Tu Gutes und sprich darüber
Laura GansnerFabian Etter, wie definieren Sie Nachhaltigkeit?
Generell gesprochen bedeutet Nachhaltigkeit, langfristig zu denken und so zu agieren, dass auch künftige Generationen möglichst viele Gestaltungsmöglichkeiten haben. Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Wir als Verband swisscleantech können dabei nicht jede beachten. Wir legen den Fokus auf die Themen Energie und Klima sowie die Erreichung des Netto-Null-Ziels. Deshalb sprechen wir im Rahmen unserer Arbeit auch von einer «klimatauglichen» Wirtschaft. Damit meinen wir eine Wirtschaft, die im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris den Klimawandel auf 1,5 respektive 2 Grad begrenzen möchte.
Sie sprechen von einer klimatauglichen Wirtschaft. Ist es überhaupt verträglich, Rücksicht aufs Klima zu nehmen und gleichzeitig die Wirtschaft fördern zu wollen?
Wir haben da gar keine Option, als diese beiden Themen zusammen zu denken. Wirtschaft ist ein zentraler Treiber unseres Wohlstands. Also müssen wir herausfinden, wie sie dazu beitragen kann, die grossen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Ich bin überzeugt, dass dies machbar ist. Wir erreichen dies aber nicht alleine über Verzicht und Verbote. Es soll auch darum gehen, dass wir technische Lösungen und Innovationen finden. Aber natürlich braucht es einen regulatorischen Rahmen. Die Politik ist dabei ein wichtiger Treiber. Eine klimataugliche Wirtschaft hat aber auch andere Treiber wie zum Beispiel Anforderungen von Investoren oder die Attriaktivität der Arbeitsgebenden für Mitarbeitende. Im Austausch mit unseren Mitgliedern merken wir immer wieder, dass diese Treiber äusserst wirksam sind. So fällt es beispielsweise Unternehmen leichter, an gute Leute zu kommen, wenn sie Nachhaltigkeits-Themen glaubwürdig verfolgen und kommunizieren.
Sich Nachhaltigkeit auf die Flagge zu schreiben ist also ein gutes Marketing-Tool?
Wenn man es richtig macht, dann ist der Fokus auf Nachhaltigkeits-Themen mehr als Marketing. Wenn zum Beispiel Grossfirmen sogenannte «wissenschaftsbasierte Klimaziele» verabschieden, müssen sie diese Anforderung zur konsequenten Umsetzung an ihre Lieferanten weitergeben. Wir bei «swisscleantech» können vermehrt beobachten, dass KMUs aufzeigen müssen, was sie fürs Klima unternehmen, damit sie weiterhin als Glied in der Lieferkette eines Grossunternehmens infrage kommen.
Grossunternehmen haben andere finanzielle Mittel zur Verfügung als KMUs. Sind die Anforderungen der Grossunternehmen für KMUs denn überhaupt umsetzbar?
Es ist nicht die Erwartungshaltung, dass ein KMU dieselben Investitionen tätigen kann wie ein Grossunternehmen. Aber man möchte wissen: Hat ein KMU eine Klimabilanz? Weiss es, wie viele CO₂-Emissionen über Flotte, Gebäude, Stromverbrauch oder den Einkauf generiert und wie diese reduziert werden können? Das sind alles Dinge, die machbar und sinnvoll sind für ein KMU.
Sie haben zuvor von den unterschiedlichen Treibern gesprochen, welche für eine klimatauglichere Wirtschaft sorgen können. Welche Verantwortung liegt für die Erreichung dieses Ziels beim Treiber Politik?
Die Politik hat noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Sie sollten die Lenkungsabgaben, sprich den CO₂- Preis, laufend erhöhen. Denn das macht klimafreundliche Technologien attraktiver. Auch im Bereich der Elektrisierung des Verkehrs, der Kreislaufwirtschaft wie auch dem Zubau der erneuerbaren Energien gibt es Handlungsbedarf. Wir haben zum Beispiel zur Zeit noch zu lange Bewilligungsfristen für Solar- und Wind-Projekte. Aber viele Themen sind in der Politik angekommen. Es liegt nun an ihr, diese unter Dach und Fach zu bringen. Für die Unternehmen lohnt es sich aber, wenn sie nicht nur auf die Politik warten, sondern aktiv vorangehen. So haben die einzelnen Unternehmen die Möglichkeit, sich von ihren Mitbewerbern zu unterscheiden. Es braucht also ein Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft. «swisscleantech» setzt dabei genau an dieser Schnittstelle an. Wir helfen unseren Mitgliedern, Vorreiter im Bereich des Klimaschutzes zu sein und setzen uns gleichzeitig für eine Politik ein, die sicherstellt, dass klimataugliches Wirtschaften zum Standard wird.
Nehmen wir an, ich habe ein Unternehmen, welches ein Produkt produziert, das absolut nicht klimafreundlich ist. Kann ich da überhaupt etwas zu einer klimatauglichen Wirtschaft beitragen oder sollte ich nicht gleich den Betrieb einstellen?
Klimataugliches Wirtschaften heisst je nach Branche etwas anderes. Alle haben ihre «Baustellen» an verschiedenen Orten: Die einen haben hohe CO₂-Emissionen in der Produktion, andere produzieren Produkte, die an sich nicht besonders klimafreundlich sind und wieder andere steuern über Beratungsangebote, ob ihre Kundschaft sich für nachhaltige oder unnachhaltige Lösungen entscheidet. Deshalb muss Klimaschutz immer im jeweiligen Kontext betrachtet werden. Aber jede Firma kann ihren Weg gehen, auch solche, die gelinde gesagt «anspruchsvolle» Grundvoraussetzungen haben.
Anspruchsvolle Voraussetzungen wie zum Beispiel eine Fluggesellschaft?
Zum Beispiel. Der Flugverkehr ist ein aus Sicht des Klimaschutzes problematischer Sektor, aber wir werden nicht um diesen herumkommen. Umso wichtiger ist es, auch in diesem Bereich die CO₂-Emissionen so weit wie möglich zu senken. Die Fluggesellschaft Swiss International Air Lines zum Beispiel investiert in synthetische Treibstoffe und effizientere Flugzeuge. Was ich damit sagen möchte: Wenn man als Unternehmen etwas fürs Klima tun will, ist es weniger relevant, wo man startet, sondern viel mehr, wohin man will. Und es lohnt sich für jedes Unternehmen, sich diese Frage zu stellen.
Sie haben jetzt schon mehrmals die CO₂-Emissionen erwähnt. Für Unternehmen gibt es die Möglichkeit, diese Emissionen mit einer Klimakompensation auszugleichen. Sie investieren in Klimaschutz-Projekte, um dadurch CO₂-Gutschriften zu erhalten, die den CO₂-Ausstoss des Unternehmens wiederum reduzieren. Hand aufs Herz: Sind solche Kompensationen nicht einfach ein moderner Ablasshandel für die Wirtschaft?
Fangen wir von vorne an: Im Grundsatz gilt es natürlich, Emissionen zu vermeiden. Danach geht es darum, Emissionen zu reduzieren, in dem man auf erneuerbare Technologien umstellt. Dass man bei den nicht vermeidbaren Emissionen zur Kompensation greift, kann durchaus sinnvoll sein. Wenn man dabei in die richtigen Projekte investiert, dann kann dies durchaus eine Wirkung haben, in dem Sinn, dass an einem anderen Ort Emissionen vermieden werden können. Es gibt in diesem Bereich definitiv Qualitätsprobleme. Ich finde es jedoch falsch, wenn man das Modell der Klimakompensation grundsätzlich schlecht redet. Denn in Ergänzung zu einem klaren Reduktions-Pfad und konkreten Reduktions-Massnahmen, macht dies durchaus Sinn. Ausserdem können wir bei «swisscleantech» beobachten, dass die meisten Firmen, die in Kompensationen investieren, auch in Reduktion investieren. Ich möchte in Bezug auf solche Bemühungen noch eine Bemerkung anfügen: Man hört in diesem Zusammenhang auch immer wieder den Begriff des «Greenwashings». Ich finde es wichtig, dass man nicht fälschlicherweise auf jene Firmen einprügelt, die bereits etwas für den Klimaschutz unternehmen, wenn auch mit Widersprüchen und Fehlern. Eigentlich sollte man kritischer bei jenen Firmen hinschauen, die gar nichts machen.
Also nicht an erster Stelle jene Unternehmen in die Mangel nehmen, die sich wenigstens bemüht zeigen, für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen?
Genau. Das Gegenteil führt nämlich unterdessen zum sogenannten «Greenhushing», also dem Effekt, dass sich Firmen teilweise gar nicht mehr trauen, gross über ihre Bemühungen zu sprechen, weil sie das Gefühl haben, sich dadurch angreifbar zu machen. Das ist eine schlechte Entwicklung. Denn es ist wichtig, dass Firmen über ihr Engagement im Klima-Bereich sprechen, weil das zu einer Sensibilisierung der Kundschaft, Konsumenten und Lieferanten führt. Wir motivieren unsere Mitglieder deshalb über ihr Engagement zu sprechen.
Aber ein kritischer Blick seitens der Konsumenten ist auch in ihrem Interesse. Wann ist der Vorwurf des «Greenwashings» denn angebracht?
Es ist durchaus richtig, als Konsumenten genau hinzuschauen. Aber der Generalverdacht, dass es gewisse Firmen einfach nicht ernst meinen, ist aus unserer Erfahrung falsch.
«swisscleantech» will dazu beitragen, das Netto-Null-Ziel der Schweiz bis 2050 zu erreichen. Wie realistisch ist dieser Zeitrahmen aktuell?
Die Schweizer Stimmbevölkerung hat mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes dies Jahr das Netto-Null-Ziel verankert. Nun gilt es, alles daran zu setzen, das Ziel zu erreichen. Es ist mit Herausforderungen verbunden, gerade auch wenn es darum geht, den nötigen Strom zu erzeugen. Denn wenn wir von der Dekarbonisierung des Wärme- sowie des Verkehrsbereichs ausgehen, dann werden wir in Zukunft mehr Strom benötigen. Heisst, wir müssen mehr Strom produzieren. Wir glauben, das ist machbar. Zudem sind viele Technologien für die Dekarbonisierung bereits vorhanden. Bei gewissen Themen wie beispielsweise bei Hochtemperaturprozessen in der Chemie oder Industrie brauchen wir noch mehr Forschung, aber da ist man momentan dran. Darum bin ich optimistisch.
Spricht man über Nachhaltigkeits-Themen herrscht oft ein pessimistischer Grundton. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?
Ich sehe einen klaren politischen Willen zur Veränderung. Beispielsweise in der klaren Mehrheit für das Klimaschutzgesetz. Gleichzeitig sehe ich Bewegung in der Wirtschaft. Wir haben viele Geschäfts-Inhaber, die sich bei «swisscleantech» aktiv einbringen und das Nachhaltigkeits-Thema von sich aus auf die Agenda nehmen. Auch die Tatsache, dass unser Verband in den letzten drei Jahren um mehr als das Dreifache gewachsen ist, zeigt, dass Bestrebungen für mehr Nachhaltigkeit an Relevanz gewinnen. Und das stimmt mich zuversichtlich.