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Stimmbürger unter sich: An der Gemeindeversammlung Roggwil verlässt der Gemeinderat zur internen Konsultation kurz den Raum.

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Und täglich grüsst das Farinolihaus

Das Farinolihaus bleibt ein heisses Eisen. Doch anders als in vielen anderen Gemeinden im Kanton zeigte Roggwil, dass auch bei unterschiedlichen Meinungen ein konstruktiver Dialog zwischen Gemeindrat und Bevölkerung möglich ist.

Laura Gansner

In den hinteren Reihen der Mehrzweckhalle Freidorf drehten sich die ersten Köpfe bereits in Richtung Buffet, welches während des letzten, harmlos anmutenden Traktandums «Mitteilungen und allgemeine Umfrage» an der Roggwiler Gemeindeversammlung angerichtet wurde. Die 197 anwesenden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger – rund 8 Prozent der gesamten Roggwiler Stimmbevölkerung – hatten zu diesem Zeitpunkt bereits das Budget 2025 mit einem Minus von 251’300 Franken wie auch den unveränderten Steuerfuss von 44 Prozent mit je einer Handvoll Gegenstimmen angenommen. Alles verlief in den geregelten Bahnen der Traktandenliste – bisher.

Kurz vor knapp

Kurz vor 21.30 Uhr übergab Gemeindepräsident ad interims Markus Zürcher das Schlusswort an Ralph Wattinger (SVP), der als Präsident der Findungskommission über die Suche nach der Neubesetzung des Gemeindepräsidiums informierte (siehe Kasten unten). Das Amt ist seit dem überraschenden Rücktritt von Urs Koller Ende Oktober vakant. In der darauffolgenden Fragerunde tauchte – ohne erkennbaren Zusammenhang mit der Thematik des Gemeindepräsidiums – in letzter Minute doch noch auf, was im Verlauf des Abends bisher nur in Nebensätzen zur Zentrums-Entwicklung erwähnt wurde: das Farinolihaus und sein Schutzstatus. «Ich muss es doch noch ansprechen», deklarierte Max Stillhart.

Ist und bleibt ein kontrovers diskutierter Bau: das Farinolihaus in Roggwil.
Ist und bleibt ein kontrovers diskutierter Bau: das Farinolihaus in Roggwil.
© Archiv

Er verwies darauf, dass der Kanton Thurgau aktuell eine Vernehmlassung zur Neuausrichtung der Denkmalpflege durchführt («felix.». Nr. 35/24). Unter dem Namen «Überführung in ein reduziertes Inventar der erhaltenswerten und geschützten Objekte (IDEGO)» kann aktuell online eine Rückmeldung zum Schutzstatus einzelner Objekte abgegeben werden. «Jetzt wäre der Zeitpunkt, dass sich der Gemeinderat in der Stellungsnahme dafür einsetzt, das Farinolihaus aus dem Schutzinventar zu entfernen», forderte Stillhart. Dieses ist in der Vernehmlassung als Objekt von kantonaler Bedeutung aufgeführt, heisst: Es wäre auch nach der Überarbeitung des Hinweisinventars Sache des Kantons. Und das geht in Roggwil bekannterweise so einigen gegen den Strich.

Der Volkswille zählt

So sprachen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in den letzten 30 Minuten der Versammlung dem Gemeinderat ins Gewissen. Man solle an der Vernehmlassung teilnehmen und sich dabei als Gemeinde im Sinne der Bevölkerung äussern. Doch Markus Zürcher sah rechtliche Komplikationen: Weil der Antrag nicht traktandiert war, könne man auch nicht darüber abstimmen. Nach Wortgefechten und Missverständnissen meldete sich Peter Heinzelmann mit der zündenden Idee: Es soll eine rein konsultative Abstimmung abgehalten werden. «Damit ihr euch an der Vernehmlassung im Sinne des Volkswillens äussern könnt.» Und endlich entspannten sich die Fronten. Markus Zürcher erklärte, diese Entscheidung nicht alleine treffen zu wollen, weshalb sich der Gemeinderat kurz zurückzog. In dessen Abwesenheit schwoll das Murmeln im Saal an, die Köpfe wurden zusammengesteckt. Nach fünf Minuten erfolgte die Rückkehr und der Entscheid des Gemeinderats: Der konsultativen Abstimmung wurde stattgegeben. «Das gibt uns eine Stossrichtung für unsere Antwort in der Vernehmlassung», begründete Zürcher den Entscheid. Das Ergebnis der Abstimmung zeigte, was eigentlich schon klar war: Rund 90 Prozent der Anwesenden will, dass der Gemeinderat sich dafür einsetzt, das Farinolihaus aus dem Schutzplan zu entfernen. Damit sei der Volkswille klar, «und den werden wir beachten», hielt Zürcher fest. Woraufhin er zum ersten Mal an diesem Abend für ein Votum Applaus erhielt. Sein Fazit an die versammelte Bürgerschaft: «So ist das eben: Wir bereiten Geschäfte vor, ihr kommt mit anderen Geschichten, das ist Demokratie.»

Wer wird Roggwil künftig führen?

Nach dem Rücktritt Urs Kollers Ende Oktober haben die politischen Parteien zusammen mit dem Gemeinderat den Zeitplan und das Vorgehen für die Ersatzwahl bestimmt: Der Wahltermin für den ersten Wahlgang ist auf den 18. Mai 2025 festgelegt. Die Eingabefrist für Bewerbungen zuhanden der neu konstituierten überparteilichen Findungskommission läuft bis zum 31. Januar 2025 (Informationen hierzu unter gibt es unter www.roggwil-tg.ch). Der Kommission unter dem Vorsitz von Ralph Wattinger (SVP) gehören je drei Vertretende der SVP, der FDP und der Arbeitnehmervereinigung sowie zwei Mitglieder des Gemeinderates an. Das Gremium wird zudem von Kurt Baumann als externem Begleiter unterstützt, welcher 24 Jahren Gemeindepräsident, zwei Jahrzehnten Kantonsrat und zwölf Jahre Präsident des Verbandes Thurgauer Gemeinden (VTG) war.

Pensum ist neu variabel
Änderungen am Auswahlverfahren würden aufgrund der Erfahrungen mit dem letzten Amtsinhaber keine vorgenommen, teilt Wattinger auf Anfrage mit. Auch bei der Jobbeschreibung wurden (noch) keine Anpassungen gemacht. In Roggwil beinhaltet das Gemeindepräsidium bisher auch die Leitung der Bauverwaltung; eine Doppelbelastung, die unter anderem zu Kollers Rücktritt führte («felix.» Nr.39/24). In Rücksprache mit dem Gemeinderat habe man jedoch darauf verzichtet, bereits im Findungsprozess dieser Trennung vorzugreifen, so Wattinger. Denn würde sich jemand mit Erfahrung in Baufragen finden, wäre diese auch nicht nötig. Zudem wären künftig, je nach Kenntnissen der Bewerbenden, auch andere Aufgabenverteilungen im Gemeinderat möglich. Als Massnahme wurde deshalb das ausgeschriebene Pensum relativ offen gewählt: «60 Prozent, wenn hauptsächlich präsidiale Aufgaben mit weniger Verantwortung in den Fachbereichen wahrgenommen werden, bis 100 Prozent, wenn zusätzliche Aufgaben in den diversen Fachbereichen übernommen werden.» Über die genaue Aufgabenverteilung wird dereinst der Gemeinderat entscheiden.
kim

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