Sicherheit in Frage gestellt
Laura Gansner«Kein Fussgängervortritt» ist auf einem aktuellen Flyer der Kantonspolizei Thurgau zur Tempo–30– Zone zu lesen. «Als ich das gelesen habe, wurde ich stutzig», beginnt Arthur Stark seine Ausführungen. Dies habe ihn an eine Informationsveranstaltung der Stadt erinnert, bei welcher das Gegenteil deklariert wurde. Damals ging es um die Entfernung von fünf Fussgängerstreifen in Tempo–30–Zonen; auf der Brühlstrasse, der Rebenstrasse, der Bahnhofstrasse, der Hauptstrasse sowie auf der Promenadenstrasse. Bei einer Begehung mit dem Stadtrat habe es geheissen, dass Fussgänger sehr wohl Vortritt hätten. Fussgängerstreifen brauche es dementsprechend keine. In einem offenen Brief an die Stadt Arbon, welchen Stark Ende Januar einreichte, stellt er deshalb die Forderung auf, «für die Sicherheit insbesondere der Schüler und älteren Menschen» an neuralgischen Punkten die Fussgängerstreifen wieder einzeichnen zu lassen. Die Antwort des Stadtrats macht klar: Dies wird nicht geschehen.
Stadt hält Kantonsentscheid vor
Der Flyer der Kantonspolizei Thurgau bekräftige – gegenteilig zu Stark – «die von der Stadt Arbon bisherigen Aussagen»: Fussgängerinnen und Fussgänger haben in der Tempo–30–Zone keinen Vortritt, heisst es im von Stadtpräsident René Walther unterzeichneten Antwortschreiben an Arthur Stark. Die Entfernung der Fussgängerstreifen habe damals im November 2019 aufgrund der «vom Kanton Thurgau angeordneten Massnahmen der Demarkierung sämtlicher Fussgängerstreifen in der Altstadt» stattgefunden. Erklärt wird dieser Entscheid anhand von zwei Sachverhalten. Es wird zuerst auf die sogenannten «Big–Five–Kategorien» verwiesen, welche die fünf wichtigsten Anforderungen an einen Fussgängerstreifen zusammenfassen: genügend Sichtverhältnisse, Fussgängerschutzinseln, die Zweistreifigkeit der zu querenden Fahrstreifen, Beleuchtung sowie die Fussgängerfrequenz. Die genügenden Sichtverhältnisse lassen Arthur Stark aufhorchen. «Gerade die Situation vor der katholischen Kirche sowie der Übergang von der Frieden– auf die Rebenstrasse ist doch alles andere als übersichtlich», ist er der Meinung. Auf Rückfrage bei der Stadt Arbon heisst es schlicht, dass die notwendigen Sichtweiten an den besagten Stellen geprüft und erfüllt seien. Ein weiteres Argument spreche ausserdem gegen die Fussgängerstreifen.
Sicherer ohne Fussgängerstreifen
Falls der durchschnittliche tägliche Verkehr unter 3000 Fahrzeugen pro Tag liegt, würden die Zeitlücken zwischen zwei Fahrzeugen ausreichen, um eine Strasse ohne Fussgängerstreifen zu überqueren, heisst es im Antwortenschreiben der Stadt Arbon. Entsprechende Messungen auf der Haupt– und der Promenadenstrasse in den Jahren 2013 und 2014 hätten ergeben, dass die Zielwerte unter den 3000 Fahrzeugen pro Tag liegen. Dieser Richtwert basiert auf Vorgaben des Schweizerischen Verbands der Strassen– und Verkehrsfachleute (VSS). Auf Nachfrage gibt die Stadt Arbon bekannt, dass 2019 erneute Messungen stattgefunden haben, bei welchen der Richtwert knapp überschritten wurde. Dass man sich im Schreiben auf den älteren und nicht den neuen Richtwert bezieht, liegt daran, dass sich die Anordnung des Kantons zur Entfernung der Fussgängerstreifen auf die erste Messung bezog. Ob nun eine neue Beantragung beim Kanton für die Wiederanbringung der Fussgängerstreifen in Erwägung gezogen werde, bleibt auf Nachfrage bei der Stadt Arbon offen. Doch das Sicherheitsbedürfniss der Fussgängerinnen und Fussgänger, mit welchem sich Arthur Stark an die Stadt gewandt hat, wird nicht ignoriert, aber aus einer anderen Perspektive betrachtet. Während Stark argumentiert, dass doch insbesondere Schulkinder lernen, nur auf Fussgängerstreifen über die Strasse zu gehen, betrachtet die Stadt den Sachverhalt auch aus Sicht der Fahrzeuglenkenden. Diese würden schlecht frequentierte Fussgängerstreifen – und um solche habe es sich bei den entfernten gehandelt – gar nicht erst als Querung wahrnehmen. «Angebrachte Querungshilfen wie mobile Inseln ohne Markierung sind bewährtere Mittel», heisst es aus dem städtischen Tiefbauamt. Die querende Person müsse sich so bewusst dem Verkehr widmen und der ankommende Fahrzeuglenker habe die Chance, die bewusste Fussgängerquerung eines Passanten wahrzunehmen und anhalten zu können.