«Wir wollen Verbindlichkeit schaffen»
Kim Berenice GeserMichael Aebisegger, im Vorprojekt von 2017 war von 17 Mio. Franken die Rede. Diesen Februar hiess es, die Sanierung der Steinach könne bis zu 33 Mio. Franken kosten. In der Abstimmungsbotschaft sind nun 30,8 Mio. Franken finalisiert. Wie kommt dieser drastische Preisanstieg zustande?
In der Kostenschätzung im Jahr 2017 blieben der Ersatz der SBB-Brücke samt Fussgängersteg, der Gallussteg, die Werkleitungen sowie die Verlegung der Familiengärten unberücksichtigt. Allein diese notwendigen Projektbestandteile machen rund 5,6 Mio. Franken aus.
Damit sind wir aber noch nicht bei 30,8 Mio. Franken.
Das ist korrekt. Es gab seit 2017 auch noch diverse Weiterentwicklungen im Projektbereich Wasserbau mit dem Schwemmholz-Rückhalt im oberen Bereich der Steinach, der durchgehenden Längsvernetzung und aufwändigere Ufersicherungsmassnahmen. Ausserdem hat seit damals auch die Bauteuerung einen gravierenden Einfluss. Wir fahren mit dem jetzigen Projekt jedoch insgesamt besser als 2017.
Wie kommt das?
Das heutige Projekt hat einen so hohen Qualitätsstandard, dass wir mit deutlich mehr Fördergeldern von Bund und Kanton rechnen dürfen. Aktuell gehen wir von 75 Prozent aus, die übernommen werden. Das ist das gesetzliche Maximum für Beitragszahlungen. Es lohnt sich deshalb für Steinach, das Projekt gesamtheitlich zu betrachten um diese Qualität zu erreichen. Würden wir die Bachsanierung in verschiedene Projekte unterteilen, würden die Fördergelder tiefer ausfallen.
Ist dies auch der Grund, weshalb man die Sanierung des Bachbereichs oberhalb der Autobahnbrücke ins Projekt aufnahm, obwohl dort das Argument des Hochwasserschutzes nicht greift?
Der Bearbeitungsperimeter ist unverändert zum Vorprojekt. Der obere Bereich macht 2,2 Mio. Franken der Gesamtkosten aus. Würden wir ihn weglassen, blieben ökologische Ziele unerreicht und die Beiträge würden mit maximal 70 Prozent tiefer ausfallen. Dies wohlgemerkt für die gesamten Projektkosten.
Ausgehend von besagten Fördergeldern bringen Sie nun einen Projektkredit über 9 Mio. Franken zur Abstimmung. Wie verbindlich ist die Zusage von Bund und Kanton für diese 75 Prozent?
Verbindlich ist die Zusage erst, wenn das Auflageprojekt verabschiedet wurde. Die Rückmeldungen nach der Vorprüfung des Projekts durch die kantonale Fachstelle sind jedoch durchwegs positiv und uns wurden die 75 Prozent in Aussicht gestellt. Wir haben dies deshalb in der Abstimmungsbotschaft bewusst so aufgenommen, weil wir Bund und Kanton hier auch in die Verantwortung nehmen wollen. Ein Ja zum jetzigen Kredit unter diesen Bedingungen schafft Verbindlichkeit – auf allen Seiten. Auch wir sind dann angehalten, das Projekt in diesem Umfang umzusetzen.
Gisela Dudler, Präsidentin der Mitte Steinach, warnte wiederholt davor, den Projektkredit zum jetzigen Zeitpunkt zur Abstimmung zu bringen. Dies aus eben jenem Grund, weil das Projekt noch nicht bewilligt ist. Da sich die Umweltverbände bereits in der Ausarbeitung aus der Projektgruppe zurückzogen, fürchtet sie in der Folge steigende Kosten durch langwierige Einsprache- oder gar Gerichtsverfahren.
Das vorliegende Projekt ist das grösste gemeinsame Vielfache, das wir erreichen können. Für die Umweltverbände mag dies zu wenig sein, für viele Steinacher ist der Umfang jedoch bereits sehr gross. Wir können nicht sicherstellen, dass es nicht zu einem Gerichtsverfahren kommt. Das jetzige Projekt ist unserer Meinung nach gerichtsfest, was uns die Fachplaner bestätigten. Zudem frage ich mich, ob die persönliche Meinung von Frau Dudler auch die Mehrheitsmeinung der Partei spiegelt?
Dennoch bleibt die Frage: Warum wird jetzt abgestimmt und nicht erst, wenn das Projekt bewilligt ist?
Wir müssen uns entscheiden: Will Steinach diese Sanierung oder nicht. Die Grundlagen für die Stimmbevölkerung, um diesen Entscheid zu fällen, sind vorhanden. Wir wissen, was wir wollen und kaufen nicht die Katze im Sack. Wenn die Steinacherinnen und Steinacher dieses Projekt jedoch nicht realisieren wollen, können wir weitere Planungs- und Verfahrenskosten einsparen. Um das Auflageverfahren abschliessen zu können, werden wir mehrere 100 000 Franken benötigen. Zusätzlich zu den rund 1,5 Mio. Franken, die wir bis heute für die Projektplanung investiert haben. Bei einem Nein zahlen wir das alles selbst. Stimmen wir dem Kredit zu, beteiligen sich Bund und Kanton auch hier mit 75 Prozent an den Planungskosten.
Es ist jedoch Fakt, dass sich mögliche Einsprache- und Gerichtsverfahren nachträglich auf die Kosten auswirken würden.
Ja, aber auf das Projekt nur marginal. Wie gesagt, das vorliegende Sanierungsprojekt ist aus unserer Sicht gerichtsfest. Wenn überhaupt käme es nur zu kleineren Anpassungen, welche die Kosten nicht mehr exorbitant in die Höhe treiben würden. Und sind wir doch ehrlich: Wenn wir nicht bereit sind, 9 Mio. Franken in dieses nachhaltige Projekt zu investieren, das den kommenden Generationen in Steinach zugute kommt, den dringend benötigten Hochwasserschutz wieder herstellt und die ökologischen Bedingungen entlang der Steinach massgeblich verbessert, dann brauchen wir auch kein weiteres Geld in einen Gerichtsprozess zu stecken.
Stellen Sie sich ohnehin schon auf einen solchen ein?
Es würde mich wundern, wenn keine Einsprachen gegen das Projekt eingingen und auch einen Rechtsstreit schliesse ich nicht aus. Auch als Gemeinde sind wir davor nicht gefeit, auch wenn ich mir das natürlich nicht wünsche. Meine Hoffnung ist, dass wir am Ende alle hinter diesem Kompromiss stehen können. Natürlich wäre überall noch mehr möglich, aber auch weniger. Unter dem Strich gewinnen wir alle mit diesem Projekt. Davon bin ich überzeugt.
Apropos mehr: Die Umweltverbände forderten eine zweite Bachschlaufe im Steinachtobel. Warum kam man dieser Forderung nicht nach?
Kein Ökologe konnte uns schlüssig erklären, welchen Mehrwert eine weitere Schlaufe schaffen würde. Im Gegenteil könnte diese sogar Nachteile mit sich führen.
Wie das?
Wenn die Schlaufen sich nach dem Bau selbständig weiterentwickeln, müssten beidseitig die Hänge gesichert werden. Was wiederum hohe Kosten und Eingriffe in die Natur nach sich ziehen würde. Mehr Fördergelder erhalten wir überdies mit einer zweiten Schlaufe auch nicht. Und wenn wir das Projekt von heute mit jenem von 2017 vergleichen, ist das ein ökologischer Quantensprung. Es wäre schön, wenn die Umweltverbände dies auch anerkennen und nicht immer auf den Das ist die Vision: Die Visualisierung zeigt, wie die Steinach nach der Renaturierung aussehen könnte. z.V.g. Extremen beharren würden. Am Ende müssen wir einen Kompromiss finden, der für alle Beteiligten akzeptabel ist.
Was passiert bei einem Nein?
Dasselbe wie 1990, dann landet ein weiteres Bündel mit Plänen und Gutachten zur Aufbewahrung beim Kanton und Steinach hat eine weitere Planungsleiche geschaffen. 1,5 Mio. Franken wären die Steinach hinabgeflossen. Kosten, die wir vollumfänglich selbst tragen und über die kommenden 15 Jahre abschreiben müssten. Auch die anstehenden Reparaturen an den Gewässerverbauungen sowie anstehende Brückensanierungen müssten wir zu 100 Prozent selbst tragen, ohne dadurch einen Mehrwert für den Hochwasserschutz und die Ökologie zu schaffen.
Ein Frust also?
Ein Nein an der Urne wäre zu akzeptieren, allerdings auch äusserst bedauerlich. Die Stimmbürger beauftragten uns mit der Planung und erteilten dafür einen Kredit. Nun liegt das Ergebnis der Planung vor und wir müssen entscheiden, ob wir dieses umsetzen möchten. Am Sanierungsprojekt der Steinach arbeiten wir seit 2009. In dieser Zeit kam es zu zwei Hochwasser-Ereignissen mit Folgekosten in Millionenhöhe und wir gehen heute davon aus, dass sich die Szenarien in Zukunft noch verschärfen werden.
Direkt von den Sanierungsmassnahmen betroffen sind rund 40 Grundeigentümer, die Land an die Gemeinde werden abtreten müssen. Entsprechende Kaufvertrags-Entwürfe wurden ihnen bereits zugestellt. Wie sind die Reaktionen?
Ähnlich wie beim ganzen Projekt. Es ist Verständnis da, aber je näher es an die eigene Haustüre rückt, umso weniger gross ist die Begeisterung.
Wie viel erhalten die Grundeigentümer für ihr Land?
Bei den landwirtschaftlichen Flächen orientieren wir uns an der eidgenössischen Praxis für Infrastrukturprojekte, das sind 18 Franken pro Quadratmeter.
Und bei Privaten?
Dort ist die Situation aufgrund der Bodenpreise eine andere. Wir haben deshalb eine Schätzung erstellen lassen, um die fairste Lösung für alle Beteiligten zu evaluieren. Sie erhalten einen Handelswert von 500 Franken pro Quadratmeter multipliziert mit dem Quotienten für die Ausnützungsziffer der jeweiligen Bauzone.
Besteht hier noch Verhandlungsspielraum?
Nein. Wie gesagt, wir wollen alle Beteiligten gleich behandeln. Und man muss auch beachten, dass der abgetretene Boden weiterhin zur anrechenbaren Grundstückfläche zählt, womit der bauliche Spielraum gewahrt bleibt. Die tatsächliche Nutzung der Flächen innerhalb des Gewässerraums wäre ohnehin eingeschränkt. Durch den Erwerb der Flächen übernimmt die Gemeinde auch den Unterhalt am Gewässer.
Die grosse Frage, welche die Steinacher Bevölkerung bewegt, ist die nach den finanziellen Folgen der Bachsanierung auf den Steuerfuss. In der Abstimmungsbotschaft beziffern Sie diese mit 4,5 Prozent.
Abschreibungen und Zinsen in den ersten 15 Jahren nach der Fertigstellung würden Stand heute dem entsprechen
Das heisst, es wird demnächst eine Steuerfuss-Erhöhung geben?
Das muss nicht unbedingt sein. Beim «Lebensraum Gartenhof» haben wir auch schon davon gesprochen, dass das Defizit von 300 000 Franken rund drei Steuerprozenten entsprechen würden. Seit der Abstimmung damals haben wir den Steuerfuss in Steinach jedoch sogar gesenkt. Verlässliche Prognosen zu machen ist sehr schwierig. So oder so wäre eine Erhöhung der Steuern mit dem allgemeinen Finanzhaushalt zu begründen und nicht mit einem einzelnen Projekt. Ich erhoffe mir, dass die laufende Rahmennutzungsplanung bald abgeschlossen ist und wir dann erste Bauprojekte anstossen können, um neue Steuerzahler nach Steinach zu holen, welche das Generationenprojekt wieder mitfinanzieren.
Die Steinach ist nicht das einzige Projekt, das in den kommenden Jahren hohe Kosten verursachen wird. Wäre eine frühzeitige Steuerfuss-Erhöhung nicht vorausschauender?
Wir wollen keine Steuern auf Vorrat einziehen. Wir hatten in den letzten Jahren trotz budgetiertem Minus stets eine schwarze Null erzielt. Sobald das nicht mehr so ist, müssen wir reagieren. Ich will die Situation aber nicht schön reden. Uns stehen schwierige fünf bis sieben Jahre bevor, in denen wir den Gürtel enger schnallen und sorgfältig wirtschaften müssen. Ich glaube aber auch daran, dass uns das gelingt. Sonst würde ich nicht hinter diesem Projekt stehen und mich weiterhin für die Gemeinde engagieren wollen.