dieser Feier mitzuwirken. Ich freue mich enorm darauf.

Wozu möchten Sie die Arboner Bettagsfeier nutzen?

Das Thema «Friede sei mit euch!» ist sehr aktuell, aber auch eine Herausforderung für mich. Ich bin ja nicht nur der Geizhals, sondern auch der Streithahn der Nation. Aber der Gesetzgeber hat mich verpflichtet, zuerst den Kompromiss zu suchen. Das ist auch ein Friedenszeichen. Da möchte ich auch von meinen Erfahrungen erzählen. Ich freue mich ebenso auf die Gemeinschaft in Arbon. 

Sie stehen auch sonst gelegentlich auf einer Kanzel. Woher kommt Ihre Freude am Predigen?

Ich werde gelegentlich angefragt und sage dann gerne ja. Als Reformierte haben wir das allgemeine Priestertum. Wir sind auch als Kirchbürger aufgefordert, mitzudenken. Doch ich bin vor dem Predigen immer nervöser als vor anderen Auftritten. 

«Dominus Providebit», der Herr wird versorgen: So steht es auf dem Rand des Fünflibers. Was bedeutet Ihnen diese Aufschrift?

Ich glaube, dass es wichtig ist, ein Grundvertrauen zu haben. Wir sind zwar am besten versichert, müssen uns aber im Prinzip keine Sorgen machen um unsere Existenz. Für mich stimmt dieser Spruch in der Schweiz wirklich: «Der Herr wird versorgen.» Dafür bin ich dankbar.

Zuletzt Ihr wichtigster Tipp an uns Konsumenten und Konsumentinnen?

Vergleichen, vergleichen, vergleichen!

Arboner Bettagsfeier

Die 12. politische Bettagsfeier mit Preisüberwacher Stefan Meierhans findet am Sonntag, 15. September, um 17 Uhr in der evangelischen Kirche Arbon statt. Sie steht unter dem Motto «Friede sei mit euch!». An der Feier wirken auch Grossratspräsident Peter Bühler, Stadtpräsident René Walther, einige örtliche Politikerinnen und Politiker, die Sängerin Mathea Oberholzer und die Jugendmusik Arbon mit. Zum anschliessenden Apéro sind alle Besuchenden eingeladen.

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