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«Immer mehr Häuser werden Freitod zulassen»

Selbstbestimmtes Sterben im Altersheim – ob dies möglich ist, entscheidet im Kanton Thurgau jede Institution selbst. In den Alters- und Pflegeeinrichtungen in Arbon und Horn besteht nicht überall die Möglichkeit dazu.

Kim Berenice Geser

Das Thema Freitod in Pflegezentren kam kürzlich im Grossen Rat aufs Politparkett. In einer Einfachen Anfrage wollte Bruno Lüscher (FDP) wissen, wie der Regierungsrat zu einem Obligatorium für assistierten Suizid in Pflegeheimen steht. Denn die Zahlen der Suizidbeihilfe im Kanton Thurgau haben sich markant verändert. 2010 waren es noch sieben Fälle, 2021 bereits 36 (wieviele davon in einem Alters- oder Pflegeheim stattfinden, wird statistisch nicht erfasst). Ein Bedürfnis scheint da zu sein. Dennoch sieht der Regierungsrat, eine obligatorische Weisung für Alters- und Pflegeeinrichtungen, assistierten Suizid in ihren Räumlichkeiten zuzulassen, nicht für erforderlich an. Das sieht auch Marlene Schadegg, Geschäftsführerin des Alters- und Pflegeheims Sonnhalden und Präsidentin des Vereins Curaviva Thurgau, so: «Ein solches Angebot ist nicht auf Knopfdruck umsetzbar.» In der «Sonnhalden» besteht die Möglichkeit, begleitete Sterbehilfe im Pflegeheim in Anspruch zu nehmen, erst seit diesem Jahr. Genutzt wurde es seit dem einmal. Dem Entscheid sei eine vertiefte Auseinandersetzung der ganzen Institution mit der Thematik vorausgegangen. Denn im Grundsatz pflege man eine lebensbejahende Haltung. «Doch wenn einem Selbstbestimmtheit auch im Alter wichtig ist, kommt man nicht umhin, den assistierten Suizid zuzulassen», konstatiert Schadegg. Sie geht deshalb davon aus, dass künftig immer mehr Häuser die begleitete Sterbehilfe ermöglichen werden. Diesen Prozess durch einen kantonalen Zwang zu beschleunigen, sieht sie indes nicht für angebracht.

Religiöse Prägung spielt eine Rolle

Volker Vatter, Geschäftsleiter der Stiftung Seevida, geht mit Schadegg einig. «Es gibt Häuser, die sich aufgrund von kulturellen oder religiösen Prägungen gegen ein solches Angebot aussprechen.» Diese mittels Anordnungen dazu zu zwingen, gegen ihre eigenen Ideologien zu verstossen, erachtet er als schwierig. Zumal ältere Menschen, die einen Freitod in Betracht ziehen würden, im Vorfeld ja die Möglichkeiten hätten, eine Institution zu wählen, die einen solchen bei Bedarf zulässt.

In der «Seevida» ist die begleitete Sterbehilfe bereits seit 2018 möglich. In Anspruch genommen haben sie bisher drei Personen. Durchgeführt wird diese – wie in den übrigen hier genannten Häusern auch – durch Institutionen wie «Exit». «Wir stellen für den begleiteten Tod unser Personal nicht zur Verfügung», so Vatter. Gleiches gilt für die «Senevita Giesserei», welche die Möglichkeit zur Sterbehilfe seit 2021 in ihren Heimen zulässt.

Auswärts sterben

Das Alters- und Pflegeheim National lässt den assistierten Suizid in ihren Räumlichkeiten aufgrund der christlichen Ausrichtung nicht zu. Im Pflegeheim Bellevue darf «Exit» zu Vorbereitungsgesprächen in die Institution. Der Vollzug muss jedoch ausserhalb getätigt werden, wie Geschäftsleiterin Franziska Stübi auf Anfrage mitteilt. Im Seniorenzentrum Horn gilt dieselbe Regelung. «Als Heimleiter kann ich das Bedürfnis für ein solches Angebot nachvollziehen», sagt Kurt Schmid. Auch sie hätten Bewohnende, die «Exit»-Mitglieder seien. Er beobachte jedoch, dass mit der Palliativpflege der Freitod kaum mehr Thema sei. «Für viele ist es vor allem die Angst vor den Schmerzen, die sie zu diesem Schritt bewegt.»

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